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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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des Routiniers, verglichen mit der in allen Theilen gleich-
mäßig ausgearbeiteten Kenntniß des wahren Gelehrten. Die
letztere ist ohne Zweisel ein Werk fortschreitender Aufmerk-
samkeit.

63. Kant ist in Ansehung dee Grenze zwischen den
untern und obern Vermögen von dem Grundgedanken ge-
leitet worden: "Die Verbindung eines Mannigfaltigen über-
haupt könne niemals durch die Sinne in uns kommen; alle
Verbindung sey ein Actus der Spontaneität der Vorstellungs-
kraft, die man zum Unterschiede von der Sinnlichkeit Ver-
stand nennen müsse."*) Diese, sehr scheinbare, Behaup-
tung ist ihrer Natur nach speculativ (sie veranlaßt die im
Lehrbuche zur Einleitung in die Philosophie aufgestellte hö-
here Skepsis
; man sehe daselbst §. 22--29, aber auch
ebendaselhst §. 98 -- 103). Es ist ein großes Verdienst
Kants um die Speculation, diesen Gedanken mit Nachdruck
hervorgehoben zu haben, aber die höchst wichtigen, von hier
ausgehenden Untersuchungen hat er nur angefangen, keines-
weges vollendet; und so nothwendig dieselben in der Grund-
lage zur allgemeinen Metaphysik immerdar ihren Platz be-
halten müssen, eben so nothwendig muß alles, der. Kanti-
schen Behauptung ähnliche, aus den Lehrsätzen der Psycho-
logie völlig wieder verschwinden. Denn das Ende der Un-
tersuchung ist gerade das Gegentheil dessen, wohin ihr An-
fang zu weisen scheint. Die Verbindung des Mannigfalti-
gen geschieht gar nicht durch irgend etwas, das man einen
Actus nennen könnte, am wenigsten durch einen Act der
Spontaneität; -- sie ist der unmittelbare Erfolg der Ein-
heit der Seele. Die Verbindung des Mannigfaltigen rich-
tet sich ferner allemal nach der Art und Weise, wie die sinn-
lichen Eindrücke zusammentreffen, -- sie ist gegeben, wie

*) Kritik der reinen Vernunft, §. 15.

des Routiniers, verglichen mit der in allen Theilen gleich-
mäßig ausgearbeiteten Kenntniß des wahren Gelehrten. Die
letztere ist ohne Zweisel ein Werk fortschreitender Aufmerk-
samkeit.

63. Kant ist in Ansehung dee Grenze zwischen den
untern und obern Vermögen von dem Grundgedanken ge-
leitet worden: „Die Verbindung eines Mannigfaltigen über-
haupt könne niemals durch die Sinne in uns kommen; alle
Verbindung sey ein Actus der Spontaneität der Vorstellungs-
kraft, die man zum Unterschiede von der Sinnlichkeit Ver-
stand nennen müsse.“*) Diese, sehr scheinbare, Behaup-
tung ist ihrer Natur nach speculativ (sie veranlaßt die im
Lehrbuche zur Einleitung in die Philosophie aufgestellte hö-
here Skepsis
; man sehe daselbst §. 22—29, aber auch
ebendaselhst §. 98 — 103). Es ist ein großes Verdienst
Kants um die Speculation, diesen Gedanken mit Nachdruck
hervorgehoben zu haben, aber die höchst wichtigen, von hier
ausgehenden Untersuchungen hat er nur angefangen, keines-
weges vollendet; und so nothwendig dieselben in der Grund-
lage zur allgemeinen Metaphysik immerdar ihren Platz be-
halten müssen, eben so nothwendig muß alles, der. Kanti-
schen Behauptung ähnliche, aus den Lehrsätzen der Psycho-
logie völlig wieder verschwinden. Denn das Ende der Un-
tersuchung ist gerade das Gegentheil dessen, wohin ihr An-
fang zu weisen scheint. Die Verbindung des Mannigfalti-
gen geschieht gar nicht durch irgend etwas, das man einen
Actus nennen könnte, am wenigsten durch einen Act der
Spontaneität; — sie ist der unmittelbare Erfolg der Ein-
heit der Seele. Die Verbindung des Mannigfaltigen rich-
tet sich ferner allemal nach der Art und Weise, wie die sinn-
lichen Eindrücke zusammentreffen, — sie ist gegeben, wie

*) Kritik der reinen Vernunft, §. 15.
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[50/0058] des Routiniers, verglichen mit der in allen Theilen gleich- mäßig ausgearbeiteten Kenntniß des wahren Gelehrten. Die letztere ist ohne Zweisel ein Werk fortschreitender Aufmerk- samkeit. 63. Kant ist in Ansehung dee Grenze zwischen den untern und obern Vermögen von dem Grundgedanken ge- leitet worden: „Die Verbindung eines Mannigfaltigen über- haupt könne niemals durch die Sinne in uns kommen; alle Verbindung sey ein Actus der Spontaneität der Vorstellungs- kraft, die man zum Unterschiede von der Sinnlichkeit Ver- stand nennen müsse.“ *) Diese, sehr scheinbare, Behaup- tung ist ihrer Natur nach speculativ (sie veranlaßt die im Lehrbuche zur Einleitung in die Philosophie aufgestellte hö- here Skepsis; man sehe daselbst §. 22—29, aber auch ebendaselhst §. 98 — 103). Es ist ein großes Verdienst Kants um die Speculation, diesen Gedanken mit Nachdruck hervorgehoben zu haben, aber die höchst wichtigen, von hier ausgehenden Untersuchungen hat er nur angefangen, keines- weges vollendet; und so nothwendig dieselben in der Grund- lage zur allgemeinen Metaphysik immerdar ihren Platz be- halten müssen, eben so nothwendig muß alles, der. Kanti- schen Behauptung ähnliche, aus den Lehrsätzen der Psycho- logie völlig wieder verschwinden. Denn das Ende der Un- tersuchung ist gerade das Gegentheil dessen, wohin ihr An- fang zu weisen scheint. Die Verbindung des Mannigfalti- gen geschieht gar nicht durch irgend etwas, das man einen Actus nennen könnte, am wenigsten durch einen Act der Spontaneität; — sie ist der unmittelbare Erfolg der Ein- heit der Seele. Die Verbindung des Mannigfaltigen rich- tet sich ferner allemal nach der Art und Weise, wie die sinn- lichen Eindrücke zusammentreffen, — sie ist gegeben, wie *) Kritik der reinen Vernunft, §. 15.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/58>, abgerufen am 25.11.2024.