weil sie,offenbar in dem meisten Fallen die richtige ist. Die Affecten
gehören nicht in eine Klasse mit den Leiden- schaften; dennoch kann man sich eine
ganz affectlose Leiden- schaft gar nicht denken. Wer die Geschichte auch nur
einer einzigen leidenschaftlichen Aufwallung beschreiben will, der muß
sie, mit allen dabey aufgeregten Affecten, als eine ein- zige Begebenheit
betrachten. Der continuirliche Fluß dieser Begebenheit läßt sich gar nicht durch
ein Mosaik-Gemälde darstellen, dessen einzelne Stückchen man etwa aus den
Fä- chern der empirischen Psychologie zusammensuchen möchte.
c) Daß die abgetheilten Seelenvermögen nicht bloß neben einander, sondern in
Beziehung auf einander vorhan- den sind, erkennt die empirische Psychologie
dadurch an, daß sie dieselbe durchgängig mit der Bearbeitung eines und des nämlichen Stoffes
beschäfftigt. Diesen Stoff soll die Sinnlichkeit empfangen, -- wobey die Frage nach dem Causalverhältniß zwischen der
Außenwelt und dem Menschen eintritt. Wird dasselbe geläugnet, so muß die
Sinnlichkeit vielmehr ein erzeugendes Vermögen genannt
werben. Den nämlichen Stoff soll das Gedächtniß aufbewahren;aber unbeschadet dieser Aufbewahrung soll ihn auch die Phantasie in neue Gestalten
bringen; und wiederum diesen neuen Gestalten unbeschadet soll der Verstand
Begriffe daraus ma- chen, auch das Begehrungsvermögen ihn in Begehrtes und Verabscheutes verwandeln, -- und wiederum sollen die Phan- tasien, Begriffe,
Begehrungen, u. s. w. vom Gedächtnisse aufbewahrt, und gelegentlich mit frischem
Stoffe-versetzt von neuem den arbeitenden Vermögen unterworfen werden. Oder,
falls dieses unbegreiflich scheint, ist es vielleicht nur ein Theil des Stoffes, den das Gedächtniß in seinen Vorraths- kammern vesthält, und wird ein anderer Theil der Phantasie übergeben, noch ein anderer dem Verstande, wie- der ein anderer dem
Begehrungsvermögen, u. s. w.? Da-
weil sie,offenbar in dem meisten Fallen die richtige ist. Die Affecten
gehören nicht in eine Klasse mit den Leiden- schaften; dennoch kann man sich eine
ganz affectlose Leiden- schaft gar nicht denken. Wer die Geschichte auch nur
einer einzigen leidenschaftlichen Aufwallung beschreiben will, der muß
sie, mit allen dabey aufgeregten Affecten, als eine ein- zige Begebenheit
betrachten. Der continuirliche Fluß dieser Begebenheit läßt sich gar nicht durch
ein Mosaik-Gemälde darstellen, dessen einzelne Stückchen man etwa aus den
Fä- chern der empirischen Psychologie zusammensuchen möchte.
c) Daß die abgetheilten Seelenvermögen nicht bloß neben einander, sondern in
Beziehung auf einander vorhan- den sind, erkennt die empirische Psychologie
dadurch an, daß sie dieselbe durchgängig mit der Bearbeitung eines und des nämlichen Stoffes
beschäfftigt. Diesen Stoff soll die Sinnlichkeit empfangen, — wobey die Frage nach dem Causalverhältniß zwischen der
Außenwelt und dem Menschen eintritt. Wird dasselbe geläugnet, so muß die
Sinnlichkeit vielmehr ein erzeugendes Vermögen genannt
werben. Den nämlichen Stoff soll das Gedächtniß aufbewahren;aber unbeschadet dieser Aufbewahrung soll ihn auch die Phantasie in neue Gestalten
bringen; und wiederum diesen neuen Gestalten unbeschadet soll der Verstand
Begriffe daraus ma- chen, auch das Begehrungsvermögen ihn in Begehrtes und Verabscheutes verwandeln, — und wiederum sollen die Phan- tasien, Begriffe,
Begehrungen, u. s. w. vom Gedächtnisse aufbewahrt, und gelegentlich mit frischem
Stoffe-versetzt von neuem den arbeitenden Vermögen unterworfen werden. Oder,
falls dieses unbegreiflich scheint, ist es vielleicht nur ein Theil des Stoffes, den das Gedächtniß in seinen Vorraths- kammern vesthält, und wird ein anderer Theil der Phantasie übergeben, noch ein anderer dem Verstande, wie- der ein anderer dem
Begehrungsvermögen, u. s. w.? Da-
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[42/0050]
weil sie,offenbar in dem meisten Fallen die richtige ist. Die Affecten gehören nicht in eine Klasse mit den Leiden-
schaften; dennoch kann man sich eine ganz affectlose Leiden-
schaft gar nicht denken. Wer die Geschichte auch nur einer
einzigen leidenschaftlichen Aufwallung beschreiben will, der
muß sie, mit allen dabey aufgeregten Affecten, als eine ein-
zige Begebenheit betrachten. Der continuirliche Fluß dieser
Begebenheit läßt sich gar nicht durch ein Mosaik-Gemälde
darstellen, dessen einzelne Stückchen man etwa aus den Fä-
chern der empirischen Psychologie zusammensuchen möchte.
c) Daß die abgetheilten Seelenvermögen nicht bloß
neben einander, sondern in Beziehung auf einander vorhan-
den sind, erkennt die empirische Psychologie dadurch an, daß
sie dieselbe durchgängig mit der Bearbeitung eines und
des nämlichen Stoffes beschäfftigt. Diesen Stoff soll die
Sinnlichkeit empfangen, — wobey die Frage nach dem
Causalverhältniß zwischen der Außenwelt und dem Menschen
eintritt. Wird dasselbe geläugnet, so muß die Sinnlichkeit
vielmehr ein erzeugendes Vermögen genannt werben.
Den nämlichen Stoff soll das Gedächtniß aufbewahren;aber
unbeschadet dieser Aufbewahrung soll ihn auch die Phantasie
in neue Gestalten bringen; und wiederum diesen neuen
Gestalten unbeschadet soll der Verstand Begriffe daraus ma-
chen, auch das Begehrungsvermögen ihn in Begehrtes und
Verabscheutes verwandeln, — und wiederum sollen die Phan-
tasien, Begriffe, Begehrungen, u. s. w. vom Gedächtnisse
aufbewahrt, und gelegentlich mit frischem Stoffe-versetzt von
neuem den arbeitenden Vermögen unterworfen werden. Oder,
falls dieses unbegreiflich scheint, ist es vielleicht nur ein
Theil des Stoffes, den das Gedächtniß in seinen Vorraths-
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der ein anderer dem Begehrungsvermögen, u. s. w.? Da-
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/50>, abgerufen am 16.02.2025.
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