sinnlichen Vorstellen, einem sinnlichen
Fühlen, und einem sinnlichen Begehren; man
spricht auch von einer theoretischen (vorstellenden)und
einer praktischen (wollenden, gebietenden) Vernunft: -- nur von einer fühlenden Vernunft pflegt nicht die Rede zu seyn, indem die Vernunft immer als
thätig, niemals als leidend gedacht wird, da sie das Höchste im Menschen seyn
soll.
Die Bedeutung der hier gebrauchten Ausdrücke ist aus dem gemeinen
Sprachgebrauch einem Jeden einigermaßen verständlich; zu seineren Bestimmungen
ist hier noch nicht der rechte Ort. Denn eben sie sind das Streitige.
57. Gehen wir nun von den beyden äußersten Enden gegen die Mitte hin, so finden
wir zuvörderst im Vorstel- lungsvermögen neben der Sinnlichkeit die Einbildungs- kraft und das Gedächtniß, neben der Vernunft den Verstand und die Urteilskraft. Dann im
Gefühl- vermögen neben den sinnlichen Gefühlen der Lust und
Unlust, die ästhetischen und moralischen Gefühle; und die Affecten. Endlich
im Begehrungsvermögen neben den sinnlichen Begierden und
Trieben, einerseits das verständige und vernünftige Wollen, andrerseits die Leidenschaften.
58. Noch ehe wir diesen rohen Abriß des psychologi- schen Feldes genauer
auszeichnen, müssen wir folgendes bemerken:
a) Die Eintheilungen sind nur empirische Zusammen- stellungen, ohne Nachweisung
der Vollständigkeit, ohne vest bestimmte und gerechtfertigte Theilungsgründe.
Daher kein Wunder, wenn bey schärferer Auffassung der Thatsachen sich Gegenstände finden, die entweder in mehrere der gemachten Fächer hineingehören,
oder in gar kein derselben passen. Hier ein paar Beyspiele:
Jn Wolffs Darstellung ist noch das Gefühlvermögen
sinnlichen Vorstellen, einem sinnlichen
Fühlen, und einem sinnlichen Begehren; man
spricht auch von einer theoretischen (vorstellenden)und
einer praktischen (wollenden, gebietenden) Vernunft: — nur von einer fühlenden Vernunft pflegt nicht die Rede zu seyn, indem die Vernunft immer als
thätig, niemals als leidend gedacht wird, da sie das Höchste im Menschen seyn
soll.
Die Bedeutung der hier gebrauchten Ausdrücke ist aus dem gemeinen
Sprachgebrauch einem Jeden einigermaßen verständlich; zu seineren Bestimmungen
ist hier noch nicht der rechte Ort. Denn eben sie sind das Streitige.
57. Gehen wir nun von den beyden äußersten Enden gegen die Mitte hin, so finden
wir zuvörderst im Vorstel- lungsvermögen neben der Sinnlichkeit die Einbildungs- kraft und das Gedächtniß, neben der Vernunft den Verstand und die Urteilskraft. Dann im
Gefühl- vermögen neben den sinnlichen Gefühlen der Lust und
Unlust, die ästhetischen und moralischen Gefühle; und die Affecten. Endlich
im Begehrungsvermögen neben den sinnlichen Begierden und
Trieben, einerseits das verständige und vernünftige Wollen, andrerseits die Leidenschaften.
58. Noch ehe wir diesen rohen Abriß des psychologi- schen Feldes genauer
auszeichnen, müssen wir folgendes bemerken:
a) Die Eintheilungen sind nur empirische Zusammen- stellungen, ohne Nachweisung
der Vollständigkeit, ohne vest bestimmte und gerechtfertigte Theilungsgründe.
Daher kein Wunder, wenn bey schärferer Auffassung der Thatsachen sich Gegenstände finden, die entweder in mehrere der gemachten Fächer hineingehören,
oder in gar kein derselben passen. Hier ein paar Beyspiele:
Jn Wolffs Darstellung ist noch das Gefühlvermögen
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sinnlichen Vorstellen, einem sinnlichen Fühlen,
und einem sinnlichen Begehren; man spricht auch von
einer theoretischen (vorstellenden)und einer praktischen
(wollenden, gebietenden) Vernunft: — nur von einer
fühlenden Vernunft pflegt nicht die Rede zu seyn, indem die
Vernunft immer als thätig, niemals als leidend gedacht
wird, da sie das Höchste im Menschen seyn soll.
Die Bedeutung der hier gebrauchten Ausdrücke ist aus
dem gemeinen Sprachgebrauch einem Jeden einigermaßen
verständlich; zu seineren Bestimmungen ist hier noch nicht
der rechte Ort. Denn eben sie sind das Streitige.
57. Gehen wir nun von den beyden äußersten Enden
gegen die Mitte hin, so finden wir zuvörderst im Vorstel-
lungsvermögen neben der Sinnlichkeit die Einbildungs-
kraft und das Gedächtniß, neben der Vernunft den
Verstand und die Urteilskraft. Dann im Gefühl-
vermögen neben den sinnlichen Gefühlen der Lust und
Unlust, die ästhetischen und moralischen Gefühle;
und die Affecten. Endlich im Begehrungsvermögen neben
den sinnlichen Begierden und Trieben, einerseits das
verständige und vernünftige Wollen, andrerseits
die Leidenschaften.
58. Noch ehe wir diesen rohen Abriß des psychologi-
schen Feldes genauer auszeichnen, müssen wir folgendes
bemerken:
a) Die Eintheilungen sind nur empirische Zusammen-
stellungen, ohne Nachweisung der Vollständigkeit, ohne vest
bestimmte und gerechtfertigte Theilungsgründe. Daher kein
Wunder, wenn bey schärferer Auffassung der Thatsachen sich
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/48>, abgerufen am 16.02.2025.
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