Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

[Formel 1]
nur noch annäherungsweise aufgelöset wird. Daß sie um
eben so viel näher die Thatsachen ausdrückt, welche in der
Erfahrung beobachtet werden, versteht sich von selbst.

26. Das Vorstehende enthält die Grundlage der Lehre
von der mittelbaren Reproduction, die man von der
Association der Vorstellungen, nach gewöhnlicher Benen-
nung , herleitet. Bevor wir dieselbe weiter verfolgen, müssen
wir der unmittelbaren Reproduction erwähnen, das
heißt, derjenigen, welche durch eigne Kraft erfolgt, sobald
die Hindernisse weichen. Der gewöhnliche Fall ist, daß eine
neue Wahrnehmung die ältere Vorstellung des nämlichen,
oder eines ganz ähnlichen, Gegenstandes wieder hervortreten
läßt. Dieses geschieht, indem die neue Wahrnehmung alles,
der ältern gleichartigen Vorstellung entgenstehende, was eben
im Bewußtseyn vorhanden ist, zurückdrängt. Alsdann er-
hebt sich die ältere ohne Weiteres von selbst. Dabey sind
folgende Umstände zu merken, welche durch Rechnung (von
der sich jedoch hier kein Begriff geben läßt) gesunden werden:

a) Das Hervortreten richtet sich in seinem ersten
Beginnen
nach dem Quadrate der Zeit, wenn die
neue Wahrnehmung plötzlich hinzukommt; aber nach dem
Kubus der Zeit, wenn die letztre (wie gewöhnlich) in
einem allmähligen und verweilenden Auffassen gebildet wird *).

b) Der Fortgang des Hervortretens richtet sich haupt-
sächlich nach der Stärke der neuen Wahrnehmung, im Ver-
hältniß zu dem entgegengesetzten, was sie zurückzudrängen hat;
aber nur unter besondern Umständen hat darauf die eigne
Stärke der hervortretenden Vorstellung Einfluß. Sie kann
gleichsam diese Stärke nur in dem freuen Raume gebrauchen,
der ihr gegeben wird.


*) Psychologie I. §. 82 und 97.

[Formel 1]
nur noch annäherungsweise aufgelöset wird. Daß sie um
eben so viel näher die Thatsachen ausdrückt, welche in der
Erfahrung beobachtet werden, versteht sich von selbst.

26. Das Vorstehende enthält die Grundlage der Lehre
von der mittelbaren Reproduction, die man von der
Association der Vorstellungen, nach gewöhnlicher Benen-
nung , herleitet. Bevor wir dieselbe weiter verfolgen, müssen
wir der unmittelbaren Reproduction erwähnen, das
heißt, derjenigen, welche durch eigne Kraft erfolgt, sobald
die Hindernisse weichen. Der gewöhnliche Fall ist, daß eine
neue Wahrnehmung die ältere Vorstellung des nämlichen,
oder eines ganz ähnlichen, Gegenstandes wieder hervortreten
läßt. Dieses geschieht, indem die neue Wahrnehmung alles,
der ältern gleichartigen Vorstellung entgenstehende, was eben
im Bewußtseyn vorhanden ist, zurückdrängt. Alsdann er-
hebt sich die ältere ohne Weiteres von selbst. Dabey sind
folgende Umstände zu merken, welche durch Rechnung (von
der sich jedoch hier kein Begriff geben läßt) gesunden werden:

a) Das Hervortreten richtet sich in seinem ersten
Beginnen
nach dem Quadrate der Zeit, wenn die
neue Wahrnehmung plötzlich hinzukommt; aber nach dem
Kubus der Zeit, wenn die letztre (wie gewöhnlich) in
einem allmähligen und verweilenden Auffassen gebildet wird *).

b) Der Fortgang des Hervortretens richtet sich haupt-
sächlich nach der Stärke der neuen Wahrnehmung, im Ver-
hältniß zu dem entgegengesetzten, was sie zurückzudrängen hat;
aber nur unter besondern Umständen hat darauf die eigne
Stärke der hervortretenden Vorstellung Einfluß. Sie kann
gleichsam diese Stärke nur in dem freuen Raume gebrauchen,
der ihr gegeben wird.


*) Psychologie I. §. 82 und 97.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0028" n="20"/><formula/><lb/>
nur noch annäherungsweise aufgelöset wird. Daß sie um<lb/>
eben so viel näher die
             Thatsachen ausdrückt, welche in der<lb/>
Erfahrung beobachtet werden, versteht sich von
             selbst.<lb/></p><lb/>
          <p>26. Das Vorstehende enthält die Grundlage der Lehre<lb/>
von der <hi rendition="#g">mittelbaren</hi> Reproduction, die man von der<lb/><hi rendition="#g">Associatio</hi>n der Vorstellungen, nach gewöhnlicher Benen-<lb/>
nung , herleitet. Bevor wir dieselbe weiter verfolgen, müssen<lb/>
wir der <hi rendition="#g">unmittelbaren Reproduction</hi> erwähnen, das<lb/>
heißt, derjenigen,
             welche durch eigne Kraft erfolgt, sobald<lb/>
die Hindernisse weichen. Der gewöhnliche
             Fall ist, daß eine<lb/>
neue Wahrnehmung die ältere Vorstellung des nämlichen,<lb/>
oder eines ganz ähnlichen, Gegenstandes wieder hervortreten<lb/>
läßt. Dieses
             geschieht, indem die neue Wahrnehmung alles,<lb/>
der ältern gleichartigen Vorstellung
             entgenstehende, was eben<lb/>
im Bewußtseyn vorhanden ist, zurückdrängt. Alsdann
             er-<lb/>
hebt sich die ältere ohne Weiteres von selbst. Dabey sind<lb/>
folgende
             Umstände zu merken, welche durch Rechnung (von<lb/>
der sich jedoch hier kein Begriff
             geben läßt) gesunden werden:</p><lb/>
          <p>a) Das Hervortreten richtet sich in <hi rendition="#g">seinem ersten<lb/>
Beginnen</hi> nach dem <hi rendition="#g">Quadrate der Zeit</hi>, wenn die<lb/>
neue
             Wahrnehmung plötzlich hinzukommt; aber nach dem<lb/><hi rendition="#g">Kubus der Zeit</hi>, wenn die letztre (wie gewöhnlich) in<lb/>
einem
             allmähligen und verweilenden Auffassen gebildet wird <note place="foot" n="*)">Psychologie I. §. 82 und 97.</note>.</p><lb/>
          <p>b) Der Fortgang des Hervortretens richtet sich haupt-<lb/>
sächlich nach der Stärke der
             neuen Wahrnehmung, im Ver-<lb/>
hältniß zu dem entgegengesetzten, was sie
             zurückzudrängen hat;<lb/>
aber nur unter besondern Umständen hat darauf die eigne<lb/>
Stärke der hervortretenden Vorstellung Einfluß. Sie kann<lb/>
gleichsam diese Stärke
             nur in dem freuen Raume gebrauchen,<lb/>
der ihr gegeben wird.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0028] [FORMEL] nur noch annäherungsweise aufgelöset wird. Daß sie um eben so viel näher die Thatsachen ausdrückt, welche in der Erfahrung beobachtet werden, versteht sich von selbst. 26. Das Vorstehende enthält die Grundlage der Lehre von der mittelbaren Reproduction, die man von der Association der Vorstellungen, nach gewöhnlicher Benen- nung , herleitet. Bevor wir dieselbe weiter verfolgen, müssen wir der unmittelbaren Reproduction erwähnen, das heißt, derjenigen, welche durch eigne Kraft erfolgt, sobald die Hindernisse weichen. Der gewöhnliche Fall ist, daß eine neue Wahrnehmung die ältere Vorstellung des nämlichen, oder eines ganz ähnlichen, Gegenstandes wieder hervortreten läßt. Dieses geschieht, indem die neue Wahrnehmung alles, der ältern gleichartigen Vorstellung entgenstehende, was eben im Bewußtseyn vorhanden ist, zurückdrängt. Alsdann er- hebt sich die ältere ohne Weiteres von selbst. Dabey sind folgende Umstände zu merken, welche durch Rechnung (von der sich jedoch hier kein Begriff geben läßt) gesunden werden: a) Das Hervortreten richtet sich in seinem ersten Beginnen nach dem Quadrate der Zeit, wenn die neue Wahrnehmung plötzlich hinzukommt; aber nach dem Kubus der Zeit, wenn die letztre (wie gewöhnlich) in einem allmähligen und verweilenden Auffassen gebildet wird *). b) Der Fortgang des Hervortretens richtet sich haupt- sächlich nach der Stärke der neuen Wahrnehmung, im Ver- hältniß zu dem entgegengesetzten, was sie zurückzudrängen hat; aber nur unter besondern Umständen hat darauf die eigne Stärke der hervortretenden Vorstellung Einfluß. Sie kann gleichsam diese Stärke nur in dem freuen Raume gebrauchen, der ihr gegeben wird. *) Psychologie I. §. 82 und 97.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-05T12:13:38Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-05T12:13:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup. (2013-07-05T12:13:38Z)
Stefanie Seim: Nachkorrekturen. (2013-07-05T12:13:38Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/28
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/28>, abgerufen am 18.12.2024.