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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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kennt man das Verhältniß, in welchem die verschiedenen
Vorstellungen ihr nachgeben, so findet man durch eine leichte
Proportions-Rechnung den statischen Punkt einer jeden
Vorstellung, d. h. den Grad ihrer Verdunkelung im Gleich-
gewichte.

15. Die Summe sowohl als das Verhältniß der Hem-
mung hängt ab von der Stärke jeder einzelnen Vorstellung, --
sie leidet die Hemmung im umgekehrten Verhältnisse ihrer
Stärke, -- und von dem Grade des Gegensatzes un-
ter je zweyen Vorstellungen, denn mit ihm steht ihre Wir-
kung auf einander im geraden Verhältniß.

Der Hauptgrundsatz zur Bestimmung der Hemmungs-
Summe ist, daß man sie als möglichst klein betrachten müsse,
weil alle Vorstellungen der Hemmung entgegenstreben, und
gewiß nicht mehr als nöthig davon übernehmen.

16. Durch die wirkliche Rechnung erhält man das
merkwürdige Resultat: daß zwar unter zweien Vorstellungen
eine die andre niemals ganz verdunkelt, wohl aber unter
dreyen oder mehrern sehr leicht eine ganz verdrängt, und
ungeachtet ihres fortdauernden Strebens so unwirksam ge-
macht werden kann, als ob sie gar nicht vorhanden wäre.
Ja dies kann einer wie immer großen Anzahl von Vorstel-
lungen begegnen, und zwar durch zwei, oder überhaupt durch
wenig stärkere.

Hier muß der Ausdruck: Schwelle des Bewußt-
seyns
, erklärt werden, dessen wir manchmal bedürfen wer-
den. Eine Vorstellung ist im Bewußtseyn, in wiefern
sie nicht gehemmt, sondern ein wirkliches Vorstellen ist.
Sie tritt ins Bewußtseyn, wenn sie aus einem Zustande
völliger Hemmung so eben sich erhebt. Hier also ist sie
an der Schwelle des Bewußtseins. Es ist sehr wichtig,
durch Rechnung zu bestimmen, wie stark eine Vorstellung
seyn müsse, um neben zweien oder mehrern stärkeren noch

kennt man das Verhältniß, in welchem die verschiedenen
Vorstellungen ihr nachgeben, so findet man durch eine leichte
Proportions-Rechnung den statischen Punkt einer jeden
Vorstellung, d. h. den Grad ihrer Verdunkelung im Gleich-
gewichte.

15. Die Summe sowohl als das Verhältniß der Hem-
mung hängt ab von der Stärke jeder einzelnen Vorstellung, —
sie leidet die Hemmung im umgekehrten Verhältnisse ihrer
Stärke, — und von dem Grade des Gegensatzes un-
ter je zweyen Vorstellungen, denn mit ihm steht ihre Wir-
kung auf einander im geraden Verhältniß.

Der Hauptgrundsatz zur Bestimmung der Hemmungs-
Summe ist, daß man sie als möglichst klein betrachten müsse,
weil alle Vorstellungen der Hemmung entgegenstreben, und
gewiß nicht mehr als nöthig davon übernehmen.

16. Durch die wirkliche Rechnung erhält man das
merkwürdige Resultat: daß zwar unter zweien Vorstellungen
eine die andre niemals ganz verdunkelt, wohl aber unter
dreyen oder mehrern sehr leicht eine ganz verdrängt, und
ungeachtet ihres fortdauernden Strebens so unwirksam ge-
macht werden kann, als ob sie gar nicht vorhanden wäre.
Ja dies kann einer wie immer großen Anzahl von Vorstel-
lungen begegnen, und zwar durch zwei, oder überhaupt durch
wenig stärkere.

Hier muß der Ausdruck: Schwelle des Bewußt-
seyns
, erklärt werden, dessen wir manchmal bedürfen wer-
den. Eine Vorstellung ist im Bewußtseyn, in wiefern
sie nicht gehemmt, sondern ein wirkliches Vorstellen ist.
Sie tritt ins Bewußtseyn, wenn sie aus einem Zustande
völliger Hemmung so eben sich erhebt. Hier also ist sie
an der Schwelle des Bewußtseins. Es ist sehr wichtig,
durch Rechnung zu bestimmen, wie stark eine Vorstellung
seyn müsse, um neben zweien oder mehrern stärkeren noch

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[12/0020] kennt man das Verhältniß, in welchem die verschiedenen Vorstellungen ihr nachgeben, so findet man durch eine leichte Proportions-Rechnung den statischen Punkt einer jeden Vorstellung, d. h. den Grad ihrer Verdunkelung im Gleich- gewichte. 15. Die Summe sowohl als das Verhältniß der Hem- mung hängt ab von der Stärke jeder einzelnen Vorstellung, — sie leidet die Hemmung im umgekehrten Verhältnisse ihrer Stärke, — und von dem Grade des Gegensatzes un- ter je zweyen Vorstellungen, denn mit ihm steht ihre Wir- kung auf einander im geraden Verhältniß. Der Hauptgrundsatz zur Bestimmung der Hemmungs- Summe ist, daß man sie als möglichst klein betrachten müsse, weil alle Vorstellungen der Hemmung entgegenstreben, und gewiß nicht mehr als nöthig davon übernehmen. 16. Durch die wirkliche Rechnung erhält man das merkwürdige Resultat: daß zwar unter zweien Vorstellungen eine die andre niemals ganz verdunkelt, wohl aber unter dreyen oder mehrern sehr leicht eine ganz verdrängt, und ungeachtet ihres fortdauernden Strebens so unwirksam ge- macht werden kann, als ob sie gar nicht vorhanden wäre. Ja dies kann einer wie immer großen Anzahl von Vorstel- lungen begegnen, und zwar durch zwei, oder überhaupt durch wenig stärkere. Hier muß der Ausdruck: Schwelle des Bewußt- seyns, erklärt werden, dessen wir manchmal bedürfen wer- den. Eine Vorstellung ist im Bewußtseyn, in wiefern sie nicht gehemmt, sondern ein wirkliches Vorstellen ist. Sie tritt ins Bewußtseyn, wenn sie aus einem Zustande völliger Hemmung so eben sich erhebt. Hier also ist sie an der Schwelle des Bewußtseins. Es ist sehr wichtig, durch Rechnung zu bestimmen, wie stark eine Vorstellung seyn müsse, um neben zweien oder mehrern stärkeren noch

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/20>, abgerufen am 27.11.2024.