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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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samkeit.
Jenes ist oft vorbildend für diese. Am weitesten
treten hier die Mystiker und die Freiheitslehrer auseinander;
jene meinen, das eigne Wollen ertödten, das eigene Jch
aufgeben zu müssen; diese predigen absolute Selbstständig-
keit des Jch. Am seltsamsten aber ist die Selbsttäuschung.
Derer, welche mitten in der Mystik noch ihre persönliche
Freyheit behaupten wollen, um ja Alles, was einen guten
Klang hat, zu vereinigen. Es hilft nichts, solchen Leuten
von der richtigen Mitte zu reden; sie haben den rechten
Weg von Anfang an verfehlt, und müßten ganz rückwärts
gehn, um ihn wiederzufinden.

203. Durch den Begriff der Seele nicht aber un-
mittelbar durch den so eben erklärten des Jch, bekommen
wir eine richtige Kenntniß von uns selbst. Der letztere
nämlich muß in jenen erstern umgebildet werden. Denn das
Jch des gemeinen Verstandes enthalt lauter zufällige Merk-
male, welches sich vermittelst der zerlegenden Urtheile (der
Antworten auf die Frage: Wer bin ich?) verräth, ge-
rade so wie die Vorstellungen der sinnlichen Dinge sich durch
die Urtheile (195) in lauter Prädicate zersetzen, deren Sub-
ject lange blindlings vorausgesetzt, endlich aber vermißt
wird. Von dem Jch lassen nun die Urtheile, indem sie alles
Jndividuelle absondern, nichts übrig, als den Begriff der
Jdentität des Objects und Subjects; einen wi-
dersprechenden
Begriff, dessen Umbildung in jenen der
Seele ein Geschäfft der allgemeinen Metaphysik ausmacht,
eben sowohl wie dieselbe die Begriffe von Substanzen, Kräf-
ten (196), von räumlichen und zeitlichen Dingen (177)
in die Lehre von einfachen Wesen und von deren Störun-
gen und Selbsterhaltungen umarbeitet.

Anmerkung. Der widersprechende Begriff des rei-
nen Jch ist das metaphysische Princip, aus welchem alle
die systematischen Untersuchungen geflossen sind, die dem

samkeit.
Jenes ist oft vorbildend für diese. Am weitesten
treten hier die Mystiker und die Freiheitslehrer auseinander;
jene meinen, das eigne Wollen ertödten, das eigene Jch
aufgeben zu müssen; diese predigen absolute Selbstständig-
keit des Jch. Am seltsamsten aber ist die Selbsttäuschung.
Derer, welche mitten in der Mystik noch ihre persönliche
Freyheit behaupten wollen, um ja Alles, was einen guten
Klang hat, zu vereinigen. Es hilft nichts, solchen Leuten
von der richtigen Mitte zu reden; sie haben den rechten
Weg von Anfang an verfehlt, und müßten ganz rückwärts
gehn, um ihn wiederzufinden.

203. Durch den Begriff der Seele nicht aber un-
mittelbar durch den so eben erklärten des Jch, bekommen
wir eine richtige Kenntniß von uns selbst. Der letztere
nämlich muß in jenen erstern umgebildet werden. Denn das
Jch des gemeinen Verstandes enthalt lauter zufällige Merk-
male, welches sich vermittelst der zerlegenden Urtheile (der
Antworten auf die Frage: Wer bin ich?) verräth, ge-
rade so wie die Vorstellungen der sinnlichen Dinge sich durch
die Urtheile (195) in lauter Prädicate zersetzen, deren Sub-
ject lange blindlings vorausgesetzt, endlich aber vermißt
wird. Von dem Jch lassen nun die Urtheile, indem sie alles
Jndividuelle absondern, nichts übrig, als den Begriff der
Jdentität des Objects und Subjects; einen wi-
dersprechenden
Begriff, dessen Umbildung in jenen der
Seele ein Geschäfft der allgemeinen Metaphysik ausmacht,
eben sowohl wie dieselbe die Begriffe von Substanzen, Kräf-
ten (196), von räumlichen und zeitlichen Dingen (177)
in die Lehre von einfachen Wesen und von deren Störun-
gen und Selbsterhaltungen umarbeitet.

Anmerkung. Der widersprechende Begriff des rei-
nen Jch ist das metaphysische Princip, aus welchem alle
die systematischen Untersuchungen geflossen sind, die dem

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[163/0171] samkeit. Jenes ist oft vorbildend für diese. Am weitesten treten hier die Mystiker und die Freiheitslehrer auseinander; jene meinen, das eigne Wollen ertödten, das eigene Jch aufgeben zu müssen; diese predigen absolute Selbstständig- keit des Jch. Am seltsamsten aber ist die Selbsttäuschung. Derer, welche mitten in der Mystik noch ihre persönliche Freyheit behaupten wollen, um ja Alles, was einen guten Klang hat, zu vereinigen. Es hilft nichts, solchen Leuten von der richtigen Mitte zu reden; sie haben den rechten Weg von Anfang an verfehlt, und müßten ganz rückwärts gehn, um ihn wiederzufinden. 203. Durch den Begriff der Seele nicht aber un- mittelbar durch den so eben erklärten des Jch, bekommen wir eine richtige Kenntniß von uns selbst. Der letztere nämlich muß in jenen erstern umgebildet werden. Denn das Jch des gemeinen Verstandes enthalt lauter zufällige Merk- male, welches sich vermittelst der zerlegenden Urtheile (der Antworten auf die Frage: Wer bin ich?) verräth, ge- rade so wie die Vorstellungen der sinnlichen Dinge sich durch die Urtheile (195) in lauter Prädicate zersetzen, deren Sub- ject lange blindlings vorausgesetzt, endlich aber vermißt wird. Von dem Jch lassen nun die Urtheile, indem sie alles Jndividuelle absondern, nichts übrig, als den Begriff der Jdentität des Objects und Subjects; einen wi- dersprechenden Begriff, dessen Umbildung in jenen der Seele ein Geschäfft der allgemeinen Metaphysik ausmacht, eben sowohl wie dieselbe die Begriffe von Substanzen, Kräf- ten (196), von räumlichen und zeitlichen Dingen (177) in die Lehre von einfachen Wesen und von deren Störun- gen und Selbsterhaltungen umarbeitet. Anmerkung. Der widersprechende Begriff des rei- nen Jch ist das metaphysische Princip, aus welchem alle die systematischen Untersuchungen geflossen sind, die dem

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/171>, abgerufen am 24.11.2024.