stets beysammen. Und aus einfachen Empfindungen kann man
selbst in Gedanken nichts absondern, damit etwas anderes übrig bleibe.
Wie soll aus roth, blau, gelb, u. s. w. der
Gattungsbegriff Farbe entstehn? Wel- ches sind hier die
specifischen Differenzen, von denen abstra- hirt wird? Niemand wird sie angeben
können.
Allgemeine Begriffe, die bloß durch ihren Jnhalt ge- dacht würden, ohne ein
Hinabgleiten des Vorstellens in ih- ren Umfang, sind, wie schon oben (78)
bemerkt, logische Jdeale; so wie die ganze Logik eine
Moral für das Denken ist, nicht aber eine Naturgeschichte
des Verstandes.
Daher kann man nur fragen: wie es zugehe, daß wir uns solche Jdeale denken, und
uns denselben mehr und mehr annähern? Und die Antwort: vermittelst der Urtheile, ist schon oben gegeben; wir müssen sie jetzt
entwickeln. Da- bey werden gewisse Gesammt-Eindrücke von
ähnli- chen Gegenständen vorausgesetzt, als rohes Material, woraus
die allgemeinen Begriffe allmählig gebildet werden; diese Gesammt-Eindrücke sind
aber nichts anders, als Com- plexionen, worin das Aehnliche der
Theilvorstellungen ein Uebergewicht hat über dem Verschiedenartigen. Solches
Uebergewicht wird allmählig stärker, und entscheidender; es bilden nämlich
Anfangs die wiederhohlten Auffassungen ähn- licher Gegenstände eine Zeitreihe
(man erinnert sich, wann und wo und in welcher Folge man solche Gegenstände
ge- sehen habe); wird aber die Reihe zu lang, so kann sie sich nicht mehr
evolviren; sondern das Alltägliche wird ein Be- harrliches; dessen Vorstellung
nun im Zustande der Jnvo- lution bleibt (31). Die Hemmung unter den
verschieden- artigen Bestimmungen ist dann in dauernde Verdunkelung derselben, wiewohl nicht in gänzliche Abtrennung vom Gleich- artigen,
übergegangen.
stets beysammen. Und aus einfachen Empfindungen kann man
selbst in Gedanken nichts absondern, damit etwas anderes übrig bleibe.
Wie soll aus roth, blau, gelb, u. s. w. der
Gattungsbegriff Farbe entstehn? Wel- ches sind hier die
specifischen Differenzen, von denen abstra- hirt wird? Niemand wird sie angeben
können.
Allgemeine Begriffe, die bloß durch ihren Jnhalt ge- dacht würden, ohne ein
Hinabgleiten des Vorstellens in ih- ren Umfang, sind, wie schon oben (78)
bemerkt, logische Jdeale; so wie die ganze Logik eine
Moral für das Denken ist, nicht aber eine Naturgeschichte
des Verstandes.
Daher kann man nur fragen: wie es zugehe, daß wir uns solche Jdeale denken, und
uns denselben mehr und mehr annähern? Und die Antwort: vermittelst der Urtheile, ist schon oben gegeben; wir müssen sie jetzt
entwickeln. Da- bey werden gewisse Gesammt-Eindrücke von
ähnli- chen Gegenständen vorausgesetzt, als rohes Material, woraus
die allgemeinen Begriffe allmählig gebildet werden; diese Gesammt-Eindrücke sind
aber nichts anders, als Com- plexionen, worin das Aehnliche der
Theilvorstellungen ein Uebergewicht hat über dem Verschiedenartigen. Solches
Uebergewicht wird allmählig stärker, und entscheidender; es bilden nämlich
Anfangs die wiederhohlten Auffassungen ähn- licher Gegenstände eine Zeitreihe
(man erinnert sich, wann und wo und in welcher Folge man solche Gegenstände
ge- sehen habe); wird aber die Reihe zu lang, so kann sie sich nicht mehr
evolviren; sondern das Alltägliche wird ein Be- harrliches; dessen Vorstellung
nun im Zustande der Jnvo- lution bleibt (31). Die Hemmung unter den
verschieden- artigen Bestimmungen ist dann in dauernde Verdunkelung derselben, wiewohl nicht in gänzliche Abtrennung vom Gleich- artigen,
übergegangen.
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stets beysammen. Und aus einfachen Empfindungen kann
man selbst in Gedanken nichts absondern, damit
etwas anderes übrig bleibe. Wie soll aus roth, blau,
gelb, u. s. w. der Gattungsbegriff Farbe entstehn? Wel-
ches sind hier die specifischen Differenzen, von denen abstra-
hirt wird? Niemand wird sie angeben können.
Allgemeine Begriffe, die bloß durch ihren Jnhalt ge-
dacht würden, ohne ein Hinabgleiten des Vorstellens in ih-
ren Umfang, sind, wie schon oben (78) bemerkt, logische
Jdeale; so wie die ganze Logik eine Moral für das
Denken ist, nicht aber eine Naturgeschichte des
Verstandes.
Daher kann man nur fragen: wie es zugehe, daß wir
uns solche Jdeale denken, und uns denselben mehr und mehr
annähern? Und die Antwort: vermittelst der Urtheile,
ist schon oben gegeben; wir müssen sie jetzt entwickeln. Da-
bey werden gewisse Gesammt-Eindrücke von ähnli-
chen Gegenständen vorausgesetzt, als rohes Material,
woraus die allgemeinen Begriffe allmählig gebildet werden;
diese Gesammt-Eindrücke sind aber nichts anders, als Com-
plexionen, worin das Aehnliche der Theilvorstellungen ein
Uebergewicht hat über dem Verschiedenartigen. Solches
Uebergewicht wird allmählig stärker, und entscheidender; es
bilden nämlich Anfangs die wiederhohlten Auffassungen ähn-
licher Gegenstände eine Zeitreihe (man erinnert sich, wann
und wo und in welcher Folge man solche Gegenstände ge-
sehen habe); wird aber die Reihe zu lang, so kann sie sich
nicht mehr evolviren; sondern das Alltägliche wird ein Be-
harrliches; dessen Vorstellung nun im Zustande der Jnvo-
lution bleibt (31). Die Hemmung unter den verschieden-
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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