Drittes Capitel. Von der
Verbindung zwischen Seele und Leib.
162. Die Verknüpfung zwischen Geist und Materie in den Thieren, insbesondere
aber im Menschen, hat viel Wunderbares, das auf die Weisheit der Vorsehung muß
zurückgeführt werden; aber sie hat es nicht da, wo man es zunächst zu
suchen pflegt, weil man die Materie für real hält, sofern sie räumlich existirt;
und weil man den mensch- lichen Geist als ein ursprüngliches Denken, Fühlen,
Wollen betrachtet: so daß zwischen beyden jedes Mittelglied fehlt. Man
suche hinter der Materie, als räumlicher Erscheinung, die einfachen und
innerlich bildsamen Wesen, aus denen diese Erscheinung entspringt; man sehe den
Geist an als die vor- stellende Seele; man erinnere sich, daß den Vorstellungen,
als Selbsterhaltungen der Seele, andre Selbsterhaltungen in anderen Wesen
(zunächst in den Elementen des Nerven- systems) entsprechen müssen: so wird man
einsehn, daß die Kette zusammengehöriger Selbsterhaltungen wohl noch wei- ter, daß sie durch ein ganzes System von Wesen, die sich zusammen als Ein Körper
darstellen, fortlaufen könne; und man wird es nicht mehr räthselhaft finden,
wenn von der Spitze des Fußes bis zum Gehirn und bis in die Seele eine Folge von innern Zuständen, ohne Zeitverlauf und ohne alle räumliche Bewegung, --
dergleichen jedoch als begleitendes Phänomen vorkommen kann, -- sich vorwärts und
rückwärts erstreckt.
163. Zuerst aber tritt hiemit wieder die, mit Unrecht verworfene, Frage von dem
Sitze der Seele hervor. Daß man aus physiologischen Gründen nicht einen Ort, sondern nur eine Gegend (im
Uebergange zwischen Gehirn und
Drittes Capitel. Von der
Verbindung zwischen Seele und Leib.
162. Die Verknüpfung zwischen Geist und Materie in den Thieren, insbesondere
aber im Menschen, hat viel Wunderbares, das auf die Weisheit der Vorsehung muß
zurückgeführt werden; aber sie hat es nicht da, wo man es zunächst zu
suchen pflegt, weil man die Materie für real hält, sofern sie räumlich existirt;
und weil man den mensch- lichen Geist als ein ursprüngliches Denken, Fühlen,
Wollen betrachtet: so daß zwischen beyden jedes Mittelglied fehlt. Man
suche hinter der Materie, als räumlicher Erscheinung, die einfachen und
innerlich bildsamen Wesen, aus denen diese Erscheinung entspringt; man sehe den
Geist an als die vor- stellende Seele; man erinnere sich, daß den Vorstellungen,
als Selbsterhaltungen der Seele, andre Selbsterhaltungen in anderen Wesen
(zunächst in den Elementen des Nerven- systems) entsprechen müssen: so wird man
einsehn, daß die Kette zusammengehöriger Selbsterhaltungen wohl noch wei- ter, daß sie durch ein ganzes System von Wesen, die sich zusammen als Ein Körper
darstellen, fortlaufen könne; und man wird es nicht mehr räthselhaft finden,
wenn von der Spitze des Fußes bis zum Gehirn und bis in die Seele eine Folge von innern Zuständen, ohne Zeitverlauf und ohne alle räumliche Bewegung, —
dergleichen jedoch als begleitendes Phänomen vorkommen kann, — sich vorwärts und
rückwärts erstreckt.
163. Zuerst aber tritt hiemit wieder die, mit Unrecht verworfene, Frage von dem
Sitze der Seele hervor. Daß man aus physiologischen Gründen nicht einen Ort, sondern nur eine Gegend (im
Uebergange zwischen Gehirn und
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Drittes Capitel.
Von der Verbindung zwischen Seele und Leib.
162. Die Verknüpfung zwischen Geist und Materie
in den Thieren, insbesondere aber im Menschen, hat viel
Wunderbares, das auf die Weisheit der Vorsehung muß
zurückgeführt werden; aber sie hat es nicht da, wo man es
zunächst zu suchen pflegt, weil man die Materie für real
hält, sofern sie räumlich existirt; und weil man den mensch-
lichen Geist als ein ursprüngliches Denken, Fühlen, Wollen
betrachtet: so daß zwischen beyden jedes Mittelglied fehlt.
Man suche hinter der Materie, als räumlicher Erscheinung,
die einfachen und innerlich bildsamen Wesen, aus denen diese
Erscheinung entspringt; man sehe den Geist an als die vor-
stellende Seele; man erinnere sich, daß den Vorstellungen,
als Selbsterhaltungen der Seele, andre Selbsterhaltungen
in anderen Wesen (zunächst in den Elementen des Nerven-
systems) entsprechen müssen: so wird man einsehn, daß die
Kette zusammengehöriger Selbsterhaltungen wohl noch wei-
ter, daß sie durch ein ganzes System von Wesen, die sich
zusammen als Ein Körper darstellen, fortlaufen könne; und
man wird es nicht mehr räthselhaft finden, wenn von der
Spitze des Fußes bis zum Gehirn und bis in die Seele eine
Folge von innern Zuständen, ohne Zeitverlauf und ohne alle
räumliche Bewegung, — dergleichen jedoch als begleitendes
Phänomen vorkommen kann, — sich vorwärts und rückwärts
erstreckt.
163. Zuerst aber tritt hiemit wieder die, mit Unrecht
verworfene, Frage von dem Sitze der Seele hervor. Daß
man aus physiologischen Gründen nicht einen Ort, sondern
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/137>, abgerufen am 16.02.2025.
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