157. Lebenskräfte (man nennt sie am besten im plu- rali, weil sie einzeln weder
entstehn noch wirken können) sind nichts ursprüngliches, und es giebt nichts
ihnen ähnli- ches in dem Was der Wesen.
Nur ein System von Selbsterhaltungen in Einem und demselben Wesen vermag sie zu
erzeugen; und sie sind an- zusehn als die innere Bildung
der einfachen Wesen. Ge- wöhnlich entstehn sie in den Elementen organischer Kör- per, deren Einrichtung zur Hervorrufung
der Systeme von Selbsterhaltungen in den einzelnen Elementen geschickt ist.
Dies zeigt sich in der Assimilation der Nahrungsmittel.
158. Einmal erworben, bleibt einem jeden Elemente seine Lebenskraft; auch wenn
es sich trennt von dem orga- nischen Körper, dem es angehörte. Dies zeigt sich in
der Ernährung der höhern Organismen durch die niedern, und der
Vegetabilien durch verwesete Theile anderer organischer Körper.
Anmerkung. Eben dahin gehört alle Zeugung, ohne Ausnahme; auch die einiger niedern
Organismen aus anscheinend roher Materie, d. h. aus
solcher Materie, die keinen organischen Bau (ein räumliches Prä- dicat)
besitzt, woraus der Mangel an Lebenskraft keineswe- ges kann geschlossen werden.
--Hierin aber eine ursprüng- liche Lebenskraft sehen zu
wollen, ist eine höchst unüber- legte Erschleichung. Jn unserm Erfahrungskreise
kommt gar keine Materie vor, von der wir mit Sicherheit behaup- ten
könnten, sie fey roh. Die ganze Atmosphäre ist voll von Elementen, die in irgend
einem organischen Körper schon Lebenskraft gewonnen haben; und die Menge solcher
Ele-
Zweytes Capitel. Von den
Lebenskräften.
157. Lebenskräfte (man nennt sie am besten im plu- rali, weil sie einzeln weder
entstehn noch wirken können) sind nichts ursprüngliches, und es giebt nichts
ihnen ähnli- ches in dem Was der Wesen.
Nur ein System von Selbsterhaltungen in Einem und demselben Wesen vermag sie zu
erzeugen; und sie sind an- zusehn als die innere Bildung
der einfachen Wesen. Ge- wöhnlich entstehn sie in den Elementen organischer Kör- per, deren Einrichtung zur Hervorrufung
der Systeme von Selbsterhaltungen in den einzelnen Elementen geschickt ist.
Dies zeigt sich in der Assimilation der Nahrungsmittel.
158. Einmal erworben, bleibt einem jeden Elemente seine Lebenskraft; auch wenn
es sich trennt von dem orga- nischen Körper, dem es angehörte. Dies zeigt sich in
der Ernährung der höhern Organismen durch die niedern, und der
Vegetabilien durch verwesete Theile anderer organischer Körper.
Anmerkung. Eben dahin gehört alle Zeugung, ohne Ausnahme; auch die einiger niedern
Organismen aus anscheinend roher Materie, d. h. aus
solcher Materie, die keinen organischen Bau (ein räumliches Prä- dicat)
besitzt, woraus der Mangel an Lebenskraft keineswe- ges kann geschlossen werden.
—Hierin aber eine ursprüng- liche Lebenskraft sehen zu
wollen, ist eine höchst unüber- legte Erschleichung. Jn unserm Erfahrungskreise
kommt gar keine Materie vor, von der wir mit Sicherheit behaup- ten
könnten, sie fey roh. Die ganze Atmosphäre ist voll von Elementen, die in irgend
einem organischen Körper schon Lebenskraft gewonnen haben; und die Menge solcher
Ele-
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Zweytes Capitel.
Von den Lebenskräften.
157. Lebenskräfte (man nennt sie am besten im plu-
rali, weil sie einzeln weder entstehn noch wirken können)
sind nichts ursprüngliches, und es giebt nichts ihnen ähnli-
ches in dem Was der Wesen.
Nur ein System von Selbsterhaltungen in Einem und
demselben Wesen vermag sie zu erzeugen; und sie sind an-
zusehn als die innere Bildung der einfachen Wesen. Ge-
wöhnlich entstehn sie in den Elementen organischer Kör-
per, deren Einrichtung zur Hervorrufung der Systeme von
Selbsterhaltungen in den einzelnen Elementen geschickt ist.
Dies zeigt sich in der Assimilation der Nahrungsmittel.
158. Einmal erworben, bleibt einem jeden Elemente
seine Lebenskraft; auch wenn es sich trennt von dem orga-
nischen Körper, dem es angehörte. Dies zeigt sich in der
Ernährung der höhern Organismen durch die niedern, und
der Vegetabilien durch verwesete Theile anderer organischer
Körper.
Anmerkung. Eben dahin gehört alle Zeugung,
ohne Ausnahme; auch die einiger niedern Organismen
aus anscheinend roher Materie, d. h. aus solcher
Materie, die keinen organischen Bau (ein räumliches Prä-
dicat) besitzt, woraus der Mangel an Lebenskraft keineswe-
ges kann geschlossen werden. —Hierin aber eine ursprüng-
liche Lebenskraft sehen zu wollen, ist eine höchst unüber-
legte Erschleichung. Jn unserm Erfahrungskreise kommt
gar keine Materie vor, von der wir mit Sicherheit behaup-
ten könnten, sie fey roh. Die ganze Atmosphäre ist voll
von Elementen, die in irgend einem organischen Körper schon
Lebenskraft gewonnen haben; und die Menge solcher Ele-
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/134>, abgerufen am 16.02.2025.
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