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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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auf bestimmte Organe zu gedenken; dasselbe gilt auch um-
gekehrt. Und die Frage ist hier nicht nach dem möglichen
Widerstande des Willens, sondern nach dem Angriffe auf
den Geist, der vom Körper ausgeht.

146. Jn der Narrheit hört der Zusammenhang der
Vorstellungen auf, während dieselben ohne alle Regel bunt
durch einander laufen. Auch hier fehlt im Geistigen jedes
Princip der Einheit: ber Grund der Abwechselung der Vor-
stellungen kann nicht mehr psychologisch, er muß physio-
logisch seyn.

Nach der Hypothese von den Seelenvermögen wäre
hier der Hauptsitz des Uebels im Verstande; und wirklich
haben die Narren Aehnlichkeit mit unverständigen Kindern.
Allein auch die Gesetzlosigkeit der übrigen Seelenver-
mögen in der Narrheit würde längst aufgefallen seyn, wenn
man jemals an eine genaue Gesetzmäßigkeit jener Ver-
mögen zu denken gewagt hätte. Das Wesentliche ist hier,
daß jede längere Vorstellungsreihe am Ablaufen gehindert
wird, weil das Nervensystem sich der Art von Spannung
widersetzt, in welche es dadurch gerathen würde. Daß eine
solche Kranfheit allgemeiner und weit gewisser unheilbar ist,
als die Erstarrung eines einzelnen Affects im Wahnsinn,
liegt deutlich vor Augen. -- Die psychische Cur des eigent-
lichen Wahnsinns ist wesentlich Schonung und Verhütung,
daß der Affect nicht tobe und der Wahn nicht um sich grei-
fend eine vermehrte Gewalt erlange. Die eigentliche Hei-
lung ist leiblich, wenn auch oft bloße Naturheilung. Züch-
tigungen können pädagogisch Etwas wirken; auch die Zu-
rechnung ist in vielen Fällen nicht ganz aufgehoben, beson-
ders bei Handlungen, die nicht unmittelbar aus dem Wahn
folgen; vermindert ist jedoch die Zurechnung schon bey un-
glücklichen Verstimmungen, die noch keinen eigentlich vesten
Wahn in sich tragen. Unendlich wichtiger als alle Jrren-

auf bestimmte Organe zu gedenken; dasselbe gilt auch um-
gekehrt. Und die Frage ist hier nicht nach dem möglichen
Widerstande des Willens, sondern nach dem Angriffe auf
den Geist, der vom Körper ausgeht.

146. Jn der Narrheit hört der Zusammenhang der
Vorstellungen auf, während dieselben ohne alle Regel bunt
durch einander laufen. Auch hier fehlt im Geistigen jedes
Princip der Einheit: ber Grund der Abwechselung der Vor-
stellungen kann nicht mehr psychologisch, er muß physio-
logisch seyn.

Nach der Hypothese von den Seelenvermögen wäre
hier der Hauptsitz des Uebels im Verstande; und wirklich
haben die Narren Aehnlichkeit mit unverständigen Kindern.
Allein auch die Gesetzlosigkeit der übrigen Seelenver-
mögen in der Narrheit würde längst aufgefallen seyn, wenn
man jemals an eine genaue Gesetzmäßigkeit jener Ver-
mögen zu denken gewagt hätte. Das Wesentliche ist hier,
daß jede längere Vorstellungsreihe am Ablaufen gehindert
wird, weil das Nervensystem sich der Art von Spannung
widersetzt, in welche es dadurch gerathen würde. Daß eine
solche Kranfheit allgemeiner und weit gewisser unheilbar ist,
als die Erstarrung eines einzelnen Affects im Wahnsinn,
liegt deutlich vor Augen. — Die psychische Cur des eigent-
lichen Wahnsinns ist wesentlich Schonung und Verhütung,
daß der Affect nicht tobe und der Wahn nicht um sich grei-
fend eine vermehrte Gewalt erlange. Die eigentliche Hei-
lung ist leiblich, wenn auch oft bloße Naturheilung. Züch-
tigungen können pädagogisch Etwas wirken; auch die Zu-
rechnung ist in vielen Fällen nicht ganz aufgehoben, beson-
ders bei Handlungen, die nicht unmittelbar aus dem Wahn
folgen; vermindert ist jedoch die Zurechnung schon bey un-
glücklichen Verstimmungen, die noch keinen eigentlich vesten
Wahn in sich tragen. Unendlich wichtiger als alle Jrren-

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[114/0122] auf bestimmte Organe zu gedenken; dasselbe gilt auch um- gekehrt. Und die Frage ist hier nicht nach dem möglichen Widerstande des Willens, sondern nach dem Angriffe auf den Geist, der vom Körper ausgeht. 146. Jn der Narrheit hört der Zusammenhang der Vorstellungen auf, während dieselben ohne alle Regel bunt durch einander laufen. Auch hier fehlt im Geistigen jedes Princip der Einheit: ber Grund der Abwechselung der Vor- stellungen kann nicht mehr psychologisch, er muß physio- logisch seyn. Nach der Hypothese von den Seelenvermögen wäre hier der Hauptsitz des Uebels im Verstande; und wirklich haben die Narren Aehnlichkeit mit unverständigen Kindern. Allein auch die Gesetzlosigkeit der übrigen Seelenver- mögen in der Narrheit würde längst aufgefallen seyn, wenn man jemals an eine genaue Gesetzmäßigkeit jener Ver- mögen zu denken gewagt hätte. Das Wesentliche ist hier, daß jede längere Vorstellungsreihe am Ablaufen gehindert wird, weil das Nervensystem sich der Art von Spannung widersetzt, in welche es dadurch gerathen würde. Daß eine solche Kranfheit allgemeiner und weit gewisser unheilbar ist, als die Erstarrung eines einzelnen Affects im Wahnsinn, liegt deutlich vor Augen. — Die psychische Cur des eigent- lichen Wahnsinns ist wesentlich Schonung und Verhütung, daß der Affect nicht tobe und der Wahn nicht um sich grei- fend eine vermehrte Gewalt erlange. Die eigentliche Hei- lung ist leiblich, wenn auch oft bloße Naturheilung. Züch- tigungen können pädagogisch Etwas wirken; auch die Zu- rechnung ist in vielen Fällen nicht ganz aufgehoben, beson- ders bei Handlungen, die nicht unmittelbar aus dem Wahn folgen; vermindert ist jedoch die Zurechnung schon bey un- glücklichen Verstimmungen, die noch keinen eigentlich vesten Wahn in sich tragen. Unendlich wichtiger als alle Jrren-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/122>, abgerufen am 22.11.2024.