Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.
sichtig zu behandeln. Kant hat sich sehr viel Mühe ge- 119. Während nun das Bewußtseyn der Freyheit, in Sechstes Capitel. Von der Zusammenwirkung und Ausbildung der Geistesvermögen. 120. Die Annahme der Vermögen hat sich schon in
sichtig zu behandeln. Kant hat sich sehr viel Mühe ge- 119. Während nun das Bewußtseyn der Freyheit, in Sechstes Capitel. Von der Zusammenwirkung und Ausbildung der Geistesvermögen. 120. Die Annahme der Vermögen hat sich schon in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0102" n="94"/> sichtig</hi> zu behandeln. Kant hat sich sehr viel Mühe ge-<lb/> geben, sich über diesen Punkt eine klare Ueberzeugung zu<lb/> verschaffen; er hat dennoch eine Verwirrung hervorgebracht,<lb/> die bey ihm an dem kategorischen Jmperative haftete, bey<lb/> seinen Nachfolgern aber in ganz andre Formen überging. </p><lb/> <p>119. Während nun das Bewußtseyn der Freyheit, in<lb/> wiefern sie zwischen Vernunft und Begierde in der Mitte<lb/> stehen soll, auf keinen bessern Thatsachen beruhet, als den<lb/> oben angegebenen, ergiebt sich dagegen ein anderes Resul-<lb/> tat, wenn man die Vernunft selbst als den Sitz der Frey-<lb/> heit betrachtet. Nichts ist einleuchtender, als daß der leiden-<lb/> schaftliche Mensch ein Sklave ist. Sein Unvermögen, auf<lb/> Gründe des Vortheils und der Pflicht zu achten, sein Ruin<lb/> durch eigne Schuld, liegen klar am Tage. Jm Gegensatze<lb/> mit diesem wird mit Recht der vernünftige Mensch, der seine<lb/> Begierden zurückstößt, sobald sie der guten Ueberlegung sich<lb/> widersetzen, frey genannt; und mehr und mehr frey, je stär-<lb/> ker er ist in diesem Zurückstoßen. Ob aber eine solche Stärke<lb/> ins Unendliche gehen könne, darüber vermögen keine That-<lb/> sachen zu entscheiden, die allemal nur eine begränzte Kraft<lb/> bezeugen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g"><hi rendition="#b">Sechstes Capitel.</hi><lb/> Von der Zusammenwirkung und Ausbildung<lb/> der Geistesvermögen.</hi> </head><lb/> <p>120. Die Annahme der Vermögen hat sich schon in<lb/> der bisherigen Uebersicht als so mangelhaft verrathen, daß<lb/> der Versuch, den gegenseitigen Einfluß derselben nach allen<lb/> Combinationen zu durchmustern, als zwecklos würde erschei-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0102]
sichtig zu behandeln. Kant hat sich sehr viel Mühe ge-
geben, sich über diesen Punkt eine klare Ueberzeugung zu
verschaffen; er hat dennoch eine Verwirrung hervorgebracht,
die bey ihm an dem kategorischen Jmperative haftete, bey
seinen Nachfolgern aber in ganz andre Formen überging.
119. Während nun das Bewußtseyn der Freyheit, in
wiefern sie zwischen Vernunft und Begierde in der Mitte
stehen soll, auf keinen bessern Thatsachen beruhet, als den
oben angegebenen, ergiebt sich dagegen ein anderes Resul-
tat, wenn man die Vernunft selbst als den Sitz der Frey-
heit betrachtet. Nichts ist einleuchtender, als daß der leiden-
schaftliche Mensch ein Sklave ist. Sein Unvermögen, auf
Gründe des Vortheils und der Pflicht zu achten, sein Ruin
durch eigne Schuld, liegen klar am Tage. Jm Gegensatze
mit diesem wird mit Recht der vernünftige Mensch, der seine
Begierden zurückstößt, sobald sie der guten Ueberlegung sich
widersetzen, frey genannt; und mehr und mehr frey, je stär-
ker er ist in diesem Zurückstoßen. Ob aber eine solche Stärke
ins Unendliche gehen könne, darüber vermögen keine That-
sachen zu entscheiden, die allemal nur eine begränzte Kraft
bezeugen.
Sechstes Capitel.
Von der Zusammenwirkung und Ausbildung
der Geistesvermögen.
120. Die Annahme der Vermögen hat sich schon in
der bisherigen Uebersicht als so mangelhaft verrathen, daß
der Versuch, den gegenseitigen Einfluß derselben nach allen
Combinationen zu durchmustern, als zwecklos würde erschei-
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