schen ordnen sich in Reihen und in Gewebe von Reihen; so dass Jeder seinen Platz habe in einem klei- nen Kreise, dessen Radien jedoch weiter fortlaufen, und einen Weg zeigen, den man durch das Ganze der Ge- sellschaft verfolgen könne.
Dies nun ist der Punct, den ich erreichen wollte.
Der wichtigste Theil der ganzen Mechanik des Gei- stes ist die Lehre von den Vorstellungsreihen. (§. 86 bis 92. und §. 100.) Dort ist der Grund aller Ord- nung im menschlichen Geiste nachgewiesen; die An- wendung davon auf die Gesellschaft würde zeigen, wie es zugeht, dass jeder Mensch sich an einer bestimmten Stelle unter den übrigen findet, die ihm in den verschie- denen Reihen der Unterordnung und Nebenordnung zu- kommt. Wohlgeartete Bürger im wohl eingerichteten Staate halten sich selbst an dieser ihrer Stelle; sie wir- ken an ihrem Platze, sie wirken das, was sie zu thun haben, indem sie zugleich das erreichen, erwerben, ge- niessen, was dieser ihrer Stelle zukommt. Sie greifen Andern nicht vor; allein sie setzen voraus, dass die frü- hern Glieder in der Reihe, so weit sie dieselbe überse- hen können, schon gehandelt haben, und es ist in ihnen ein Streben, dass zu den nachfolgenden Gliedern die all- gemeine Thätigkeit, wozu sie ihren Beytrag geben, wei- ter fortlaufen möge. Vermöge dieses Zusammenhangs wirkt der Reiz, welcher an irgend einem Puncte in der Gesellschaft angebracht ist, dergestalt fort, dass er sich durch das Ganze verbreitet; die vorhandenen Reihen und deren Verwebungen sind die Conductoren, an denen er fortläuft.
Jenes merkwürdige Weiterstreben, das wir im §. 100. gefunden haben; jenes Wirken wider sich selbst, um andern Platz zu machen, lässt sich hier, wo vom wohlgearteten Staatsbürger die Rede ist, leich- ter anschaulich machen, als dort, wo es in den Vorstel- lungen, den Gliedern der Reihen, gefunden wurde. Dem Menschen in der Gesellschaft ist zwar von Natur ein
schen ordnen sich in Reihen und in Gewebe von Reihen; so daſs Jeder seinen Platz habe in einem klei- nen Kreise, dessen Radien jedoch weiter fortlaufen, und einen Weg zeigen, den man durch das Ganze der Ge- sellschaft verfolgen könne.
Dies nun ist der Punct, den ich erreichen wollte.
Der wichtigste Theil der ganzen Mechanik des Gei- stes ist die Lehre von den Vorstellungsreihen. (§. 86 bis 92. und §. 100.) Dort ist der Grund aller Ord- nung im menschlichen Geiste nachgewiesen; die An- wendung davon auf die Gesellschaft würde zeigen, wie es zugeht, daſs jeder Mensch sich an einer bestimmten Stelle unter den übrigen findet, die ihm in den verschie- denen Reihen der Unterordnung und Nebenordnung zu- kommt. Wohlgeartete Bürger im wohl eingerichteten Staate halten sich selbst an dieser ihrer Stelle; sie wir- ken an ihrem Platze, sie wirken das, was sie zu thun haben, indem sie zugleich das erreichen, erwerben, ge- nieſsen, was dieser ihrer Stelle zukommt. Sie greifen Andern nicht vor; allein sie setzen voraus, daſs die frü- hern Glieder in der Reihe, so weit sie dieselbe überse- hen können, schon gehandelt haben, und es ist in ihnen ein Streben, daſs zu den nachfolgenden Gliedern die all- gemeine Thätigkeit, wozu sie ihren Beytrag geben, wei- ter fortlaufen möge. Vermöge dieses Zusammenhangs wirkt der Reiz, welcher an irgend einem Puncte in der Gesellschaft angebracht ist, dergestalt fort, daſs er sich durch das Ganze verbreitet; die vorhandenen Reihen und deren Verwebungen sind die Conductoren, an denen er fortläuft.
Jenes merkwürdige Weiterstreben, das wir im §. 100. gefunden haben; jenes Wirken wider sich selbst, um andern Platz zu machen, läſst sich hier, wo vom wohlgearteten Staatsbürger die Rede ist, leich- ter anschaulich machen, als dort, wo es in den Vorstel- lungen, den Gliedern der Reihen, gefunden wurde. Dem Menschen in der Gesellschaft ist zwar von Natur ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0065"n="30"/>
schen ordnen sich in <hirendition="#g">Reihen</hi> und in <hirendition="#g">Gewebe von<lb/>
Reihen</hi>; so daſs Jeder seinen Platz habe in einem klei-<lb/>
nen Kreise, dessen Radien jedoch weiter fortlaufen, und<lb/>
einen Weg zeigen, den man durch das Ganze der Ge-<lb/>
sellschaft verfolgen könne.</p><lb/><p>Dies nun ist der Punct, den ich erreichen wollte.</p><lb/><p>Der wichtigste Theil der ganzen Mechanik des Gei-<lb/>
stes ist die Lehre von den <hirendition="#g">Vorstellungsreihen</hi>. (§. 86<lb/>
bis 92. und §. 100.) Dort ist der Grund aller <hirendition="#g">Ord-<lb/>
nung</hi> im menschlichen Geiste nachgewiesen; die An-<lb/>
wendung davon auf die Gesellschaft würde zeigen, wie<lb/>
es zugeht, daſs jeder Mensch sich an einer bestimmten<lb/><hirendition="#g">Stelle</hi> unter den übrigen findet, die ihm in den verschie-<lb/>
denen Reihen der Unterordnung und Nebenordnung zu-<lb/>
kommt. Wohlgeartete Bürger im wohl eingerichteten<lb/>
Staate halten sich selbst an dieser ihrer Stelle; sie wir-<lb/>
ken an ihrem Platze, sie wirken das, was sie zu thun<lb/>
haben, indem sie zugleich das erreichen, erwerben, ge-<lb/>
nieſsen, was dieser ihrer Stelle zukommt. Sie greifen<lb/>
Andern nicht vor; allein sie setzen voraus, daſs die frü-<lb/>
hern Glieder in der Reihe, so weit sie dieselbe überse-<lb/>
hen können, schon gehandelt haben, und es ist in ihnen<lb/>
ein Streben, daſs zu den nachfolgenden Gliedern die all-<lb/>
gemeine Thätigkeit, wozu sie ihren Beytrag geben, wei-<lb/>
ter fortlaufen möge. Vermöge dieses Zusammenhangs<lb/>
wirkt der Reiz, welcher an irgend einem Puncte in der<lb/>
Gesellschaft angebracht ist, dergestalt fort, daſs er sich<lb/>
durch das Ganze verbreitet; die vorhandenen Reihen und<lb/>
deren Verwebungen sind die Conductoren, an denen er<lb/>
fortläuft.</p><lb/><p>Jenes merkwürdige <hirendition="#g">Weiterstreben</hi>, das wir im<lb/>
§. 100. gefunden haben; jenes <hirendition="#g">Wirken wider sich<lb/>
selbst, um andern Platz zu machen</hi>, läſst sich hier,<lb/>
wo vom wohlgearteten Staatsbürger die Rede ist, leich-<lb/>
ter anschaulich machen, als dort, wo es in den Vorstel-<lb/>
lungen, den Gliedern der Reihen, gefunden wurde. Dem<lb/>
Menschen in der Gesellschaft ist zwar von Natur ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[30/0065]
schen ordnen sich in Reihen und in Gewebe von
Reihen; so daſs Jeder seinen Platz habe in einem klei-
nen Kreise, dessen Radien jedoch weiter fortlaufen, und
einen Weg zeigen, den man durch das Ganze der Ge-
sellschaft verfolgen könne.
Dies nun ist der Punct, den ich erreichen wollte.
Der wichtigste Theil der ganzen Mechanik des Gei-
stes ist die Lehre von den Vorstellungsreihen. (§. 86
bis 92. und §. 100.) Dort ist der Grund aller Ord-
nung im menschlichen Geiste nachgewiesen; die An-
wendung davon auf die Gesellschaft würde zeigen, wie
es zugeht, daſs jeder Mensch sich an einer bestimmten
Stelle unter den übrigen findet, die ihm in den verschie-
denen Reihen der Unterordnung und Nebenordnung zu-
kommt. Wohlgeartete Bürger im wohl eingerichteten
Staate halten sich selbst an dieser ihrer Stelle; sie wir-
ken an ihrem Platze, sie wirken das, was sie zu thun
haben, indem sie zugleich das erreichen, erwerben, ge-
nieſsen, was dieser ihrer Stelle zukommt. Sie greifen
Andern nicht vor; allein sie setzen voraus, daſs die frü-
hern Glieder in der Reihe, so weit sie dieselbe überse-
hen können, schon gehandelt haben, und es ist in ihnen
ein Streben, daſs zu den nachfolgenden Gliedern die all-
gemeine Thätigkeit, wozu sie ihren Beytrag geben, wei-
ter fortlaufen möge. Vermöge dieses Zusammenhangs
wirkt der Reiz, welcher an irgend einem Puncte in der
Gesellschaft angebracht ist, dergestalt fort, daſs er sich
durch das Ganze verbreitet; die vorhandenen Reihen und
deren Verwebungen sind die Conductoren, an denen er
fortläuft.
Jenes merkwürdige Weiterstreben, das wir im
§. 100. gefunden haben; jenes Wirken wider sich
selbst, um andern Platz zu machen, läſst sich hier,
wo vom wohlgearteten Staatsbürger die Rede ist, leich-
ter anschaulich machen, als dort, wo es in den Vorstel-
lungen, den Gliedern der Reihen, gefunden wurde. Dem
Menschen in der Gesellschaft ist zwar von Natur ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/65>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.