len gearbeitet zu haben: so ist es doch gut, ausdrücklich die geäusserten Hoffnungen mit ihren Gränzbestimmungen zu versehen; und hierzu bietet sich die Gelegenheit, in- dem wir jetzt zu Betrachtungen des positiven Gewinns übergehen, der von Verbesserung der Psychologie zu er- warten steht.
Zuvörderst, der Gedanke, dass die Psychologie es in genauen Erklärungen der Thatsachen jemals der Na- turwissenschaft gleich thue, liegt in weiter Ferne, er ge- hört zu den Dingen, von denen man nicht viel reden muss, weil man nicht weiss, was die Zukunft noch leisten möge. So viel ist offenbar, dass die Psychologie mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die gross sind, wegen des Mangels an Genauigkeit in den Beobachtungen. In wiefern sie diesen durch die Menge derselben ersetzen könne, lässt sich nicht voraussehen; aber die Ermunte- rung für die Forscher ist hier geringer, weil sie sich müs- sen gefallen lassen, gleichsam im Dunkeln zu arbeiten, indem die unmittelbare, präcise Vergleichung zwi- schen dem synthetischen Theile der Theorie und der Beobachtung nur selten möglich seyn wird. Und gehört schon dazu eine eigne Geistesrichtung, so ist noch über- dies eine eigne Vorbildung erforderlich. Niemand wird die Psychologie vest anfassen, dessen allgemeine Meta- physik noch im Schwanken begriffen ist.
Ferner, eine nähere Verbindung zwischen der Psy- chologie auf der einen, der Politik und Geschichte auf der andern Seite, wird nur sehr allmählich erfolgen kön- nen. Nicht nur bedarf es hierbey der Vereinigung man- nigfaltiger Kenntnisse und Einsichten: sondern die Psy- chologie wird auch erst grosse Fortschritte machen müs- sen, ehe das Innere des Menschengeistes durchsichtig ge- nug werden kann, um mehr als solche Reflexionen, die nur die ganz empirische Menschenkunde voraussetzen, dem Historiker zu gestatten. Indessen mag doch schon diejenige Freyheit der Betrachtung, welche aus der Hin- wegräumung der falschen Psychologie entspringt, mit Ge-
len gearbeitet zu haben: so ist es doch gut, ausdrücklich die geäuſserten Hoffnungen mit ihren Gränzbestimmungen zu versehen; und hierzu bietet sich die Gelegenheit, in- dem wir jetzt zu Betrachtungen des positiven Gewinns übergehen, der von Verbesserung der Psychologie zu er- warten steht.
Zuvörderst, der Gedanke, daſs die Psychologie es in genauen Erklärungen der Thatsachen jemals der Na- turwissenschaft gleich thue, liegt in weiter Ferne, er ge- hört zu den Dingen, von denen man nicht viel reden muſs, weil man nicht weiſs, was die Zukunft noch leisten möge. So viel ist offenbar, daſs die Psychologie mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die groſs sind, wegen des Mangels an Genauigkeit in den Beobachtungen. In wiefern sie diesen durch die Menge derselben ersetzen könne, läſst sich nicht voraussehen; aber die Ermunte- rung für die Forscher ist hier geringer, weil sie sich müs- sen gefallen lassen, gleichsam im Dunkeln zu arbeiten, indem die unmittelbare, präcise Vergleichung zwi- schen dem synthetischen Theile der Theorie und der Beobachtung nur selten möglich seyn wird. Und gehört schon dazu eine eigne Geistesrichtung, so ist noch über- dies eine eigne Vorbildung erforderlich. Niemand wird die Psychologie vest anfassen, dessen allgemeine Meta- physik noch im Schwanken begriffen ist.
Ferner, eine nähere Verbindung zwischen der Psy- chologie auf der einen, der Politik und Geschichte auf der andern Seite, wird nur sehr allmählich erfolgen kön- nen. Nicht nur bedarf es hierbey der Vereinigung man- nigfaltiger Kenntnisse und Einsichten: sondern die Psy- chologie wird auch erst groſse Fortschritte machen müs- sen, ehe das Innere des Menschengeistes durchsichtig ge- nug werden kann, um mehr als solche Reflexionen, die nur die ganz empirische Menschenkunde voraussetzen, dem Historiker zu gestatten. Indessen mag doch schon diejenige Freyheit der Betrachtung, welche aus der Hin- wegräumung der falschen Psychologie entspringt, mit Ge-
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len gearbeitet zu haben: so ist es doch gut, ausdrücklich
die geäuſserten Hoffnungen mit ihren Gränzbestimmungen
zu versehen; und hierzu bietet sich die Gelegenheit, in-
dem wir jetzt zu Betrachtungen des positiven Gewinns
übergehen, der von Verbesserung der Psychologie zu er-
warten steht.
Zuvörderst, der Gedanke, daſs die Psychologie es
in genauen Erklärungen der Thatsachen jemals der Na-
turwissenschaft gleich thue, liegt in weiter Ferne, er ge-
hört zu den Dingen, von denen man nicht viel reden
muſs, weil man nicht weiſs, was die Zukunft noch leisten
möge. So viel ist offenbar, daſs die Psychologie mit
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die groſs sind, wegen
des Mangels an Genauigkeit in den Beobachtungen. In
wiefern sie diesen durch die Menge derselben ersetzen
könne, läſst sich nicht voraussehen; aber die Ermunte-
rung für die Forscher ist hier geringer, weil sie sich müs-
sen gefallen lassen, gleichsam im Dunkeln zu arbeiten,
indem die unmittelbare, präcise Vergleichung zwi-
schen dem synthetischen Theile der Theorie und der
Beobachtung nur selten möglich seyn wird. Und gehört
schon dazu eine eigne Geistesrichtung, so ist noch über-
dies eine eigne Vorbildung erforderlich. Niemand wird
die Psychologie vest anfassen, dessen allgemeine Meta-
physik noch im Schwanken begriffen ist.
Ferner, eine nähere Verbindung zwischen der Psy-
chologie auf der einen, der Politik und Geschichte auf
der andern Seite, wird nur sehr allmählich erfolgen kön-
nen. Nicht nur bedarf es hierbey der Vereinigung man-
nigfaltiger Kenntnisse und Einsichten: sondern die Psy-
chologie wird auch erst groſse Fortschritte machen müs-
sen, ehe das Innere des Menschengeistes durchsichtig ge-
nug werden kann, um mehr als solche Reflexionen, die
nur die ganz empirische Menschenkunde voraussetzen,
dem Historiker zu gestatten. Indessen mag doch schon
diejenige Freyheit der Betrachtung, welche aus der Hin-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/567>, abgerufen am 24.11.2024.
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