wegen wann die Seele will, der Augen und Ohren, welche nur Vorstellungen erregen, wenn etwas Aeusseres zu se- hen und zu hören ist; über die Leichtigkeit, womit Ge- dächtniss und Phantasie sich äussern; gleich als ob es dabey nur auf einen psychologischen, und nicht zugleich auf den begleitenden physiologischen Mechanismus an- käme.
Zweytes Capitel. Von denjenigen Geisteszuständen, worauf der Leib einen bemerkbaren Einfluss hat.
§. 160.
Der physiologische Mechanismus, so fern er die Ab- wechselungen der Seelenzustände bloss begleitet, (und so lange, diesen letzteren gehorsam, das Nervensystem sich übrigens durch Wirkung und Gegenwirkung aller seiner Theile in Ruhe hält,) -- kann nicht wahrgenom- men werden in den Geistesfunctionen, die er begleitet; vielmehr werden sich dieselben aus bloss psychologischen Gründen allein erklären lassen. Und es würde blosse Hypothesen-Sucht verrathen, wenn man sich fernerhin in dem unbestimmt schweifenden Gedanken gefallen wollte, dass vielleicht ein grosser Theil der Zustände des Be- wusstseyns -- man wisse nicht was für ein und wie grosser Theil, -- aus der Organisation des Leibes sei- nen Ursprung nehme. Hingegen ist es dem regelmässi- gen Gange der Forschung gemäss, die einmal aufgefun- denen Grundsätze der Statik und Mechanik des Geistes so weit als möglich zu verfolgen; und nicht eher, als indem eine bedeutende Divergenz zwischen den aus ihnen zu erkennenden Gesetzen und den in der Erfahrung ge- gebenen Erscheinungen, sich entdeckt, einen fremdarti- gen Einfluss vorauszusetzen, und ihm nachzuspähen. Allein
wegen wann die Seele will, der Augen und Ohren, welche nur Vorstellungen erregen, wenn etwas Aeuſseres zu se- hen und zu hören ist; über die Leichtigkeit, womit Ge- dächtniſs und Phantasie sich äuſsern; gleich als ob es dabey nur auf einen psychologischen, und nicht zugleich auf den begleitenden physiologischen Mechanismus an- käme.
Zweytes Capitel. Von denjenigen Geisteszuständen, worauf der Leib einen bemerkbaren Einfluſs hat.
§. 160.
Der physiologische Mechanismus, so fern er die Ab- wechselungen der Seelenzustände bloſs begleitet, (und so lange, diesen letzteren gehorsam, das Nervensystem sich übrigens durch Wirkung und Gegenwirkung aller seiner Theile in Ruhe hält,) — kann nicht wahrgenom- men werden in den Geistesfunctionen, die er begleitet; vielmehr werden sich dieselben aus bloſs psychologischen Gründen allein erklären lassen. Und es würde bloſse Hypothesen-Sucht verrathen, wenn man sich fernerhin in dem unbestimmt schweifenden Gedanken gefallen wollte, daſs vielleicht ein groſser Theil der Zustände des Be- wuſstseyns — man wisse nicht was für ein und wie groſser Theil, — aus der Organisation des Leibes sei- nen Ursprung nehme. Hingegen ist es dem regelmäſsi- gen Gange der Forschung gemäſs, die einmal aufgefun- denen Grundsätze der Statik und Mechanik des Geistes so weit als möglich zu verfolgen; und nicht eher, als indem eine bedeutende Divergenz zwischen den aus ihnen zu erkennenden Gesetzen und den in der Erfahrung ge- gebenen Erscheinungen, sich entdeckt, einen fremdarti- gen Einfluſs vorauszusetzen, und ihm nachzuspähen. Allein
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wegen wann die Seele will, der Augen und Ohren, welche
nur Vorstellungen erregen, wenn etwas Aeuſseres zu se-
hen und zu hören ist; über die Leichtigkeit, womit Ge-
dächtniſs und Phantasie sich äuſsern; gleich als ob es
dabey nur auf einen psychologischen, und nicht zugleich
auf den begleitenden physiologischen Mechanismus an-
käme.
Zweytes Capitel.
Von denjenigen Geisteszuständen, worauf der
Leib einen bemerkbaren Einfluſs hat.
§. 160.
Der physiologische Mechanismus, so fern er die Ab-
wechselungen der Seelenzustände bloſs begleitet, (und
so lange, diesen letzteren gehorsam, das Nervensystem
sich übrigens durch Wirkung und Gegenwirkung aller
seiner Theile in Ruhe hält,) — kann nicht wahrgenom-
men werden in den Geistesfunctionen, die er begleitet;
vielmehr werden sich dieselben aus bloſs psychologischen
Gründen allein erklären lassen. Und es würde bloſse
Hypothesen-Sucht verrathen, wenn man sich fernerhin
in dem unbestimmt schweifenden Gedanken gefallen wollte,
daſs vielleicht ein groſser Theil der Zustände des Be-
wuſstseyns — man wisse nicht was für ein und wie
groſser Theil, — aus der Organisation des Leibes sei-
nen Ursprung nehme. Hingegen ist es dem regelmäſsi-
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so weit als möglich zu verfolgen; und nicht eher, als
indem eine bedeutende Divergenz zwischen den aus ihnen
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/523>, abgerufen am 22.12.2024.
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