einer andern und höhern Kunst gestanden haben, da sie mit Leben bedeckt wurde, -- einer andern und höhern Kunst, als die auf ihr selber erzeugt wird. Denn alles, was wir von Veredelung und Verbesserung kennen, ist selbst nur unter der Bedingung des schon vorhandenen organischen Lebens denkbar. Hier ist einer von den Puncten, wo es sich gebührt, die äusserst beschränkte Sphäre irdischer Erfahrungs-Erkenntniss zu erwägen; und eben darum nicht mehr wissen zu wollen, als man wissen kann. Und dabey wolle man noch bemerken, dass hier nicht von irgend welchen angebornen Schran- ken der Vernunft (einem Begriffe ohne Sinn), son- dern von Schranken des Gegebenen, des Stoffes zur Erkenntniss die Rede ist.
§. 159.
Es war vor der eben geendigten Abschweifung die Rede von der Herrschaft der Seele über Gehirn und Ner- ven; deren Elemente keinesweges mit ihr in gleichem Range der innern Thätigkeit stehen können, weil sonst die Erfahrung regelmässig solche Erscheinungen zeigen müsste, dergleichen wir nur in Krankheitsfällen beobach- ten. In der kunstvollen Einrichtung des Leibes muss es gegründet seyn, dass diejenigen Theile, welche mit der Seele im nächsten Causalverhältnisse stehen, derselben ihre Einflüsse nicht weit gewaltsamer aufdringen, als dies wirklich zu geschehen pflegt. Die höchste Gesund- heit des Körpers ist zugleich mit dem freyesten Gebrauche der Geisteskräfte in der Regel ver- bunden; eine merkwürdige Thatsache, worin der höchste Triumph derjenigen Kunst sich zeigt, die den Menschen bildete.
Da nun die Grösse des Gehirns beym Menschen, als dem freythätigsten aller irdischen Wesen so ausgezeich- net ist, so mag es erlaubt seyn zu vermuthen, worin im Allgemeinen das Mittel bestehe, dessen sich jene Kunst bediente, um die Nachklänge empfangener Eindrücke in den Sinnesnerven, und erlangter Fertigkeiten in den Be-
einer andern und höhern Kunst gestanden haben, da sie mit Leben bedeckt wurde, — einer andern und höhern Kunst, als die auf ihr selber erzeugt wird. Denn alles, was wir von Veredelung und Verbesserung kennen, ist selbst nur unter der Bedingung des schon vorhandenen organischen Lebens denkbar. Hier ist einer von den Puncten, wo es sich gebührt, die äuſserst beschränkte Sphäre irdischer Erfahrungs-Erkenntniſs zu erwägen; und eben darum nicht mehr wissen zu wollen, als man wissen kann. Und dabey wolle man noch bemerken, daſs hier nicht von irgend welchen angebornen Schran- ken der Vernunft (einem Begriffe ohne Sinn), son- dern von Schranken des Gegebenen, des Stoffes zur Erkenntniſs die Rede ist.
§. 159.
Es war vor der eben geendigten Abschweifung die Rede von der Herrschaft der Seele über Gehirn und Ner- ven; deren Elemente keinesweges mit ihr in gleichem Range der innern Thätigkeit stehen können, weil sonst die Erfahrung regelmäſsig solche Erscheinungen zeigen müſste, dergleichen wir nur in Krankheitsfällen beobach- ten. In der kunstvollen Einrichtung des Leibes muſs es gegründet seyn, daſs diejenigen Theile, welche mit der Seele im nächsten Causalverhältnisse stehen, derselben ihre Einflüsse nicht weit gewaltsamer aufdringen, als dies wirklich zu geschehen pflegt. Die höchste Gesund- heit des Körpers ist zugleich mit dem freyesten Gebrauche der Geisteskräfte in der Regel ver- bunden; eine merkwürdige Thatsache, worin der höchste Triumph derjenigen Kunst sich zeigt, die den Menschen bildete.
Da nun die Gröſse des Gehirns beym Menschen, als dem freythätigsten aller irdischen Wesen so ausgezeich- net ist, so mag es erlaubt seyn zu vermuthen, worin im Allgemeinen das Mittel bestehe, dessen sich jene Kunst bediente, um die Nachklänge empfangener Eindrücke in den Sinnesnerven, und erlangter Fertigkeiten in den Be-
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einer andern und höhern Kunst gestanden haben, da sie
mit Leben bedeckt wurde, — einer andern und höhern
Kunst, als die auf ihr selber erzeugt wird. Denn alles,
was wir von Veredelung und Verbesserung kennen, ist
selbst nur unter der Bedingung des schon vorhandenen
organischen Lebens denkbar. Hier ist einer von den
Puncten, wo es sich gebührt, die äuſserst beschränkte
Sphäre irdischer Erfahrungs-Erkenntniſs zu erwägen;
und eben darum nicht mehr wissen zu wollen, als man
wissen kann. Und dabey wolle man noch bemerken, daſs
hier nicht von irgend welchen angebornen Schran-
ken der Vernunft (einem Begriffe ohne Sinn), son-
dern von Schranken des Gegebenen, des Stoffes
zur Erkenntniſs die Rede ist.
§. 159.
Es war vor der eben geendigten Abschweifung die
Rede von der Herrschaft der Seele über Gehirn und Ner-
ven; deren Elemente keinesweges mit ihr in gleichem
Range der innern Thätigkeit stehen können, weil sonst
die Erfahrung regelmäſsig solche Erscheinungen zeigen
müſste, dergleichen wir nur in Krankheitsfällen beobach-
ten. In der kunstvollen Einrichtung des Leibes muſs es
gegründet seyn, daſs diejenigen Theile, welche mit der
Seele im nächsten Causalverhältnisse stehen, derselben
ihre Einflüsse nicht weit gewaltsamer aufdringen, als dies
wirklich zu geschehen pflegt. Die höchste Gesund-
heit des Körpers ist zugleich mit dem freyesten
Gebrauche der Geisteskräfte in der Regel ver-
bunden; eine merkwürdige Thatsache, worin der höchste
Triumph derjenigen Kunst sich zeigt, die den Menschen
bildete.
Da nun die Gröſse des Gehirns beym Menschen, als
dem freythätigsten aller irdischen Wesen so ausgezeich-
net ist, so mag es erlaubt seyn zu vermuthen, worin im
Allgemeinen das Mittel bestehe, dessen sich jene Kunst
bediente, um die Nachklänge empfangener Eindrücke in
den Sinnesnerven, und erlangter Fertigkeiten in den Be-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/519>, abgerufen am 25.11.2024.
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