aus denen das Gehirn besteht, so wenig, oder gar nichts, das ihren Gebrauch aufklärte, zu sagen? Warum findet man das Gehirn verhältnissmässig so gross im Menschen, und von einer so grossen Blutmasse durchströmt; wäh- rend es in niedrigern Thieren immer kleiner wird, immer weniger Zusammenhang unter seinen Theilen zeigt, ja auf den untersten Stufen des thierischen Lebens gar ver- schwindet? Warum anders, als weil das Gehirn zunächst für die Seele, aber nicht für das vegetative Leben des Organismus vorhanden ist?
Wie nun aber das Gehirn sammt dem Nervensystem von dem ganzen übrigen Leibe weit verschieden, und nur in denselben eingefügt und eingewebt ist: eben so muss wiederum in den höheren Thieren, und namentlich im Menschen, die Seele entweder ursprünglich als We- sen, oder durch ihre Stellung und die daraus entsprungene vorzügliche innere Bildung, verschieden seyn von den übrigen Elementen des Gehirns und der Nerven. Denn sie dominirt das System, in welchem sie sich befindet.
Man könnte sich auf einen Augenblick der entgegen- gesetzten Meinung hingeben. Man könnte sagen: da alle Causalität wechselseitig ist (wie eben das System von den Störungen und Selbsterhaltungen am ausdrück- lichsten behauptet,) so kann kein Element des Gehirns und der Nerven in seinen inneren Zuständen unabhängig seyn, von den Zuständen jedes andern; alle müssen allen ihre Zustände bestimmen. Nun ist zwischen der Seele und dem Gehirne dieselbe Wechselseitigkeit des Cau- salverhältnisses, wie zwischen den Gehirntheilen unter einander. Also können auch die sämmtlichen Vorstellun- gen, Begehrungen und Gefühle, obschon in dem ein- fachen Wesen der Seele versammelt, doch nicht nach bloss innern Gesetzen ihrer eignen Zusammenwir- kung, sich richten, sondern ihr Wechsel und ihre Ver- knüpfungen sind die Resultate aller Zustände in allen einzelnen Elementen des Gehirns und des Nervensystems.
Aus dieser Ansicht würde etwas ganz ähnliches, und
aus denen das Gehirn besteht, so wenig, oder gar nichts, das ihren Gebrauch aufklärte, zu sagen? Warum findet man das Gehirn verhältniſsmäſsig so groſs im Menschen, und von einer so groſsen Blutmasse durchströmt; wäh- rend es in niedrigern Thieren immer kleiner wird, immer weniger Zusammenhang unter seinen Theilen zeigt, ja auf den untersten Stufen des thierischen Lebens gar ver- schwindet? Warum anders, als weil das Gehirn zunächst für die Seele, aber nicht für das vegetative Leben des Organismus vorhanden ist?
Wie nun aber das Gehirn sammt dem Nervensystem von dem ganzen übrigen Leibe weit verschieden, und nur in denselben eingefügt und eingewebt ist: eben so muſs wiederum in den höheren Thieren, und namentlich im Menschen, die Seele entweder ursprünglich als We- sen, oder durch ihre Stellung und die daraus entsprungene vorzügliche innere Bildung, verschieden seyn von den übrigen Elementen des Gehirns und der Nerven. Denn sie dominirt das System, in welchem sie sich befindet.
Man könnte sich auf einen Augenblick der entgegen- gesetzten Meinung hingeben. Man könnte sagen: da alle Causalität wechselseitig ist (wie eben das System von den Störungen und Selbsterhaltungen am ausdrück- lichsten behauptet,) so kann kein Element des Gehirns und der Nerven in seinen inneren Zuständen unabhängig seyn, von den Zuständen jedes andern; alle müssen allen ihre Zustände bestimmen. Nun ist zwischen der Seele und dem Gehirne dieselbe Wechselseitigkeit des Cau- salverhältnisses, wie zwischen den Gehirntheilen unter einander. Also können auch die sämmtlichen Vorstellun- gen, Begehrungen und Gefühle, obschon in dem ein- fachen Wesen der Seele versammelt, doch nicht nach bloſs innern Gesetzen ihrer eignen Zusammenwir- kung, sich richten, sondern ihr Wechsel und ihre Ver- knüpfungen sind die Resultate aller Zustände in allen einzelnen Elementen des Gehirns und des Nervensystems.
Aus dieser Ansicht würde etwas ganz ähnliches, und
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aus denen das Gehirn besteht, so wenig, oder gar nichts,
das ihren Gebrauch aufklärte, zu sagen? Warum findet
man das Gehirn verhältniſsmäſsig so groſs im Menschen,
und von einer so groſsen Blutmasse durchströmt; wäh-
rend es in niedrigern Thieren immer kleiner wird, immer
weniger Zusammenhang unter seinen Theilen zeigt, ja auf
den untersten Stufen des thierischen Lebens gar ver-
schwindet? Warum anders, als weil das Gehirn zunächst
für die Seele, aber nicht für das vegetative Leben des
Organismus vorhanden ist?
Wie nun aber das Gehirn sammt dem Nervensystem
von dem ganzen übrigen Leibe weit verschieden, und nur
in denselben eingefügt und eingewebt ist: eben so muſs
wiederum in den höheren Thieren, und namentlich
im Menschen, die Seele entweder ursprünglich als We-
sen, oder durch ihre Stellung und die daraus entsprungene
vorzügliche innere Bildung, verschieden seyn von den
übrigen Elementen des Gehirns und der Nerven. Denn
sie dominirt das System, in welchem sie sich befindet.
Man könnte sich auf einen Augenblick der entgegen-
gesetzten Meinung hingeben. Man könnte sagen: da
alle Causalität wechselseitig ist (wie eben das System
von den Störungen und Selbsterhaltungen am ausdrück-
lichsten behauptet,) so kann kein Element des Gehirns
und der Nerven in seinen inneren Zuständen unabhängig
seyn, von den Zuständen jedes andern; alle müssen allen
ihre Zustände bestimmen. Nun ist zwischen der Seele
und dem Gehirne dieselbe Wechselseitigkeit des Cau-
salverhältnisses, wie zwischen den Gehirntheilen unter
einander. Also können auch die sämmtlichen Vorstellun-
gen, Begehrungen und Gefühle, obschon in dem ein-
fachen Wesen der Seele versammelt, doch nicht
nach bloſs innern Gesetzen ihrer eignen Zusammenwir-
kung, sich richten, sondern ihr Wechsel und ihre Ver-
knüpfungen sind die Resultate aller Zustände in allen
einzelnen Elementen des Gehirns und des Nervensystems.
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/510>, abgerufen am 22.11.2024.
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