es ist keiner nöthig; so wenig als das Licht der Poren des durchsichtigen Körpers bedarf, den es im eigentlich- sten Verstande überall und in jeder Richtung durch- dringt. Uebrigens versteht sich von selbst, dass, wenn die Seele sich bewegt, dieses nicht geschieht, weil sie will, (denn sie weiss nichts davon,) sondern dass wie- derum wie vorhin, ihre inneren Zustände, verbunden mit denen des Gehirns, erst die Ursache, dann die Folge ihres veränderten Orts seyn müssen, wegen der überall vorhandenen Nothwendigkeit, dass der äussere und der innere Zustand gehörig übereinstimmen.
Ich führe noch an, dass die Hypothese von der Be- weglichkeit der Seele, also von der Veränderlichkeit des Mittelpuncts aller Sensationen, vielleicht die kürzeste Er- klärung für einige seltene Phänomene, wie für den thieri- schen Magnetismus, für das Nachtwandeln, u. s. w. dar- bieten würde. Denn diese Mitteldinge zwischen Krank- keit und erhöheter Gesundheit erlauben schwerlich, eine bedeutende Veränderung in der Maschine des Menschen anzunehmen, wodurch dieselbe auch für jeden künftigen regelmässigen Gebrauch zu sehr verdorben würde; eher mögen jene Erscheinungen eine abgeänderte, jedoch schnell auf den vorigen Zustand zurückkommende, Be- ziehung zwischen der Seele und Leibe andeuten.
Endlich, dass die Seele einen Ort in dem Leibe ein- nehmen muss, ist gewiss; man hat also nur die Wahl zwischen einem vesten Sitze oder einem veränderlichen Aufenthalte. Beydes sind Hypothesen; die erste aber hat nichts für sich, wenn nicht etwa den falschen Ge- danken der Schwierigkeit, dass die Seele herdurchwan- dere durch die körperlichen Gewebe; die zweyte ist we- nigstens viel brauchbarer, indem sie den physiologischen Erklärungen ein weiteres Feld öffnet, worin sie sich ver- suchen können.
§. 155.
Zwar schon oben im §. 129. ist über die psycholo- gische Möglichkeit, dass die Seele im Handeln sich des
es ist keiner nöthig; so wenig als das Licht der Poren des durchsichtigen Körpers bedarf, den es im eigentlich- sten Verstande überall und in jeder Richtung durch- dringt. Uebrigens versteht sich von selbst, daſs, wenn die Seele sich bewegt, dieses nicht geschieht, weil sie will, (denn sie weiſs nichts davon,) sondern daſs wie- derum wie vorhin, ihre inneren Zustände, verbunden mit denen des Gehirns, erst die Ursache, dann die Folge ihres veränderten Orts seyn müssen, wegen der überall vorhandenen Nothwendigkeit, daſs der äuſsere und der innere Zustand gehörig übereinstimmen.
Ich führe noch an, daſs die Hypothese von der Be- weglichkeit der Seele, also von der Veränderlichkeit des Mittelpuncts aller Sensationen, vielleicht die kürzeste Er- klärung für einige seltene Phänomene, wie für den thieri- schen Magnetismus, für das Nachtwandeln, u. s. w. dar- bieten würde. Denn diese Mitteldinge zwischen Krank- keit und erhöheter Gesundheit erlauben schwerlich, eine bedeutende Veränderung in der Maschine des Menschen anzunehmen, wodurch dieselbe auch für jeden künftigen regelmäſsigen Gebrauch zu sehr verdorben würde; eher mögen jene Erscheinungen eine abgeänderte, jedoch schnell auf den vorigen Zustand zurückkommende, Be- ziehung zwischen der Seele und Leibe andeuten.
Endlich, daſs die Seele einen Ort in dem Leibe ein- nehmen muſs, ist gewiſs; man hat also nur die Wahl zwischen einem vesten Sitze oder einem veränderlichen Aufenthalte. Beydes sind Hypothesen; die erste aber hat nichts für sich, wenn nicht etwa den falschen Ge- danken der Schwierigkeit, daſs die Seele herdurchwan- dere durch die körperlichen Gewebe; die zweyte ist we- nigstens viel brauchbarer, indem sie den physiologischen Erklärungen ein weiteres Feld öffnet, worin sie sich ver- suchen können.
§. 155.
Zwar schon oben im §. 129. ist über die psycholo- gische Möglichkeit, daſs die Seele im Handeln sich des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0497"n="462"/>
es ist keiner nöthig; so wenig als das Licht der Poren<lb/>
des durchsichtigen Körpers bedarf, den es im eigentlich-<lb/>
sten Verstande überall und in jeder Richtung <hirendition="#g">durch-<lb/>
dringt</hi>. Uebrigens versteht sich von selbst, daſs, wenn<lb/>
die Seele sich bewegt, dieses nicht geschieht, weil sie<lb/>
will, (denn sie weiſs nichts davon,) sondern daſs wie-<lb/>
derum wie vorhin, ihre inneren Zustände, verbunden mit<lb/>
denen des Gehirns, erst die Ursache, dann die Folge<lb/>
ihres veränderten Orts seyn müssen, wegen der überall<lb/>
vorhandenen Nothwendigkeit, daſs der äuſsere und der<lb/>
innere Zustand gehörig übereinstimmen.</p><lb/><p>Ich führe noch an, daſs die Hypothese von der Be-<lb/>
weglichkeit der Seele, also von der Veränderlichkeit des<lb/>
Mittelpuncts aller Sensationen, vielleicht die kürzeste Er-<lb/>
klärung für einige seltene Phänomene, wie für den thieri-<lb/>
schen Magnetismus, für das Nachtwandeln, u. s. w. dar-<lb/>
bieten würde. Denn diese Mitteldinge zwischen Krank-<lb/>
keit und erhöheter Gesundheit erlauben schwerlich, eine<lb/>
bedeutende Veränderung in der Maschine des Menschen<lb/>
anzunehmen, wodurch dieselbe auch für jeden künftigen<lb/>
regelmäſsigen Gebrauch zu sehr verdorben würde; eher<lb/>
mögen jene Erscheinungen eine abgeänderte, jedoch<lb/>
schnell auf den vorigen Zustand zurückkommende, Be-<lb/>
ziehung zwischen der Seele und Leibe andeuten.</p><lb/><p>Endlich, daſs die Seele einen Ort in dem Leibe ein-<lb/>
nehmen muſs, ist gewiſs; man hat also nur die Wahl<lb/>
zwischen einem vesten Sitze oder einem veränderlichen<lb/>
Aufenthalte. Beydes sind Hypothesen; die erste aber<lb/>
hat nichts für sich, wenn nicht etwa den falschen Ge-<lb/>
danken der Schwierigkeit, daſs die Seele herdurchwan-<lb/>
dere durch die körperlichen Gewebe; die zweyte ist we-<lb/>
nigstens viel brauchbarer, indem sie den physiologischen<lb/>
Erklärungen ein weiteres Feld öffnet, worin sie sich ver-<lb/>
suchen können.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 155.</head><lb/><p>Zwar schon oben im §. 129. ist über die psycholo-<lb/>
gische Möglichkeit, daſs die Seele im Handeln sich des<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[462/0497]
es ist keiner nöthig; so wenig als das Licht der Poren
des durchsichtigen Körpers bedarf, den es im eigentlich-
sten Verstande überall und in jeder Richtung durch-
dringt. Uebrigens versteht sich von selbst, daſs, wenn
die Seele sich bewegt, dieses nicht geschieht, weil sie
will, (denn sie weiſs nichts davon,) sondern daſs wie-
derum wie vorhin, ihre inneren Zustände, verbunden mit
denen des Gehirns, erst die Ursache, dann die Folge
ihres veränderten Orts seyn müssen, wegen der überall
vorhandenen Nothwendigkeit, daſs der äuſsere und der
innere Zustand gehörig übereinstimmen.
Ich führe noch an, daſs die Hypothese von der Be-
weglichkeit der Seele, also von der Veränderlichkeit des
Mittelpuncts aller Sensationen, vielleicht die kürzeste Er-
klärung für einige seltene Phänomene, wie für den thieri-
schen Magnetismus, für das Nachtwandeln, u. s. w. dar-
bieten würde. Denn diese Mitteldinge zwischen Krank-
keit und erhöheter Gesundheit erlauben schwerlich, eine
bedeutende Veränderung in der Maschine des Menschen
anzunehmen, wodurch dieselbe auch für jeden künftigen
regelmäſsigen Gebrauch zu sehr verdorben würde; eher
mögen jene Erscheinungen eine abgeänderte, jedoch
schnell auf den vorigen Zustand zurückkommende, Be-
ziehung zwischen der Seele und Leibe andeuten.
Endlich, daſs die Seele einen Ort in dem Leibe ein-
nehmen muſs, ist gewiſs; man hat also nur die Wahl
zwischen einem vesten Sitze oder einem veränderlichen
Aufenthalte. Beydes sind Hypothesen; die erste aber
hat nichts für sich, wenn nicht etwa den falschen Ge-
danken der Schwierigkeit, daſs die Seele herdurchwan-
dere durch die körperlichen Gewebe; die zweyte ist we-
nigstens viel brauchbarer, indem sie den physiologischen
Erklärungen ein weiteres Feld öffnet, worin sie sich ver-
suchen können.
§. 155.
Zwar schon oben im §. 129. ist über die psycholo-
gische Möglichkeit, daſs die Seele im Handeln sich des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/497>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.