geringste Veränderung in dem innern Zustande eines Wesens werde auf die Störungen und folglich auf die Selbsterhaltungen aller Wesen in der Kette einen Einfluss haben. Dieser Einfluss also kann sich, fortlau- fend am Nervenfaden, durch den Raum fort- pflanzen (nur nicht durch den leeren Raum,) ohne im geringsten selbst von räumlicher Art zu seyn. Er braucht sich daher auch gar nicht als Bewegung, we- der der Nerven selbst, noch irgend eines Etwas in den Nerven, zu verrathen; die Nerven können, ohne sich im mindesten zu rühren, aufs höchste afficirt seyn. Scheint hierin etwas wunderbares zu liegen, so kommt es daher, weil man sich nicht deutlich gemacht hat, wie das Ein- fache, an sich Unräumliche, überhaupt in räumliche Ver- hältnisse gerathe, ja sogar den Raum erfülle; welches in der allgemeinen Metaphysik zu erörtern ist. -- Nun soll am Ende, da wo der Nerv in den Muskel übergeht, eine Bewegung des Muskels mit einer beträchtlichen mecha- nischen Kraft entstehn. Hierin liegt viel Unbekanntes, aber nichts Seltsames, nichts Unbegreifliches. In dem Nerven sind Störungen und Selbsterhaltungen jedes Ele- ments; dergleichen muss es zuvörderst in den sämmtli- chen einfachen Wesen, aus denen der Muskel zusam- mengesetzt ist, ebenfalls geben; und da mit dem Muskel der Nerv zusammenhängt, so müssen sich die Zustände der Selbsterhaltungen in dem einen nach denen in dem andern richten. Jetzt sagt die Erfahrung, dass aus den veränderten innern Zuständen des Muskels auch verän- derte äussere, nämlich eine Annäherung der Theile des- selben, entstehn. Damit sagt sie Nichts unerhörtes, Nichts, was nicht schon in den ersten Anfangsgründen der Chemie vorkäme. Die Attraction der Elemente bey einer chemischen Auflösung geschieht mit einer unge- heuern Gewalt, nach dem Maasse der mechanischen Kräfte; nichts desto weniger erfolgt sie ohne alle reale räumliche Kraft, und ist, auf eine völlig begreifliche Weise, bloss die nothwendige Folge der innern Zustände des
geringste Veränderung in dem innern Zustande eines Wesens werde auf die Störungen und folglich auf die Selbsterhaltungen aller Wesen in der Kette einen Einfluſs haben. Dieser Einfluſs also kann sich, fortlau- fend am Nervenfaden, durch den Raum fort- pflanzen (nur nicht durch den leeren Raum,) ohne im geringsten selbst von räumlicher Art zu seyn. Er braucht sich daher auch gar nicht als Bewegung, we- der der Nerven selbst, noch irgend eines Etwas in den Nerven, zu verrathen; die Nerven können, ohne sich im mindesten zu rühren, aufs höchste afficirt seyn. Scheint hierin etwas wunderbares zu liegen, so kommt es daher, weil man sich nicht deutlich gemacht hat, wie das Ein- fache, an sich Unräumliche, überhaupt in räumliche Ver- hältnisse gerathe, ja sogar den Raum erfülle; welches in der allgemeinen Metaphysik zu erörtern ist. — Nun soll am Ende, da wo der Nerv in den Muskel übergeht, eine Bewegung des Muskels mit einer beträchtlichen mecha- nischen Kraft entstehn. Hierin liegt viel Unbekanntes, aber nichts Seltsames, nichts Unbegreifliches. In dem Nerven sind Störungen und Selbsterhaltungen jedes Ele- ments; dergleichen muſs es zuvörderst in den sämmtli- chen einfachen Wesen, aus denen der Muskel zusam- mengesetzt ist, ebenfalls geben; und da mit dem Muskel der Nerv zusammenhängt, so müssen sich die Zustände der Selbsterhaltungen in dem einen nach denen in dem andern richten. Jetzt sagt die Erfahrung, daſs aus den veränderten innern Zuständen des Muskels auch verän- derte äuſsere, nämlich eine Annäherung der Theile des- selben, entstehn. Damit sagt sie Nichts unerhörtes, Nichts, was nicht schon in den ersten Anfangsgründen der Chemie vorkäme. Die Attraction der Elemente bey einer chemischen Auflösung geschieht mit einer unge- heuern Gewalt, nach dem Maaſse der mechanischen Kräfte; nichts desto weniger erfolgt sie ohne alle reale räumliche Kraft, und ist, auf eine völlig begreifliche Weise, bloſs die nothwendige Folge der innern Zustände des
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geringste Veränderung in dem innern Zustande eines
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Selbsterhaltungen aller Wesen in der Kette einen Einfluſs
haben. Dieser Einfluſs also kann sich, fortlau-
fend am Nervenfaden, durch den Raum fort-
pflanzen (nur nicht durch den leeren Raum,) ohne
im geringsten selbst von räumlicher Art zu seyn.
Er braucht sich daher auch gar nicht als Bewegung, we-
der der Nerven selbst, noch irgend eines Etwas in den
Nerven, zu verrathen; die Nerven können, ohne sich im
mindesten zu rühren, aufs höchste afficirt seyn. Scheint
hierin etwas wunderbares zu liegen, so kommt es daher,
weil man sich nicht deutlich gemacht hat, wie das Ein-
fache, an sich Unräumliche, überhaupt in räumliche Ver-
hältnisse gerathe, ja sogar den Raum erfülle; welches in
der allgemeinen Metaphysik zu erörtern ist. — Nun soll
am Ende, da wo der Nerv in den Muskel übergeht, eine
Bewegung des Muskels mit einer beträchtlichen mecha-
nischen Kraft entstehn. Hierin liegt viel Unbekanntes,
aber nichts Seltsames, nichts Unbegreifliches. In dem
Nerven sind Störungen und Selbsterhaltungen jedes Ele-
ments; dergleichen muſs es zuvörderst in den sämmtli-
chen einfachen Wesen, aus denen der Muskel zusam-
mengesetzt ist, ebenfalls geben; und da mit dem Muskel
der Nerv zusammenhängt, so müssen sich die Zustände
der Selbsterhaltungen in dem einen nach denen in dem
andern richten. Jetzt sagt die Erfahrung, daſs aus den
veränderten innern Zuständen des Muskels auch verän-
derte äuſsere, nämlich eine Annäherung der Theile des-
selben, entstehn. Damit sagt sie Nichts unerhörtes,
Nichts, was nicht schon in den ersten Anfangsgründen
der Chemie vorkäme. Die Attraction der Elemente bey
einer chemischen Auflösung geschieht mit einer unge-
heuern Gewalt, nach dem Maaſse der mechanischen
Kräfte; nichts desto weniger erfolgt sie ohne alle reale
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/494>, abgerufen am 25.11.2024.
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