felhaft, dass Ursache und Bewirktes heterogen sind, denn das Wollen ist ein innerer Zustand der Seele, die Zuk- kung der Muskeln eine Raumbestimmung für deren Be- standtheile. Allerdings muss dazwischen etwas in der Mitte stehn. Denn erstlich ist das Wollen ein gewisser (oben beschriebener) Zustand der Vorstellungen, diese aber sind Selbsterhaltungen der Seele, welche beym Wol- len in einen minder gehemmten Zustand zurückkehren. Ferner den Selbsterhaltungen in einem Wesen entspre- chen nur Selbsterhaltungen in einem andern; also den innern Zuständen des einen gehören innere Zustände des andern zu, wenn beyde Wesen, entweder vollkom- men oder unvollkommen, zusammen sind. Dieses aber ergiebt sich unmittelbar aus der Grundlehre von den Stö- rungen und Selbsterhaltungen, indem die Störung zwi- schen je zweyen Wesen allemal gegenseitig ist, und sich ihr nothwendig ein Paar zusammengehörige Selbsterhal- tungen entgegenstellen müssen, welche letzteren je- doch unter einander gar keine Aehnlichkeit zu haben brauchen, ausser der einzigen, dass sie lediglich innere Zustände, jede in dem sich selbst erhaltenden Wesen, seyn müssen. -- Jetzt werfen wir einen Blick auf dasjenige, was, der Erfahrung gemäss, zwischen dem Wollen und dem Zucken der Muskeln in der Mitte steht. Dies sind bekanntlich die Nerven; welche man ehemals mit einem flüchtigen Safte, heutiges Tages mit einem polarisirenden Fluidum zu begaben pflegt, dem die Ner- ven zu Conductoren dienen sollen; obgleich man weder weiss, was polarisirende Naturkräfte sind, noch wie denn diese durch das Wollen in Bewegung gerathen mögen. Wir aber wissen wenigstens soviel, dass die Seele mit einem Ende der Nerven zusammen ist, als welches die allgemeine Bedingung aller Causalität ausmacht; ferner dass der Nerv, der sich als ein cohärenter Faden dar- stellt, eine Kette einfacher Wesen seyn muss, die sich in einem unvollkommnen Zusammen befinden; endlich, dass in einer solchen Kette allemal zu erwarten ist, die
felhaft, daſs Ursache und Bewirktes heterogen sind, denn das Wollen ist ein innerer Zustand der Seele, die Zuk- kung der Muskeln eine Raumbestimmung für deren Be- standtheile. Allerdings muſs dazwischen etwas in der Mitte stehn. Denn erstlich ist das Wollen ein gewisser (oben beschriebener) Zustand der Vorstellungen, diese aber sind Selbsterhaltungen der Seele, welche beym Wol- len in einen minder gehemmten Zustand zurückkehren. Ferner den Selbsterhaltungen in einem Wesen entspre- chen nur Selbsterhaltungen in einem andern; also den innern Zuständen des einen gehören innere Zustände des andern zu, wenn beyde Wesen, entweder vollkom- men oder unvollkommen, zusammen sind. Dieses aber ergiebt sich unmittelbar aus der Grundlehre von den Stö- rungen und Selbsterhaltungen, indem die Störung zwi- schen je zweyen Wesen allemal gegenseitig ist, und sich ihr nothwendig ein Paar zusammengehörige Selbsterhal- tungen entgegenstellen müssen, welche letzteren je- doch unter einander gar keine Aehnlichkeit zu haben brauchen, auſser der einzigen, daſs sie lediglich innere Zustände, jede in dem sich selbst erhaltenden Wesen, seyn müssen. — Jetzt werfen wir einen Blick auf dasjenige, was, der Erfahrung gemäſs, zwischen dem Wollen und dem Zucken der Muskeln in der Mitte steht. Dies sind bekanntlich die Nerven; welche man ehemals mit einem flüchtigen Safte, heutiges Tages mit einem polarisirenden Fluidum zu begaben pflegt, dem die Ner- ven zu Conductoren dienen sollen; obgleich man weder weiſs, was polarisirende Naturkräfte sind, noch wie denn diese durch das Wollen in Bewegung gerathen mögen. Wir aber wissen wenigstens soviel, daſs die Seele mit einem Ende der Nerven zusammen ist, als welches die allgemeine Bedingung aller Causalität ausmacht; ferner daſs der Nerv, der sich als ein cohärenter Faden dar- stellt, eine Kette einfacher Wesen seyn muſs, die sich in einem unvollkommnen Zusammen befinden; endlich, daſs in einer solchen Kette allemal zu erwarten ist, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0493"n="458"/>
felhaft, daſs Ursache und Bewirktes heterogen sind, denn<lb/>
das Wollen ist ein innerer Zustand der Seele, die Zuk-<lb/>
kung der Muskeln eine Raumbestimmung für deren Be-<lb/>
standtheile. Allerdings muſs dazwischen etwas in der<lb/>
Mitte stehn. Denn erstlich ist das Wollen ein gewisser<lb/>
(oben beschriebener) Zustand der Vorstellungen, diese<lb/>
aber sind Selbsterhaltungen der Seele, welche beym Wol-<lb/>
len in einen minder gehemmten Zustand zurückkehren.<lb/>
Ferner den Selbsterhaltungen in einem Wesen entspre-<lb/>
chen nur Selbsterhaltungen in einem andern; also den<lb/>
innern Zuständen des einen gehören <hirendition="#g">innere</hi> Zustände<lb/>
des andern zu, wenn beyde Wesen, entweder vollkom-<lb/>
men oder unvollkommen, zusammen sind. Dieses aber<lb/>
ergiebt sich unmittelbar aus der Grundlehre von den Stö-<lb/>
rungen und Selbsterhaltungen, indem die Störung zwi-<lb/>
schen je zweyen Wesen allemal gegenseitig ist, und sich<lb/>
ihr nothwendig ein Paar zusammengehörige Selbsterhal-<lb/>
tungen entgegenstellen müssen, <hirendition="#g">welche letzteren je-<lb/>
doch unter einander gar keine Aehnlichkeit zu<lb/>
haben brauchen</hi>, auſser der einzigen, daſs sie lediglich<lb/>
innere Zustände, jede in dem sich selbst erhaltenden<lb/>
Wesen, seyn müssen. — Jetzt werfen wir einen Blick<lb/>
auf dasjenige, was, der Erfahrung gemäſs, zwischen dem<lb/>
Wollen und dem Zucken der Muskeln in der Mitte steht.<lb/>
Dies sind bekanntlich die Nerven; welche man ehemals<lb/>
mit einem flüchtigen Safte, heutiges Tages mit einem<lb/>
polarisirenden Fluidum zu begaben pflegt, dem die Ner-<lb/>
ven zu Conductoren dienen sollen; obgleich man weder<lb/>
weiſs, was polarisirende Naturkräfte sind, noch wie denn<lb/>
diese durch das Wollen in Bewegung gerathen mögen.<lb/>
Wir aber wissen wenigstens soviel, daſs die Seele mit<lb/>
einem Ende der Nerven zusammen ist, als welches die<lb/>
allgemeine Bedingung aller Causalität ausmacht; ferner<lb/>
daſs der Nerv, der sich als ein <hirendition="#g">cohärenter</hi> Faden dar-<lb/>
stellt, eine Kette einfacher Wesen seyn muſs, die sich<lb/>
in einem unvollkommnen Zusammen befinden; endlich,<lb/>
daſs in einer solchen Kette allemal zu erwarten ist, die<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[458/0493]
felhaft, daſs Ursache und Bewirktes heterogen sind, denn
das Wollen ist ein innerer Zustand der Seele, die Zuk-
kung der Muskeln eine Raumbestimmung für deren Be-
standtheile. Allerdings muſs dazwischen etwas in der
Mitte stehn. Denn erstlich ist das Wollen ein gewisser
(oben beschriebener) Zustand der Vorstellungen, diese
aber sind Selbsterhaltungen der Seele, welche beym Wol-
len in einen minder gehemmten Zustand zurückkehren.
Ferner den Selbsterhaltungen in einem Wesen entspre-
chen nur Selbsterhaltungen in einem andern; also den
innern Zuständen des einen gehören innere Zustände
des andern zu, wenn beyde Wesen, entweder vollkom-
men oder unvollkommen, zusammen sind. Dieses aber
ergiebt sich unmittelbar aus der Grundlehre von den Stö-
rungen und Selbsterhaltungen, indem die Störung zwi-
schen je zweyen Wesen allemal gegenseitig ist, und sich
ihr nothwendig ein Paar zusammengehörige Selbsterhal-
tungen entgegenstellen müssen, welche letzteren je-
doch unter einander gar keine Aehnlichkeit zu
haben brauchen, auſser der einzigen, daſs sie lediglich
innere Zustände, jede in dem sich selbst erhaltenden
Wesen, seyn müssen. — Jetzt werfen wir einen Blick
auf dasjenige, was, der Erfahrung gemäſs, zwischen dem
Wollen und dem Zucken der Muskeln in der Mitte steht.
Dies sind bekanntlich die Nerven; welche man ehemals
mit einem flüchtigen Safte, heutiges Tages mit einem
polarisirenden Fluidum zu begaben pflegt, dem die Ner-
ven zu Conductoren dienen sollen; obgleich man weder
weiſs, was polarisirende Naturkräfte sind, noch wie denn
diese durch das Wollen in Bewegung gerathen mögen.
Wir aber wissen wenigstens soviel, daſs die Seele mit
einem Ende der Nerven zusammen ist, als welches die
allgemeine Bedingung aller Causalität ausmacht; ferner
daſs der Nerv, der sich als ein cohärenter Faden dar-
stellt, eine Kette einfacher Wesen seyn muſs, die sich
in einem unvollkommnen Zusammen befinden; endlich,
daſs in einer solchen Kette allemal zu erwarten ist, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/493>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.