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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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liegt,) zum Gebrauche benutzen, und uns für den Au-
genblick eine solche Verwechselung gefallen lassen: so
wäre damit das Ziel des Kantischen Beweises noch im-
mer nicht erreicht. Denn es kam gar nicht bloss darauf
an, zu erinnern, dass der Causalbegriff, unter andern,
mannigfaltigen Bestimmungen, die er in sich trage, und
neben seinem übrigen vielfältigem Nutzen, auch noch
den zufälligen Vortheil gewähre, vestzustellen, was in
der Zeit hinten und vorn sey, sondern wir wollten ihn
selbst durch und durch kennen lernen; insbesondere aber
war uns daran gelegen, die Noth und Verlegenheit
zu sehen, in welche der Begriff der Verände-
rung gerathen würde, wenn man ihm die Vor-
aussetzung irgend einer Ursache wegnähme
.

Wieviel haben wir denn davon zu sehen bekommen?
Dass sich die Reihenfolge der Veränderung umkehren
würde, wenn die Ursache sie nicht hielte? -- Wenn
nur in der Veränderung überall eine, durch die Zeit
klare und begreifliche, Reihenfolge wäre! Wenn nur
nicht der Begriff der Veränderung, gerade in Anse-
hung der in ihm liegenden Zeitbestimmung hier ganz
und gar in seinem Innersten verdorben und verschroben
wäre! Wann geschieht denn die Veränderung? Etwa
dann, wann wir das vorhergehende Merkmal des Gegen-
standes in ruhiger Verweilung anschauen? Nein! Dann
hat sie noch nicht angefangen. Oder dann, wann das
nachfolgende Merkmal schon vor unsern Augen steht,
und still hält, um sich nun seinerseits zum Anblick dar-
zubieten? Wiederum nein! Dann ist die Veränderung
vorbey. Wir begreifen, dass sie geschehn sey; und den-
ken uns einen Zeitpunct, in welchen beyde entgenge-
setzte
Merkmale, eben jetzt das eine kommend, das
andre gehend, -- und gerade darum zugleich, -- sich
in dem Gegenstande vorfanden. Diesen köstlichen Au-
genblick wollten wir beobachten; aber er muss uns wohl
entschlüpft seyn. Gesehen haben wir den Widerspruch

II. Y

liegt,) zum Gebrauche benutzen, und uns für den Au-
genblick eine solche Verwechselung gefallen lassen: so
wäre damit das Ziel des Kantischen Beweises noch im-
mer nicht erreicht. Denn es kam gar nicht bloſs darauf
an, zu erinnern, daſs der Causalbegriff, unter andern,
mannigfaltigen Bestimmungen, die er in sich trage, und
neben seinem übrigen vielfältigem Nutzen, auch noch
den zufälligen Vortheil gewähre, vestzustellen, was in
der Zeit hinten und vorn sey, sondern wir wollten ihn
selbst durch und durch kennen lernen; insbesondere aber
war uns daran gelegen, die Noth und Verlegenheit
zu sehen, in welche der Begriff der Verände-
rung gerathen würde, wenn man ihm die Vor-
aussetzung irgend einer Ursache wegnähme
.

Wieviel haben wir denn davon zu sehen bekommen?
Daſs sich die Reihenfolge der Veränderung umkehren
würde, wenn die Ursache sie nicht hielte? — Wenn
nur in der Veränderung überall eine, durch die Zeit
klare und begreifliche, Reihenfolge wäre! Wenn nur
nicht der Begriff der Veränderung, gerade in Anse-
hung der in ihm liegenden Zeitbestimmung hier ganz
und gar in seinem Innersten verdorben und verschroben
wäre! Wann geschieht denn die Veränderung? Etwa
dann, wann wir das vorhergehende Merkmal des Gegen-
standes in ruhiger Verweilung anschauen? Nein! Dann
hat sie noch nicht angefangen. Oder dann, wann das
nachfolgende Merkmal schon vor unsern Augen steht,
und still hält, um sich nun seinerseits zum Anblick dar-
zubieten? Wiederum nein! Dann ist die Veränderung
vorbey. Wir begreifen, daſs sie geschehn sey; und den-
ken uns einen Zeitpunct, in welchen beyde entgenge-
setzte
Merkmale, eben jetzt das eine kommend, das
andre gehend, — und gerade darum zugleich, — sich
in dem Gegenstande vorfanden. Diesen köstlichen Au-
genblick wollten wir beobachten; aber er muſs uns wohl
entschlüpft seyn. Gesehen haben wir den Widerspruch

II. Y
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[337/0372] liegt,) zum Gebrauche benutzen, und uns für den Au- genblick eine solche Verwechselung gefallen lassen: so wäre damit das Ziel des Kantischen Beweises noch im- mer nicht erreicht. Denn es kam gar nicht bloſs darauf an, zu erinnern, daſs der Causalbegriff, unter andern, mannigfaltigen Bestimmungen, die er in sich trage, und neben seinem übrigen vielfältigem Nutzen, auch noch den zufälligen Vortheil gewähre, vestzustellen, was in der Zeit hinten und vorn sey, sondern wir wollten ihn selbst durch und durch kennen lernen; insbesondere aber war uns daran gelegen, die Noth und Verlegenheit zu sehen, in welche der Begriff der Verände- rung gerathen würde, wenn man ihm die Vor- aussetzung irgend einer Ursache wegnähme. Wieviel haben wir denn davon zu sehen bekommen? Daſs sich die Reihenfolge der Veränderung umkehren würde, wenn die Ursache sie nicht hielte? — Wenn nur in der Veränderung überall eine, durch die Zeit klare und begreifliche, Reihenfolge wäre! Wenn nur nicht der Begriff der Veränderung, gerade in Anse- hung der in ihm liegenden Zeitbestimmung hier ganz und gar in seinem Innersten verdorben und verschroben wäre! Wann geschieht denn die Veränderung? Etwa dann, wann wir das vorhergehende Merkmal des Gegen- standes in ruhiger Verweilung anschauen? Nein! Dann hat sie noch nicht angefangen. Oder dann, wann das nachfolgende Merkmal schon vor unsern Augen steht, und still hält, um sich nun seinerseits zum Anblick dar- zubieten? Wiederum nein! Dann ist die Veränderung vorbey. Wir begreifen, daſs sie geschehn sey; und den- ken uns einen Zeitpunct, in welchen beyde entgenge- setzte Merkmale, eben jetzt das eine kommend, das andre gehend, — und gerade darum zugleich, — sich in dem Gegenstande vorfanden. Diesen köstlichen Au- genblick wollten wir beobachten; aber er muſs uns wohl entschlüpft seyn. Gesehen haben wir den Widerspruch II. Y

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/372>, abgerufen am 24.11.2024.