sen Nähe nicht länger erwünscht ist. Es hat sich immer beysammen. Denn die kommenden Gedanken durchlau- fen keinen Raum; während für einen ankommenden Kör- per sich allerdings verschiedene Stellen unterscheiden las- sen, wo er ist gesehen worden. -- Also, verglichen mit Anderem, ist das Ich bekannt, selbstständig, und Eins.
Ferner, im Gespräch findet die Ichheit fortdauernd Nahrung. Jenes Uebergehen vom Denken zum Empfinden und Erfahren, worauf die Bestimmung des Subjects, und die Voraussetzung desselben vor dem Objecte, beruhet, (§. 131.), geschieht jeden Augenblick, indem der Spre- chende seinen Gedanken dem Andern mittheilt, damit ihn dieser antwortend ergänze. Hier ist immer die Ant- wort das Eintretende, Hinzukommende, zu ihrem Voraus- gesetzten, dem Denken. Und hier findet unaufhörlich das Ich sich selbst, denn das Gespräch ist in gleichem Maasse, und in schneller, steter Abwechselung, theils Wirksam- keit, theils Hingebung (§. 136.). Dieselbe Folge, wie das Gespräch hat nun auch die Lebensweise, das Thun und Leiden im geselligen Zustande; nur nach vergrö- ssertem Maasse. Und was ist selbst das Verhältniss des Menschen zur Natur anders, als ein abwechselndes Wir- ken und Hingeben?
Aber die Gesellschaft erweitert noch obendrein, und beschränkt auch hinwiederum, das Wirken, und die Pläne dazu, durch den Besitz und dessen Gränzen. Sie macht etwas aus dem Menschen; giebt ihm Bilder des- sen, wofür er gelten soll; unterwirft ihn den Meinungen und Vorurtheilen. Um desto mehr wird die ganze Com- plexion, die wir Ich nennen, was sie ohnehin war, näm- lich höchst veränderlich; denn sie ist genau genommen keinen Augenblick dieselbe. Sie kann überdies keine vollkommene Complexion seyn, weil gar Mancherley entgegengesetztes in sie hinein kommt. (Man erinnere sich der Grundlehren über Complexionen aus den Ele- menten der Statik des Geistes.) Vielmehr, sehr verschie- dene Bestandtheile derselben treten bey verschiedenen
sen Nähe nicht länger erwünscht ist. Es hat sich immer beysammen. Denn die kommenden Gedanken durchlau- fen keinen Raum; während für einen ankommenden Kör- per sich allerdings verschiedene Stellen unterscheiden las- sen, wo er ist gesehen worden. — Also, verglichen mit Anderem, ist das Ich bekannt, selbstständig, und Eins.
Ferner, im Gespräch findet die Ichheit fortdauernd Nahrung. Jenes Uebergehen vom Denken zum Empfinden und Erfahren, worauf die Bestimmung des Subjects, und die Voraussetzung desselben vor dem Objecte, beruhet, (§. 131.), geschieht jeden Augenblick, indem der Spre- chende seinen Gedanken dem Andern mittheilt, damit ihn dieser antwortend ergänze. Hìer ist immer die Ant- wort das Eintretende, Hinzukommende, zu ihrem Voraus- gesetzten, dem Denken. Und hier findet unaufhörlich das Ich sich selbst, denn das Gespräch ist in gleichem Maaſse, und in schneller, steter Abwechselung, theils Wirksam- keit, theils Hingebung (§. 136.). Dieselbe Folge, wie das Gespräch hat nun auch die Lebensweise, das Thun und Leiden im geselligen Zustande; nur nach vergrö- ſsertem Maaſse. Und was ist selbst das Verhältniſs des Menschen zur Natur anders, als ein abwechselndes Wir- ken und Hingeben?
Aber die Gesellschaft erweitert noch obendrein, und beschränkt auch hinwiederum, das Wirken, und die Pläne dazu, durch den Besitz und dessen Gränzen. Sie macht etwas aus dem Menschen; giebt ihm Bilder des- sen, wofür er gelten soll; unterwirft ihn den Meinungen und Vorurtheilen. Um desto mehr wird die ganze Com- plexion, die wir Ich nennen, was sie ohnehin war, näm- lich höchst veränderlich; denn sie ist genau genommen keinen Augenblick dieselbe. Sie kann überdies keine vollkommene Complexion seyn, weil gar Mancherley entgegengesetztes in sie hinein kommt. (Man erinnere sich der Grundlehren über Complexionen aus den Ele- menten der Statik des Geistes.) Vielmehr, sehr verschie- dene Bestandtheile derselben treten bey verschiedenen
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sen Nähe nicht länger erwünscht ist. Es hat sich immer
beysammen. Denn die kommenden Gedanken durchlau-
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per sich allerdings verschiedene Stellen unterscheiden las-
sen, wo er ist gesehen worden. — Also, verglichen mit
Anderem, ist das Ich bekannt, selbstständig, und Eins.
Ferner, im Gespräch findet die Ichheit fortdauernd
Nahrung. Jenes Uebergehen vom Denken zum Empfinden
und Erfahren, worauf die Bestimmung des Subjects, und
die Voraussetzung desselben vor dem Objecte, beruhet,
(§. 131.), geschieht jeden Augenblick, indem der Spre-
chende seinen Gedanken dem Andern mittheilt, damit
ihn dieser antwortend ergänze. Hìer ist immer die Ant-
wort das Eintretende, Hinzukommende, zu ihrem Voraus-
gesetzten, dem Denken. Und hier findet unaufhörlich das
Ich sich selbst, denn das Gespräch ist in gleichem Maaſse,
und in schneller, steter Abwechselung, theils Wirksam-
keit, theils Hingebung (§. 136.). Dieselbe Folge, wie
das Gespräch hat nun auch die Lebensweise, das Thun
und Leiden im geselligen Zustande; nur nach vergrö-
ſsertem Maaſse. Und was ist selbst das Verhältniſs des
Menschen zur Natur anders, als ein abwechselndes Wir-
ken und Hingeben?
Aber die Gesellschaft erweitert noch obendrein, und
beschränkt auch hinwiederum, das Wirken, und die
Pläne dazu, durch den Besitz und dessen Gränzen. Sie
macht etwas aus dem Menschen; giebt ihm Bilder des-
sen, wofür er gelten soll; unterwirft ihn den Meinungen
und Vorurtheilen. Um desto mehr wird die ganze Com-
plexion, die wir Ich nennen, was sie ohnehin war, näm-
lich höchst veränderlich; denn sie ist genau genommen
keinen Augenblick dieselbe. Sie kann überdies keine
vollkommene Complexion seyn, weil gar Mancherley
entgegengesetztes in sie hinein kommt. (Man erinnere
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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