lungen, oder das Vorstellen überhaupt, und endlich als das am meisten Beharrliche erkannt; und so bekommt nun dieselbe Complexion, die anfangs über den Wahr- nehmungen des eignen Leibes sich zusammenhäufte, zu ihrem Haupt-Charakter das Vorstellen, sammt dem, damit innigst verflochtenen, Begehren und Fühlen. Dieser Haupt-Charakter ist demnach etwas in seinen nä- hern Bestimmungen, (was für Gegenstände vorgestellt werden,) unaufhörlich wechselndes; das Beständigste ist etwas durchaus Flüchtiges, das nur, in einem allgemeinen Begriffe gedacht, für ein Beständiges kann angesehen werden.
Fassen wir alles zusammen: so ergiebt sich eine Complexion, von der alle ihre Grundbestand- theile können verneint werden, so dass keiner derselben ihr wesentlich zu seyn scheint. Wie wichtig diese Bemerkung zur Erklärung des Ich sey, wird sich zeigen, indem wir in den §. 28. zurückblicken. Dort wurde schon gefunden, dass die Ichheit auf einer man- nigfaltigen objectiven Grundlage beruhe, wovon jeder Theil ihr zufällig sey, in so fern die übrigen Theile noch immer das Ich stützen würden, falls jener weggenommen wäre.
Auch erinnert man sich hier vielleicht jener Meinung eines andern Schriftstellers, nach welcher von einem Be- wusstseyn des Gegenstandes geredet würde, nicht wie er ist, sondern dass er ist (§. 21.). Einem solchen Ge- genstande sieht allerdings eine Complexion, von der alle Merkmale können verneint werden, ähnlich genug. Aber wenn sie wirklich alle auf einmal verneint werden, so fällt der ganze Gegenstand weg. Wenn hingegen eine Com- plexion bezeichnet wird mit ...m n o p...., wo die Puncte bedeuten, dass etwas weggelassen ist, statt dessen auch m n o p konnten hinweggenommen werden, wofern dagegen etwa d e f, oder f g h, blieben: so bietet eine solche Com- plexion immer noch für ein hinzutretendes x oder y, einen Punct der Anknüpfung dar. Hiemit mag vorläufig
lungen, oder das Vorstellen überhaupt, und endlich als das am meisten Beharrliche erkannt; und so bekommt nun dieselbe Complexion, die anfangs über den Wahr- nehmungen des eignen Leibes sich zusammenhäufte, zu ihrem Haupt-Charakter das Vorstellen, sammt dem, damit innigst verflochtenen, Begehren und Fühlen. Dieser Haupt-Charakter ist demnach etwas in seinen nä- hern Bestimmungen, (was für Gegenstände vorgestellt werden,) unaufhörlich wechselndes; das Beständigste ist etwas durchaus Flüchtiges, das nur, in einem allgemeinen Begriffe gedacht, für ein Beständiges kann angesehen werden.
Fassen wir alles zusammen: so ergiebt sich eine Complexion, von der alle ihre Grundbestand- theile können verneint werden, so daſs keiner derselben ihr wesentlich zu seyn scheint. Wie wichtig diese Bemerkung zur Erklärung des Ich sey, wird sich zeigen, indem wir in den §. 28. zurückblicken. Dort wurde schon gefunden, daſs die Ichheit auf einer man- nigfaltigen objectiven Grundlage beruhe, wovon jeder Theil ihr zufällig sey, in so fern die übrigen Theile noch immer das Ich stützen würden, falls jener weggenommen wäre.
Auch erinnert man sich hier vielleicht jener Meinung eines andern Schriftstellers, nach welcher von einem Be- wuſstseyn des Gegenstandes geredet würde, nicht wie er ist, sondern daſs er ist (§. 21.). Einem solchen Ge- genstande sieht allerdings eine Complexion, von der alle Merkmale können verneint werden, ähnlich genug. Aber wenn sie wirklich alle auf einmal verneint werden, so fällt der ganze Gegenstand weg. Wenn hingegen eine Com- plexion bezeichnet wird mit …m n o p...., wo die Puncte bedeuten, daſs etwas weggelassen ist, statt dessen auch m n o p konnten hinweggenommen werden, wofern dagegen etwa d e f, oder f g h, blieben: so bietet eine solche Com- plexion immer noch für ein hinzutretendes x oder y, einen Punct der Anknüpfung dar. Hiemit mag vorläufig
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lungen, oder das Vorstellen überhaupt, und endlich
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ihrem Haupt-Charakter das Vorstellen, sammt dem,
damit innigst verflochtenen, Begehren und Fühlen.
Dieser Haupt-Charakter ist demnach etwas in seinen nä-
hern Bestimmungen, (was für Gegenstände vorgestellt
werden,) unaufhörlich wechselndes; das Beständigste ist
etwas durchaus Flüchtiges, das nur, in einem allgemeinen
Begriffe gedacht, für ein Beständiges kann angesehen
werden.
Fassen wir alles zusammen: so ergiebt sich eine
Complexion, von der alle ihre Grundbestand-
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derselben ihr wesentlich zu seyn scheint. Wie
wichtig diese Bemerkung zur Erklärung des Ich sey, wird
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Theil ihr zufällig sey, in so fern die übrigen Theile noch
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wäre.
Auch erinnert man sich hier vielleicht jener Meinung
eines andern Schriftstellers, nach welcher von einem Be-
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ist, sondern daſs er ist (§. 21.). Einem solchen Ge-
genstande sieht allerdings eine Complexion, von der alle
Merkmale können verneint werden, ähnlich genug. Aber
wenn sie wirklich alle auf einmal verneint werden, so fällt
der ganze Gegenstand weg. Wenn hingegen eine Com-
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bedeuten, daſs etwas weggelassen ist, statt dessen auch
m n o p konnten hinweggenommen werden, wofern dagegen
etwa d e f, oder f g h, blieben: so bietet eine solche Com-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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