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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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men wegen der Hemmung unter den Vorstellungen der blo-
ssen Worte. Und was das auffallendste ist: auch solche
Vorstellungen, die einander für sich allein nicht hemmen,
wie schwarz und süss, oder wie ein Ton und ein Geruch,
gerathen doch in eine Hemmung durch die an sie ge-
knüpften Zeichen; indem sowohl die Vocale als die Con-
sonanten der zugehörigen Benennungen, ja endlich die
dazu nöthigen Schriftzüge, unter einander entgegengesetzt
sind. -- Noch mehr: die ganzen Massen und Reihen
von Vorstellungen, welche auf einmal, oder doch mit
mancherley gleichzeitigen Bewegungen ins Bewusstseyn
treten, können nicht eben so zum Worte kommen; sie
müssen sich, um ausgesprochen zu werden, in eine Rei-
henfolge ausstrecken; und sie können, nachdem sie aus-
gesprochen sind, als eine Zeitreihe überschaut werden. --
Das Sprechen ist eine Arbeit. Wie diese von einer
Vorstellungsmasse abhängt, in welcher der Begriff des
Zweckes herrscht und beharrt, während die Vorstellun-
gen der successiv anzuwendenden Mittel in einer bestimm-
ten Folge ablaufen: so auch muss der ganze auszuspre-
chende Gedanke dem Sprechenden beständig vorschwe-
ben, doch so, dass die hineingehörigen Theilvorstellungen,
und besonders die der hervorzubringenden Sprachlaute, sich
in einer regelmässigen Succession entwickeln. Dies muss
mannigfaltigen Einfluss auf die Gedanken selbst haben.

Doch die wichtigste Wirkung erfolgt erst da, wo
die Sprache zum Gespräch wird; sie erfolgt in der Ge-
sellschaft
.

Durch das Gespräch kann nämlich eine anhal-
tende und zusammenhängende Beschäfftigung
des Geistes mit dem Abwesenden und Vergan-
genen
entstehen. Wenn Einer die zufällige Erinnerung
an ein Abwesendes ausspricht: so erwachen in dem An-
dern Associationen, welche, abermals ausgesprochen, dem
Ersteren zur Verlängerung des Fadens Gelegenheit ge-
ben, an welchem sie von nun an beyde fortspinnen. Die
hörbaren Worte, und die Gegenwart einer mitredenden

men wegen der Hemmung unter den Vorstellungen der blo-
ſsen Worte. Und was das auffallendste ist: auch solche
Vorstellungen, die einander für sich allein nicht hemmen,
wie schwarz und süſs, oder wie ein Ton und ein Geruch,
gerathen doch in eine Hemmung durch die an sie ge-
knüpften Zeichen; indem sowohl die Vocale als die Con-
sonanten der zugehörigen Benennungen, ja endlich die
dazu nöthigen Schriftzüge, unter einander entgegengesetzt
sind. — Noch mehr: die ganzen Massen und Reihen
von Vorstellungen, welche auf einmal, oder doch mit
mancherley gleichzeitigen Bewegungen ins Bewuſstseyn
treten, können nicht eben so zum Worte kommen; sie
müssen sich, um ausgesprochen zu werden, in eine Rei-
henfolge ausstrecken; und sie können, nachdem sie aus-
gesprochen sind, als eine Zeitreihe überschaut werden. —
Das Sprechen ist eine Arbeit. Wie diese von einer
Vorstellungsmasse abhängt, in welcher der Begriff des
Zweckes herrscht und beharrt, während die Vorstellun-
gen der successiv anzuwendenden Mittel in einer bestimm-
ten Folge ablaufen: so auch muſs der ganze auszuspre-
chende Gedanke dem Sprechenden beständig vorschwe-
ben, doch so, daſs die hineingehörigen Theilvorstellungen,
und besonders die der hervorzubringenden Sprachlaute, sich
in einer regelmäſsigen Succession entwickeln. Dies muſs
mannigfaltigen Einfluſs auf die Gedanken selbst haben.

Doch die wichtigste Wirkung erfolgt erst da, wo
die Sprache zum Gespräch wird; sie erfolgt in der Ge-
sellschaft
.

Durch das Gespräch kann nämlich eine anhal-
tende und zusammenhängende Beschäfftigung
des Geistes mit dem Abwesenden und Vergan-
genen
entstehen. Wenn Einer die zufällige Erinnerung
an ein Abwesendes ausspricht: so erwachen in dem An-
dern Associationen, welche, abermals ausgesprochen, dem
Ersteren zur Verlängerung des Fadens Gelegenheit ge-
ben, an welchem sie von nun an beyde fortspinnen. Die
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[234/0269] men wegen der Hemmung unter den Vorstellungen der blo- ſsen Worte. Und was das auffallendste ist: auch solche Vorstellungen, die einander für sich allein nicht hemmen, wie schwarz und süſs, oder wie ein Ton und ein Geruch, gerathen doch in eine Hemmung durch die an sie ge- knüpften Zeichen; indem sowohl die Vocale als die Con- sonanten der zugehörigen Benennungen, ja endlich die dazu nöthigen Schriftzüge, unter einander entgegengesetzt sind. — Noch mehr: die ganzen Massen und Reihen von Vorstellungen, welche auf einmal, oder doch mit mancherley gleichzeitigen Bewegungen ins Bewuſstseyn treten, können nicht eben so zum Worte kommen; sie müssen sich, um ausgesprochen zu werden, in eine Rei- henfolge ausstrecken; und sie können, nachdem sie aus- gesprochen sind, als eine Zeitreihe überschaut werden. — Das Sprechen ist eine Arbeit. Wie diese von einer Vorstellungsmasse abhängt, in welcher der Begriff des Zweckes herrscht und beharrt, während die Vorstellun- gen der successiv anzuwendenden Mittel in einer bestimm- ten Folge ablaufen: so auch muſs der ganze auszuspre- chende Gedanke dem Sprechenden beständig vorschwe- ben, doch so, daſs die hineingehörigen Theilvorstellungen, und besonders die der hervorzubringenden Sprachlaute, sich in einer regelmäſsigen Succession entwickeln. Dies muſs mannigfaltigen Einfluſs auf die Gedanken selbst haben. Doch die wichtigste Wirkung erfolgt erst da, wo die Sprache zum Gespräch wird; sie erfolgt in der Ge- sellschaft. Durch das Gespräch kann nämlich eine anhal- tende und zusammenhängende Beschäfftigung des Geistes mit dem Abwesenden und Vergan- genen entstehen. Wenn Einer die zufällige Erinnerung an ein Abwesendes ausspricht: so erwachen in dem An- dern Associationen, welche, abermals ausgesprochen, dem Ersteren zur Verlängerung des Fadens Gelegenheit ge- ben, an welchem sie von nun an beyde fortspinnen. Die hörbaren Worte, und die Gegenwart einer mitredenden

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/269>, abgerufen am 22.11.2024.