Es ist ganz offenbar, dass alles dies eine Erweite- rung leidet, auf den Einfluss, den mehrere, in der Seele vorhandene, und im Bewusstseyn sich gleichzeitig entwickelnde, Vorstellungsreihen, unter einander ausüben müssen.
Es gebe eine Reihe von Vorstellungen m, n, o, p, q, ... die bey ihrem Entstehen successiv gegeben sind, und sich nun bey der Reproduction in der nämlichen Folge wie- der zu entwickeln streben, nach §. 112. Zugleich sey eine andre Reihe in der Seele vorhanden, P, P, p, p, ... und jetzt werde wahrgenommen eine Complexion P m, oder P n, oder P m, oder irgend eine dergleichen, die aus jeder der Reihen ein Element enthält. Sogleich be- ginnen zwey Reproductionen, jede mit dem Bestreben, sich nach ihrem eignen Gesetze zu entfalten. Aber jede von beyden enthält die Vorstellung p; es sind nämlich zwey gleichartige Vorstellungen, die wir beyde p nennen; eine in der ersten Reihe, die andre in der zweyten. Nothwendig müssen sie, während sie sich allmählig er- heben, in Verschmelzung eingehn; und dadurch sich ge- genseitig verstärken. Denn es ist für jede von beyden gerade soviel, als ob in äusserer Wahrnehmung etwas gleichartiges gegeben würde. Zugleich wird hiedurch eine Veränderung in dem ganzen Verhältniss der wir- kenden Kräfte hervorgebracht, weil eben durch die Verschmelzung eine neue Gesammtkraft erzeugt wird; und die Reproductionen können nicht ganz so fortlaufen, wie eine jede nach ihrem inwohnenden Gesetze gesollt hätte.
Diese Annahme lässt sich nun auf die mannigfaltigste Weise abändern. Man kann -- ja man muss, um das zu erreichen, was jeden Augenblick wirklich in uns vor- geht, -- ganze Complexionen setzen statt der einfachen Vorstellungen m, n, o, p, ... und P, P, p, ... Diese Complexionen mögen gleichartige, beynahe gleichartige, mehr oder weniger entgegengesetzte Elemente enthalten. Das wird die mannigfaltigsten Perturbationen in dem Ab- laufen der Vorstellungsreihen bewirken.
Es ist ganz offenbar, daſs alles dies eine Erweite- rung leidet, auf den Einfluſs, den mehrere, in der Seele vorhandene, und im Bewuſstseyn sich gleichzeitig entwickelnde, Vorstellungsreihen, unter einander ausüben müssen.
Es gebe eine Reihe von Vorstellungen m, n, o, p, q, … die bey ihrem Entstehen successiv gegeben sind, und sich nun bey der Reproduction in der nämlichen Folge wie- der zu entwickeln streben, nach §. 112. Zugleich sey eine andre Reihe in der Seele vorhanden, P, P, p, π, … und jetzt werde wahrgenommen eine Complexion P m, oder P n, oder P m, oder irgend eine dergleichen, die aus jeder der Reihen ein Element enthält. Sogleich be- ginnen zwey Reproductionen, jede mit dem Bestreben, sich nach ihrem eignen Gesetze zu entfalten. Aber jede von beyden enthält die Vorstellung p; es sind nämlich zwey gleichartige Vorstellungen, die wir beyde p nennen; eine in der ersten Reihe, die andre in der zweyten. Nothwendig müssen sie, während sie sich allmählig er- heben, in Verschmelzung eingehn; und dadurch sich ge- genseitig verstärken. Denn es ist für jede von beyden gerade soviel, als ob in äuſserer Wahrnehmung etwas gleichartiges gegeben würde. Zugleich wird hiedurch eine Veränderung in dem ganzen Verhältniſs der wir- kenden Kräfte hervorgebracht, weil eben durch die Verschmelzung eine neue Gesammtkraft erzeugt wird; und die Reproductionen können nicht ganz so fortlaufen, wie eine jede nach ihrem inwohnenden Gesetze gesollt hätte.
Diese Annahme läſst sich nun auf die mannigfaltigste Weise abändern. Man kann — ja man muſs, um das zu erreichen, was jeden Augenblick wirklich in uns vor- geht, — ganze Complexionen setzen statt der einfachen Vorstellungen m, n, o, p, … und P, P, p, … Diese Complexionen mögen gleichartige, beynahe gleichartige, mehr oder weniger entgegengesetzte Elemente enthalten. Das wird die mannigfaltigsten Perturbationen in dem Ab- laufen der Vorstellungsreihen bewirken.
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Es ist ganz offenbar, daſs alles dies eine Erweite-
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unter einander ausüben müssen.
Es gebe eine Reihe von Vorstellungen m, n, o, p, q, …
die bey ihrem Entstehen successiv gegeben sind, und sich
nun bey der Reproduction in der nämlichen Folge wie-
der zu entwickeln streben, nach §. 112. Zugleich sey
eine andre Reihe in der Seele vorhanden, P, P, p, π, …
und jetzt werde wahrgenommen eine Complexion P m,
oder P n, oder P m, oder irgend eine dergleichen, die
aus jeder der Reihen ein Element enthält. Sogleich be-
ginnen zwey Reproductionen, jede mit dem Bestreben,
sich nach ihrem eignen Gesetze zu entfalten. Aber jede
von beyden enthält die Vorstellung p; es sind nämlich
zwey gleichartige Vorstellungen, die wir beyde p nennen;
eine in der ersten Reihe, die andre in der zweyten.
Nothwendig müssen sie, während sie sich allmählig er-
heben, in Verschmelzung eingehn; und dadurch sich ge-
genseitig verstärken. Denn es ist für jede von beyden
gerade soviel, als ob in äuſserer Wahrnehmung etwas
gleichartiges gegeben würde. Zugleich wird hiedurch eine
Veränderung in dem ganzen Verhältniſs der wir-
kenden Kräfte hervorgebracht, weil eben durch die
Verschmelzung eine neue Gesammtkraft erzeugt wird; und
die Reproductionen können nicht ganz so fortlaufen, wie
eine jede nach ihrem inwohnenden Gesetze gesollt hätte.
Diese Annahme läſst sich nun auf die mannigfaltigste
Weise abändern. Man kann — ja man muſs, um das
zu erreichen, was jeden Augenblick wirklich in uns vor-
geht, — ganze Complexionen setzen statt der einfachen
Vorstellungen m, n, o, p, … und P, P, p, … Diese
Complexionen mögen gleichartige, beynahe gleichartige,
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Das wird die mannigfaltigsten Perturbationen in dem Ab-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/247>, abgerufen am 23.11.2024.
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