wie die Vorstellung zu ihrem Vorgestellten. Folglich wird jener um so unvollkommner seyn, je ungleicher die Stärke ist, mit welcher die Elemente des complicir- ten Vorstellens sich beysammen finden.
2) Die Merkmale des Begriffs gehören, logisch ge- nommen, alle vollkommen genau zu einander. Aber die Psychologie kennt unvollkommne Complicationen, (§. 63. etc.), diese werden, als Begriffe betrachtet, ent- weder zu viel oder zu wenig Verbindung darbieten.
3) In logischer Hinsicht hat jeder Begriff seine Stelle unter den übrigen, die ihm durch irgend eine Clas- sification angewiesen wird. Uebersetzen wir dies in eine psychologische Forderung: so sollen die Begriffe, aus ihren zufälligen Verschmelzungen nicht bloss her- aus, sondern in andre, ihnen wesentlich zukommende, hineingerückt werden.
4) Der Classification gehören alle Begriffe, die auf dergleichen Subordinationsstufe stehen, in gleichem Grade an. Alle ungleichmässige Auffassung der verschiedenen coordinirten Gegenstände bringt also einen Fehler in das psychologische System der Begriffe.
Betrachten wir dagegen den psychologischen Ursprung der Vorstellungen, so bemerken wir:
5) Unsre Vorstellungen erwachsen allmählig aus mo- mentanen Auffassungen, aus gleichartigen, wiederhohlten, und zum Theil verschmolzenen Wahrnehmungen, bey welchen noch obendrein verwickelte Gesetze der abneh- menden und erneuerten Empfänglichkeit Statt finden. Alles Eigne und Zufällige, was ein gewisses gleichartiges Vorstellen vermöge der Elemente und Umstände, aus und unter denen es zusammengeflossen ist, noch an sich tragen mag, müsste es billig ablegen, um bloss und ganz das Vorstellen seines Vorgestellten, und sonst nichts, zu seyn; alle Zustände des Begehrens und Füh- lens, in die es gerathen kann, müssten wegbleiben, wenn es vollständig die Function eines Begriffs im psychologi- schen Sinn erfüllen sollte. -- Wo, nach gewohnter
wie die Vorstellung zu ihrem Vorgestellten. Folglich wird jener um so unvollkommner seyn, je ungleicher die Stärke ist, mit welcher die Elemente des complicir- ten Vorstellens sich beysammen finden.
2) Die Merkmale des Begriffs gehören, logisch ge- nommen, alle vollkommen genau zu einander. Aber die Psychologie kennt unvollkommne Complicationen, (§. 63. etc.), diese werden, als Begriffe betrachtet, ent- weder zu viel oder zu wenig Verbindung darbieten.
3) In logischer Hinsicht hat jeder Begriff seine Stelle unter den übrigen, die ihm durch irgend eine Clas- sification angewiesen wird. Uebersetzen wir dies in eine psychologische Forderung: so sollen die Begriffe, aus ihren zufälligen Verschmelzungen nicht bloſs her- aus, sondern in andre, ihnen wesentlich zukommende, hineingerückt werden.
4) Der Classification gehören alle Begriffe, die auf dergleichen Subordinationsstufe stehen, in gleichem Grade an. Alle ungleichmäſsige Auffassung der verschiedenen coordinirten Gegenstände bringt also einen Fehler in das psychologische System der Begriffe.
Betrachten wir dagegen den psychologischen Ursprung der Vorstellungen, so bemerken wir:
5) Unsre Vorstellungen erwachsen allmählig aus mo- mentanen Auffassungen, aus gleichartigen, wiederhohlten, und zum Theil verschmolzenen Wahrnehmungen, bey welchen noch obendrein verwickelte Gesetze der abneh- menden und erneuerten Empfänglichkeit Statt finden. Alles Eigne und Zufällige, was ein gewisses gleichartiges Vorstellen vermöge der Elemente und Umstände, aus und unter denen es zusammengeflossen ist, noch an sich tragen mag, müſste es billig ablegen, um bloſs und ganz das Vorstellen seines Vorgestellten, und sonst nichts, zu seyn; alle Zustände des Begehrens und Füh- lens, in die es gerathen kann, müſsten wegbleiben, wenn es vollständig die Function eines Begriffs im psychologi- schen Sinn erfüllen sollte. — Wo, nach gewohnter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0215"n="180"/>
wie die Vorstellung zu ihrem Vorgestellten. Folglich<lb/>
wird jener um so unvollkommner seyn, je <hirendition="#g">ungleicher</hi><lb/>
die Stärke ist, mit welcher die Elemente des complicir-<lb/>
ten Vorstellens sich beysammen finden.</p><lb/><p>2) Die Merkmale des Begriffs gehören, logisch ge-<lb/>
nommen, alle <hirendition="#g">vollkommen</hi> genau zu einander. Aber<lb/>
die Psychologie kennt unvollkommne Complicationen,<lb/>
(§. 63. etc.), diese werden, als Begriffe betrachtet, <hirendition="#g">ent-<lb/>
weder zu viel oder zu wenig</hi> Verbindung darbieten.</p><lb/><p>3) In logischer Hinsicht hat jeder Begriff seine<lb/>
Stelle unter den übrigen, die ihm durch irgend eine Clas-<lb/>
sification angewiesen wird. Uebersetzen wir dies in eine<lb/>
psychologische Forderung: so sollen die Begriffe, <hirendition="#g">aus<lb/>
ihren zufälligen Verschmelzungen</hi> nicht bloſs <hirendition="#g">her-<lb/>
aus</hi>, sondern <hirendition="#g">in andre</hi>, ihnen wesentlich zukommende,<lb/>
hineingerückt werden.</p><lb/><p>4) Der Classification gehören alle Begriffe, die auf<lb/>
dergleichen Subordinationsstufe stehen, in gleichem Grade<lb/>
an. Alle ungleichmäſsige Auffassung der verschiedenen<lb/>
coordinirten Gegenstände bringt also einen Fehler in das<lb/>
psychologische System der Begriffe.</p><lb/><p>Betrachten wir dagegen den psychologischen Ursprung<lb/>
der Vorstellungen, so bemerken wir:</p><lb/><p>5) Unsre Vorstellungen erwachsen allmählig aus mo-<lb/>
mentanen Auffassungen, aus gleichartigen, wiederhohlten,<lb/>
und zum Theil verschmolzenen Wahrnehmungen, bey<lb/>
welchen noch obendrein verwickelte Gesetze der abneh-<lb/>
menden und erneuerten Empfänglichkeit Statt finden.<lb/>
Alles Eigne und Zufällige, was ein gewisses gleichartiges<lb/>
Vorstellen vermöge der Elemente und Umstände, aus<lb/>
und unter denen es zusammengeflossen ist, noch an sich<lb/>
tragen mag, müſste es billig ablegen, um <hirendition="#g">bloſs</hi> und<lb/><hirendition="#g">ganz</hi> das Vorstellen seines Vorgestellten, <hirendition="#g">und sonst<lb/>
nichts</hi>, zu seyn; alle Zustände des Begehrens und Füh-<lb/>
lens, in die es gerathen kann, müſsten wegbleiben, wenn<lb/>
es vollständig die Function eines Begriffs im psychologi-<lb/>
schen Sinn erfüllen sollte. — Wo, nach gewohnter<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[180/0215]
wie die Vorstellung zu ihrem Vorgestellten. Folglich
wird jener um so unvollkommner seyn, je ungleicher
die Stärke ist, mit welcher die Elemente des complicir-
ten Vorstellens sich beysammen finden.
2) Die Merkmale des Begriffs gehören, logisch ge-
nommen, alle vollkommen genau zu einander. Aber
die Psychologie kennt unvollkommne Complicationen,
(§. 63. etc.), diese werden, als Begriffe betrachtet, ent-
weder zu viel oder zu wenig Verbindung darbieten.
3) In logischer Hinsicht hat jeder Begriff seine
Stelle unter den übrigen, die ihm durch irgend eine Clas-
sification angewiesen wird. Uebersetzen wir dies in eine
psychologische Forderung: so sollen die Begriffe, aus
ihren zufälligen Verschmelzungen nicht bloſs her-
aus, sondern in andre, ihnen wesentlich zukommende,
hineingerückt werden.
4) Der Classification gehören alle Begriffe, die auf
dergleichen Subordinationsstufe stehen, in gleichem Grade
an. Alle ungleichmäſsige Auffassung der verschiedenen
coordinirten Gegenstände bringt also einen Fehler in das
psychologische System der Begriffe.
Betrachten wir dagegen den psychologischen Ursprung
der Vorstellungen, so bemerken wir:
5) Unsre Vorstellungen erwachsen allmählig aus mo-
mentanen Auffassungen, aus gleichartigen, wiederhohlten,
und zum Theil verschmolzenen Wahrnehmungen, bey
welchen noch obendrein verwickelte Gesetze der abneh-
menden und erneuerten Empfänglichkeit Statt finden.
Alles Eigne und Zufällige, was ein gewisses gleichartiges
Vorstellen vermöge der Elemente und Umstände, aus
und unter denen es zusammengeflossen ist, noch an sich
tragen mag, müſste es billig ablegen, um bloſs und
ganz das Vorstellen seines Vorgestellten, und sonst
nichts, zu seyn; alle Zustände des Begehrens und Füh-
lens, in die es gerathen kann, müſsten wegbleiben, wenn
es vollständig die Function eines Begriffs im psychologi-
schen Sinn erfüllen sollte. — Wo, nach gewohnter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/215>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.