Vorstellen in der Seele bleibt, und sich in so weit zu einer Totalkraft sammelt, als die von Anfang an eintre- tende Hemmung es gestattet.
Wenn bey gegebener Gelegenheit diese Totalkraft, nachdem sie schon völlig gehemmt war, ihr Vorgestelltes wieder ins Bewusstseyn bringt, (nach §. 81--93.) dann heisst sie Einbildung; und hieraus kann Erinnerung werden, wofern dieselbe in Verbindung mit einer ganzen Reihe verschmolzener Vorstellungen, vollends wenn die- selben etwas Zeitliches zu erkennen geben, (§. 116.) wie- der hervortritt.
Sehen wir nun auf die Art und Weise, wie unsre Vorstellungen ins Bewusstseyn kommen, so sind diesel- ben immer, entweder Wahrnehmungen oder Einbildun- gen, von welchen letztern die Erinnerungen nur eine Spe- cies ausmachen. Wann denn haben wir Begriffe?
Wir haben dieselben nicht irgend einmal, zu einer gewissen Zeit; wir haben sie nicht neben und ausser den Wahrnehmungen und Einbildungen *), son- dern wir schreiben uns Begriffe in so fern zu, in wiefern wir abstrahiren von dem Eintritt unse- rer Vorstellungen ins Bewusstseyn, und dagegen darauf reflectiren, dass sie sich darin befinden, und ihr Vorgestelltes (den Begriff im logischen Sinne) nun in der That erscheinen lassen.
Allein mit dieser Erklärung wird man noch nicht ganz zufrieden seyn. Denn man ist nicht gewohnt, sich vermöge einer willkührlich vorzunehmenden, oder zu unterlassenden, Abstraction, seine eignen Vorstellungen bald als Begriffe, bald als Einbildungen zu denken. -- Aber eine willkührliche Abstraction geht nur hier, in der Wissenschaft vor. Was die gemeine Auffassung anlangt,
*) Zu den Einbildungen kann man auch die Erzeugungen neuer Begriffe rechnen, wovon tiefer unten die Rede seyn wird. Uebrigens ist in der wissenschaftlichen Sprache Einbildung nicht Täuschung, sondern es hat dies Wort den nämlichen Sinn wie in dem Ausdrucke Einbildungskraft.
Vorstellen in der Seele bleibt, und sich in so weit zu einer Totalkraft sammelt, als die von Anfang an eintre- tende Hemmung es gestattet.
Wenn bey gegebener Gelegenheit diese Totalkraft, nachdem sie schon völlig gehemmt war, ihr Vorgestelltes wieder ins Bewuſstseyn bringt, (nach §. 81—93.) dann heiſst sie Einbildung; und hieraus kann Erinnerung werden, wofern dieselbe in Verbindung mit einer ganzen Reihe verschmolzener Vorstellungen, vollends wenn die- selben etwas Zeitliches zu erkennen geben, (§. 116.) wie- der hervortritt.
Sehen wir nun auf die Art und Weise, wie unsre Vorstellungen ins Bewuſstseyn kommen, so sind diesel- ben immer, entweder Wahrnehmungen oder Einbildun- gen, von welchen letztern die Erinnerungen nur eine Spe- cies ausmachen. Wann denn haben wir Begriffe?
Wir haben dieselben nicht irgend einmal, zu einer gewissen Zeit; wir haben sie nicht neben und auſser den Wahrnehmungen und Einbildungen *), son- dern wir schreiben uns Begriffe in so fern zu, in wiefern wir abstrahiren von dem Eintritt unse- rer Vorstellungen ins Bewuſstseyn, und dagegen darauf reflectiren, daſs sie sich darin befinden, und ihr Vorgestelltes (den Begriff im logischen Sinne) nun in der That erscheinen lassen.
Allein mit dieser Erklärung wird man noch nicht ganz zufrieden seyn. Denn man ist nicht gewohnt, sich vermöge einer willkührlich vorzunehmenden, oder zu unterlassenden, Abstraction, seine eignen Vorstellungen bald als Begriffe, bald als Einbildungen zu denken. — Aber eine willkührliche Abstraction geht nur hier, in der Wissenschaft vor. Was die gemeine Auffassung anlangt,
*) Zu den Einbildungen kann man auch die Erzeugungen neuer Begriffe rechnen, wovon tiefer unten die Rede seyn wird. Uebrigens ist in der wissenschaftlichen Sprache Einbildung nicht Täuschung, sondern es hat dies Wort den nämlichen Sinn wie in dem Ausdrucke Einbildungskraft.
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Vorstellen in der Seele bleibt, und sich in so weit zu
einer Totalkraft sammelt, als die von Anfang an eintre-
tende Hemmung es gestattet.
Wenn bey gegebener Gelegenheit diese Totalkraft,
nachdem sie schon völlig gehemmt war, ihr Vorgestelltes
wieder ins Bewuſstseyn bringt, (nach §. 81—93.) dann
heiſst sie Einbildung; und hieraus kann Erinnerung
werden, wofern dieselbe in Verbindung mit einer ganzen
Reihe verschmolzener Vorstellungen, vollends wenn die-
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der hervortritt.
Sehen wir nun auf die Art und Weise, wie unsre
Vorstellungen ins Bewuſstseyn kommen, so sind diesel-
ben immer, entweder Wahrnehmungen oder Einbildun-
gen, von welchen letztern die Erinnerungen nur eine Spe-
cies ausmachen. Wann denn haben wir Begriffe?
Wir haben dieselben nicht irgend einmal, zu
einer gewissen Zeit; wir haben sie nicht neben und
auſser den Wahrnehmungen und Einbildungen *), son-
dern wir schreiben uns Begriffe in so fern zu, in
wiefern wir abstrahiren von dem Eintritt unse-
rer Vorstellungen ins Bewuſstseyn, und dagegen
darauf reflectiren, daſs sie sich darin befinden, und ihr
Vorgestelltes (den Begriff im logischen Sinne) nun
in der That erscheinen lassen.
Allein mit dieser Erklärung wird man noch nicht
ganz zufrieden seyn. Denn man ist nicht gewohnt, sich
vermöge einer willkührlich vorzunehmenden, oder zu
unterlassenden, Abstraction, seine eignen Vorstellungen
bald als Begriffe, bald als Einbildungen zu denken. —
Aber eine willkührliche Abstraction geht nur hier, in der
Wissenschaft vor. Was die gemeine Auffassung anlangt,
*) Zu den Einbildungen kann man auch die Erzeugungen neuer
Begriffe rechnen, wovon tiefer unten die Rede seyn wird. Uebrigens
ist in der wissenschaftlichen Sprache Einbildung nicht Täuschung,
sondern es hat dies Wort den nämlichen Sinn wie in dem Ausdrucke
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/213>, abgerufen am 24.11.2024.
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