Umstände vor, die zusammen gehören: das Nicht- Schneiden, der gleiche Abstand, und die gleiche Richtung. Diese drey Umstände mussten gleich in der Construction der Parallelen mit gleicher Deutlichkeit, und in ihrer nothwendigen Verbindung, zugleich hervortreten; aber die künstlichen Mittel, durch die man sie hinten- nach zusammenfügen will, sind nichts als Nothbehelfe, welche selbst dann, wenn sie vor der geometrischen Kri- tik sich rechtfertigen könnten, (wenn das, was die Geo- meter unter dem Namen einer Parallelentheorie noch im- mer suchen, gefunden würde,) die frühere Vernachläs- sigung nicht wieder gut zu machen im Stande wären. Ich weiss nicht, ob ich es den Geometern werde recht machen können; aber auf folgendes will ich aufmerksam machen.
Die Ebene umgiebt den Punct, der in ihr liegt; und man kann aus ihm in sie treten. Man vollziehe dies Heraustreten mit der mindesten Bewegung, aber auf eine bestimmte Weise. Alsdann ergiebt sich:
1) Der Punct, den man verliess, liegt nun mitten zwischen der Stelle, wohin man gelangt ist, und einer andern, von der man sich genau um eben soviel entfernt hat, als um wieviel man fortrückte. Geht man rückwärts, das heisst, tritt man wieder in den Punct, aus dem man kam, so nähert man sich jener Stelle um eben- soviel.
2) Bey der ersten Fortrückung hat man einen Theil der Ebene dergestalt durchschnitten, dass dieselbe zu beyden Seiten liegen blieb; und man ist neben dem, was zerschnitten wurde, vorübergegangen. Ohne Zweifel konnte man auch in dieses Nebenliegende der Ebene aus dem Puncte übergehn; man kann also auch jetzt den gemachten Uebergang dergestalt verändern, dass er in das Nebenliegende der einen oder der andern Seite ein- trifft. Aber diese beyden Veränderungen sind entgegen- gesetzt; der erste Uebergang liegt mitten zwischen ihnen, die Veränderung nach der einen Seite hin ist also
Umstände vor, die zusammen gehören: das Nicht- Schneiden, der gleiche Abstand, und die gleiche Richtung. Diese drey Umstände muſsten gleich in der Construction der Parallelen mit gleicher Deutlichkeit, und in ihrer nothwendigen Verbindung, zugleich hervortreten; aber die künstlichen Mittel, durch die man sie hinten- nach zusammenfügen will, sind nichts als Nothbehelfe, welche selbst dann, wenn sie vor der geometrischen Kri- tik sich rechtfertigen könnten, (wenn das, was die Geo- meter unter dem Namen einer Parallelentheorie noch im- mer suchen, gefunden würde,) die frühere Vernachläs- sigung nicht wieder gut zu machen im Stande wären. Ich weiſs nicht, ob ich es den Geometern werde recht machen können; aber auf folgendes will ich aufmerksam machen.
Die Ebene umgiebt den Punct, der in ihr liegt; und man kann aus ihm in sie treten. Man vollziehe dies Heraustreten mit der mindesten Bewegung, aber auf eine bestimmte Weise. Alsdann ergiebt sich:
1) Der Punct, den man verlieſs, liegt nun mitten zwischen der Stelle, wohin man gelangt ist, und einer andern, von der man sich genau um eben soviel entfernt hat, als um wieviel man fortrückte. Geht man rückwärts, das heiſst, tritt man wieder in den Punct, aus dem man kam, so nähert man sich jener Stelle um eben- soviel.
2) Bey der ersten Fortrückung hat man einen Theil der Ebene dergestalt durchschnitten, daſs dieselbe zu beyden Seiten liegen blieb; und man ist neben dem, was zerschnitten wurde, vorübergegangen. Ohne Zweifel konnte man auch in dieses Nebenliegende der Ebene aus dem Puncte übergehn; man kann also auch jetzt den gemachten Uebergang dergestalt verändern, daſs er in das Nebenliegende der einen oder der andern Seite ein- trifft. Aber diese beyden Veränderungen sind entgegen- gesetzt; der erste Uebergang liegt mitten zwischen ihnen, die Veränderung nach der einen Seite hin ist also
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Umstände vor, die zusammen gehören: das Nicht-
Schneiden, der gleiche Abstand, und die gleiche
Richtung. Diese drey Umstände muſsten gleich in der
Construction der Parallelen mit gleicher Deutlichkeit, und
in ihrer nothwendigen Verbindung, zugleich hervortreten;
aber die künstlichen Mittel, durch die man sie hinten-
nach zusammenfügen will, sind nichts als Nothbehelfe,
welche selbst dann, wenn sie vor der geometrischen Kri-
tik sich rechtfertigen könnten, (wenn das, was die Geo-
meter unter dem Namen einer Parallelentheorie noch im-
mer suchen, gefunden würde,) die frühere Vernachläs-
sigung nicht wieder gut zu machen im Stande wären.
Ich weiſs nicht, ob ich es den Geometern werde recht
machen können; aber auf folgendes will ich aufmerksam
machen.
Die Ebene umgiebt den Punct, der in ihr liegt;
und man kann aus ihm in sie treten. Man vollziehe
dies Heraustreten mit der mindesten Bewegung, aber auf
eine bestimmte Weise. Alsdann ergiebt sich:
1) Der Punct, den man verlieſs, liegt nun mitten
zwischen der Stelle, wohin man gelangt ist, und einer
andern, von der man sich genau um eben soviel
entfernt hat, als um wieviel man fortrückte. Geht man
rückwärts, das heiſst, tritt man wieder in den Punct, aus
dem man kam, so nähert man sich jener Stelle um eben-
soviel.
2) Bey der ersten Fortrückung hat man einen Theil
der Ebene dergestalt durchschnitten, daſs dieselbe zu
beyden Seiten liegen blieb; und man ist neben dem,
was zerschnitten wurde, vorübergegangen. Ohne Zweifel
konnte man auch in dieses Nebenliegende der Ebene
aus dem Puncte übergehn; man kann also auch jetzt den
gemachten Uebergang dergestalt verändern, daſs er in
das Nebenliegende der einen oder der andern Seite ein-
trifft. Aber diese beyden Veränderungen sind entgegen-
gesetzt; der erste Uebergang liegt mitten zwischen
ihnen, die Veränderung nach der einen Seite hin ist also
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/184>, abgerufen am 25.11.2024.
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