rung an das Mehr-vergangene ist schwächer als die an das Näherliegende. Diese Reproductionsgesetze müssen ganz genau gemerkt werden.
Nun wird man auch die Reproduction der Rhyth- men begreifen können. Man mag a, b, c, als Noten von verschiedenem Zeitwerthe betrachten: so ist nur nö- thig zu bedenken, dass bey längern Noten die ersten momentanen Auffassungen, (welche wegen der abneh- menden Empfänglichkeit die stärksten sind,) mehr Zeit haben zu sinken, bevor sie mit den nachfolgenden No- ten verschmelzen, und dass sie eben deshalb langsamer reproduciren; dagegen die kürzeren Noten aus dem um- gekehrten Grunde eine schnellere Reproduction des Nach- folgenden bewirken.
Uebrigens ist wohl zu bemerken, dass wir hier nur eine Reproduction in ähnlicher Folge haben, als worin die Wahrnehmung gegeben wurde; also eine Vorstel- lungs-Reihe; aber noch keine Vorstellung des Suc- cessiven als eines solchen, vielweniger eine Vorstellung der Zeit selbst. Dies muss unter andern deshalb beach- tet werden, damit es nicht scheine, als ob die Vorstel- lung des Räumlichen, die auf einem successiven Vor- stellen beruht, deshalb die Vorstellung von etwas Suc- cessivem als Merkmal enthalte.
§. 113.
Von dem Vorstehenden die Anwendung auf das Räumliche zu machen, ist leicht. Eine bunte Fläche gehe in gerader Richtung vor dem Auge vorüber, -- oder auch, es sey das Auge, was sich umgekehrt bewege, und die Fläche bleibe in Ruhe: so würde hiebey, ganz wie oben, eine Folge von Wahrnehmungen entstehen, wenn jedesmal nur der Mittelpunct des Gesichtsfeldes sichtbar wäre, und alles Umgebende völlig finster. Statt dessen ist der mittlere Theil des Gesichtsfeldes am meisten sichtbar; das seitwärts Liegende aber ist um desto un- bedeutender, weil nach der Hemmung die Reste der Vorstellungen verhältnissmässig noch weit mehr an Stärke
rung an das Mehr-vergangene ist schwächer als die an das Näherliegende. Diese Reproductionsgesetze müssen ganz genau gemerkt werden.
Nun wird man auch die Reproduction der Rhyth- men begreifen können. Man mag a, b, c, als Noten von verschiedenem Zeitwerthe betrachten: so ist nur nö- thig zu bedenken, daſs bey längern Noten die ersten momentanen Auffassungen, (welche wegen der abneh- menden Empfänglichkeit die stärksten sind,) mehr Zeit haben zu sinken, bevor sie mit den nachfolgenden No- ten verschmelzen, und daſs sie eben deshalb langsamer reproduciren; dagegen die kürzeren Noten aus dem um- gekehrten Grunde eine schnellere Reproduction des Nach- folgenden bewirken.
Uebrigens ist wohl zu bemerken, daſs wir hier nur eine Reproduction in ähnlicher Folge haben, als worin die Wahrnehmung gegeben wurde; also eine Vorstel- lungs-Reihe; aber noch keine Vorstellung des Suc- cessiven als eines solchen, vielweniger eine Vorstellung der Zeit selbst. Dies muſs unter andern deshalb beach- tet werden, damit es nicht scheine, als ob die Vorstel- lung des Räumlichen, die auf einem successiven Vor- stellen beruht, deshalb die Vorstellung von etwas Suc- cessivem als Merkmal enthalte.
§. 113.
Von dem Vorstehenden die Anwendung auf das Räumliche zu machen, ist leicht. Eine bunte Fläche gehe in gerader Richtung vor dem Auge vorüber, — oder auch, es sey das Auge, was sich umgekehrt bewege, und die Fläche bleibe in Ruhe: so würde hiebey, ganz wie oben, eine Folge von Wahrnehmungen entstehen, wenn jedesmal nur der Mittelpunct des Gesichtsfeldes sichtbar wäre, und alles Umgebende völlig finster. Statt dessen ist der mittlere Theil des Gesichtsfeldes am meisten sichtbar; das seitwärts Liegende aber ist um desto un- bedeutender, weil nach der Hemmung die Reste der Vorstellungen verhältniſsmäſsig noch weit mehr an Stärke
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rung an das Mehr-vergangene ist schwächer als die an
das Näherliegende. Diese Reproductionsgesetze
müssen ganz genau gemerkt werden.
Nun wird man auch die Reproduction der Rhyth-
men begreifen können. Man mag a, b, c, als Noten
von verschiedenem Zeitwerthe betrachten: so ist nur nö-
thig zu bedenken, daſs bey längern Noten die ersten
momentanen Auffassungen, (welche wegen der abneh-
menden Empfänglichkeit die stärksten sind,) mehr Zeit
haben zu sinken, bevor sie mit den nachfolgenden No-
ten verschmelzen, und daſs sie eben deshalb langsamer
reproduciren; dagegen die kürzeren Noten aus dem um-
gekehrten Grunde eine schnellere Reproduction des Nach-
folgenden bewirken.
Uebrigens ist wohl zu bemerken, daſs wir hier nur
eine Reproduction in ähnlicher Folge haben, als worin
die Wahrnehmung gegeben wurde; also eine Vorstel-
lungs-Reihe; aber noch keine Vorstellung des Suc-
cessiven als eines solchen, vielweniger eine Vorstellung
der Zeit selbst. Dies muſs unter andern deshalb beach-
tet werden, damit es nicht scheine, als ob die Vorstel-
lung des Räumlichen, die auf einem successiven Vor-
stellen beruht, deshalb die Vorstellung von etwas Suc-
cessivem als Merkmal enthalte.
§. 113.
Von dem Vorstehenden die Anwendung auf das
Räumliche zu machen, ist leicht. Eine bunte Fläche
gehe in gerader Richtung vor dem Auge vorüber, — oder
auch, es sey das Auge, was sich umgekehrt bewege, und
die Fläche bleibe in Ruhe: so würde hiebey, ganz wie
oben, eine Folge von Wahrnehmungen entstehen, wenn
jedesmal nur der Mittelpunct des Gesichtsfeldes sichtbar
wäre, und alles Umgebende völlig finster. Statt dessen
ist der mittlere Theil des Gesichtsfeldes am meisten
sichtbar; das seitwärts Liegende aber ist um desto un-
bedeutender, weil nach der Hemmung die Reste der
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/168>, abgerufen am 24.11.2024.
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