wenn man das beschauende Auge und den tastenden Finger vorwärts und rückwärts bewegt.
Denn beym Vorwärtsgehn sinken allmählig die er- sten Auffassungen, und verschmelzen, während des Sin- kens sich abstufend, immer weniger und weniger mit den Nachfolgenden. Beym mindesten Rückkehren aber gera- then sämmtliche früheren Auffassungen, begünstigt durch die eben jetzt hinzukommenden, die ihnen gleichen, ins Steigen; und mit diesem Steigen ist ein nisus zur Repro- duction aller übrigen verbunden, dessen Geschwindigkeit genau dieselben Abstufungen hat wie die zuvor gesche- hene Verschmelzung.
Dies nun ist das Wesentliche, was der Leser su- then muss sich gleich jetzt so deutlich zu denken, als es ihm gelingen will. Er wird alsdann gewahr werden, dass jede Vorstellung allen ihre Plätze anweis't, in denen sie sich neben und zwischen einander lagern müssen; während doch der Actus des Vorstellens rein intensiv ist und bleibt.
Das ruhende Auge aber sicht keinen Raum. Dies ist in der Erfahrung etwas schwer zu erkennen, weil wir so leicht den längst bekannten Raum erschleichen und einschieben. Doch versuche man, ganz starr vor sich hinzusehen; man wird spüren, dass der Raum schwindet, und dass, im Bemühen, ihn wieder zu gewinnen, man sich über einer kaum merklichen Bewegung des Auges ertappen kann. Beym Beschauen neuer Gegenstände ist übrigens die unaufhörliche Regsamkeit, womit der Blick die Gestalt umläuft, sehr leicht wahrzunehmen.
Die räumliche Auffassung liegt also nicht in der allerersten, unmittelbaren Wahrnehmung, hier kann sie nicht liegen, denn es ist evident, dass die vollkommne Intensität des Vorstellens, so lange noch die Vorstellun- gen in eine einzige Masse zusammenschmelzen, und so lange jede für alle nur einen einzigen, gleichennisus der Reproduction aufzubieten hat, alle Räumlichkeit auf- hebt. Vielmehr kommt allerdings aus dem Innern etwas
wenn man das beschauende Auge und den tastenden Finger vorwärts und rückwärts bewegt.
Denn beym Vorwärtsgehn sinken allmählig die er- sten Auffassungen, und verschmelzen, während des Sin- kens sich abstufend, immer weniger und weniger mit den Nachfolgenden. Beym mindesten Rückkehren aber gera- then sämmtliche früheren Auffassungen, begünstigt durch die eben jetzt hinzukommenden, die ihnen gleichen, ins Steigen; und mit diesem Steigen ist ein nisus zur Repro- duction aller übrigen verbunden, dessen Geschwindigkeit genau dieselben Abstufungen hat wie die zuvor gesche- hene Verschmelzung.
Dies nun ist das Wesentliche, was der Leser su- then muſs sich gleich jetzt so deutlich zu denken, als es ihm gelingen will. Er wird alsdann gewahr werden, daſs jede Vorstellung allen ihre Plätze anweis’t, in denen sie sich neben und zwischen einander lagern müssen; während doch der Actus des Vorstellens rein intensiv ist und bleibt.
Das ruhende Auge aber sicht keinen Raum. Dies ist in der Erfahrung etwas schwer zu erkennen, weil wir so leicht den längst bekannten Raum erschleichen und einschieben. Doch versuche man, ganz starr vor sich hinzusehen; man wird spüren, daſs der Raum schwindet, und daſs, im Bemühen, ihn wieder zu gewinnen, man sich über einer kaum merklichen Bewegung des Auges ertappen kann. Beym Beschauen neuer Gegenstände ist übrigens die unaufhörliche Regsamkeit, womit der Blick die Gestalt umläuft, sehr leicht wahrzunehmen.
Die räumliche Auffassung liegt also nicht in der allerersten, unmittelbaren Wahrnehmung, hier kann sie nicht liegen, denn es ist evident, daſs die vollkommne Intensität des Vorstellens, so lange noch die Vorstellun- gen in eine einzige Masse zusammenschmelzen, und so lange jede für alle nur einen einzigen, gleichennisus der Reproduction aufzubieten hat, alle Räumlichkeit auf- hebt. Vielmehr kommt allerdings aus dem Innern etwas
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wenn man das beschauende Auge und den tastenden
Finger vorwärts und rückwärts bewegt.
Denn beym Vorwärtsgehn sinken allmählig die er-
sten Auffassungen, und verschmelzen, während des Sin-
kens sich abstufend, immer weniger und weniger mit den
Nachfolgenden. Beym mindesten Rückkehren aber gera-
then sämmtliche früheren Auffassungen, begünstigt durch
die eben jetzt hinzukommenden, die ihnen gleichen, ins
Steigen; und mit diesem Steigen ist ein nisus zur Repro-
duction aller übrigen verbunden, dessen Geschwindigkeit
genau dieselben Abstufungen hat wie die zuvor gesche-
hene Verschmelzung.
Dies nun ist das Wesentliche, was der Leser su-
then muſs sich gleich jetzt so deutlich zu denken, als es
ihm gelingen will. Er wird alsdann gewahr werden, daſs
jede Vorstellung allen ihre Plätze anweis’t, in denen
sie sich neben und zwischen einander lagern müssen;
während doch der Actus des Vorstellens rein intensiv ist
und bleibt.
Das ruhende Auge aber sicht keinen Raum. Dies
ist in der Erfahrung etwas schwer zu erkennen, weil wir
so leicht den längst bekannten Raum erschleichen und
einschieben. Doch versuche man, ganz starr vor sich
hinzusehen; man wird spüren, daſs der Raum schwindet,
und daſs, im Bemühen, ihn wieder zu gewinnen, man
sich über einer kaum merklichen Bewegung des Auges
ertappen kann. Beym Beschauen neuer Gegenstände
ist übrigens die unaufhörliche Regsamkeit, womit der
Blick die Gestalt umläuft, sehr leicht wahrzunehmen.
Die räumliche Auffassung liegt also nicht in der
allerersten, unmittelbaren Wahrnehmung, hier kann sie
nicht liegen, denn es ist evident, daſs die vollkommne
Intensität des Vorstellens, so lange noch die Vorstellun-
gen in eine einzige Masse zusammenschmelzen, und so
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/162>, abgerufen am 27.11.2024.
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