dem erhöhten Lebensgefühl, welches mit jedem neu ge- bildeten Syllogismus, ja mit jeder neuen Combination jeder neu gewonnenen Ansicht verbunden ist.
3) Es scheinen nun zuvörderst alle Gefühle der Lu- stigkeit und Munterkeit zu dem ersten, und theilweise auch zu dem zweyten der beyden hier angegebenen Fälle zu gehören, denn eine oft schnelle, manchmal auch lang- samere, stets aber aus mehrern, correspondirenden Vorstellungsreihen zusammengesetzte Bewegung und neue Aufregung des Geistes ist leicht darin zu spüren. Diese Gefühle sind es, welche ich, sammt ihrem Gegen- theile, ganz eigentlich durch die Worte Lust und Un- lust, dem Sprachgebrauche gemäss glaube bezeichnen zu müssen. Weiter unten mehr davon!
4) Es giebt eine Menge von Gegenständen, de- ren eigenthümliche Beschaffenheit es mit sich bringt, ja von denen ein Theil sogar künstlich darauf eingerichtet ist, dass ein auffassender Geist, ein Zuschauer, wenn er sich ihnen hingiebt, und nicht schon von entgegenwir- kenden Gedanken angefüllt ist, in mehrere Vorstellungs- reihen eingeführt werden muss, deren correspondirendes, sich gegen Hindernisse gemeinsam aufarbeitendes Ablau- fen, die zuvor beschriebene gegenseitige Befriedigung mit sich bringt. Es giebt ferner Beschäfftigungen, die darauf eingerichtet sind, dass sie mancherley, zum Theil dem Zufall überlassene, Combinationen von ähnlicher Wirkung, wie jene Gegenstände, hervorbringen können. Solche Beschäfftigungen, in so weit sie ausserdem kei- nen Zweck haben, nennt man Spiele; jene Gegenstände aber, in so fern sie von der Wirkung, auf die sie be- rechnet sind oder scheinen, ein Prädicat erhalten, gehö- ren zu der Klasse der ästhetischen Gegenstände; und ihre Aehnlichkeit mit dem Spiele ist durch die Sprache längst anerkannt, denn man redet vom Spiele eines Künstlers, vom Schauspiele, u. d. gl.
5) Damit ist aber nicht gesagt, dass Alles Aesthe- tische nur Spiel sey, wie Manche sich einzubilden
dem erhöhten Lebensgefühl, welches mit jedem neu ge- bildeten Syllogismus, ja mit jeder neuen Combination jeder neu gewonnenen Ansicht verbunden ist.
3) Es scheinen nun zuvörderst alle Gefühle der Lu- stigkeit und Munterkeit zu dem ersten, und theilweise auch zu dem zweyten der beyden hier angegebenen Fälle zu gehören, denn eine oft schnelle, manchmal auch lang- samere, stets aber aus mehrern, correspondirenden Vorstellungsreihen zusammengesetzte Bewegung und neue Aufregung des Geistes ist leicht darin zu spüren. Diese Gefühle sind es, welche ich, sammt ihrem Gegen- theile, ganz eigentlich durch die Worte Lust und Un- lust, dem Sprachgebrauche gemäſs glaube bezeichnen zu müssen. Weiter unten mehr davon!
4) Es giebt eine Menge von Gegenständen, de- ren eigenthümliche Beschaffenheit es mit sich bringt, ja von denen ein Theil sogar künstlich darauf eingerichtet ist, daſs ein auffassender Geist, ein Zuschauer, wenn er sich ihnen hingiebt, und nicht schon von entgegenwir- kenden Gedanken angefüllt ist, in mehrere Vorstellungs- reihen eingeführt werden muſs, deren correspondirendes, sich gegen Hindernisse gemeinsam aufarbeitendes Ablau- fen, die zuvor beschriebene gegenseitige Befriedigung mit sich bringt. Es giebt ferner Beschäfftigungen, die darauf eingerichtet sind, daſs sie mancherley, zum Theil dem Zufall überlassene, Combinationen von ähnlicher Wirkung, wie jene Gegenstände, hervorbringen können. Solche Beschäfftigungen, in so weit sie auſserdem kei- nen Zweck haben, nennt man Spiele; jene Gegenstände aber, in so fern sie von der Wirkung, auf die sie be- rechnet sind oder scheinen, ein Prädicat erhalten, gehö- ren zu der Klasse der ästhetischen Gegenstände; und ihre Aehnlichkeit mit dem Spiele ist durch die Sprache längst anerkannt, denn man redet vom Spiele eines Künstlers, vom Schauspiele, u. d. gl.
5) Damit ist aber nicht gesagt, daſs Alles Aesthe- tische nur Spiel sey, wie Manche sich einzubilden
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dem erhöhten Lebensgefühl, welches mit jedem neu ge-
bildeten Syllogismus, ja mit jeder neuen Combination
jeder neu gewonnenen Ansicht verbunden ist.
3) Es scheinen nun zuvörderst alle Gefühle der Lu-
stigkeit und Munterkeit zu dem ersten, und theilweise
auch zu dem zweyten der beyden hier angegebenen Fälle
zu gehören, denn eine oft schnelle, manchmal auch lang-
samere, stets aber aus mehrern, correspondirenden
Vorstellungsreihen zusammengesetzte Bewegung und
neue Aufregung des Geistes ist leicht darin zu spüren.
Diese Gefühle sind es, welche ich, sammt ihrem Gegen-
theile, ganz eigentlich durch die Worte Lust und Un-
lust, dem Sprachgebrauche gemäſs glaube bezeichnen zu
müssen. Weiter unten mehr davon!
4) Es giebt eine Menge von Gegenständen, de-
ren eigenthümliche Beschaffenheit es mit sich bringt, ja
von denen ein Theil sogar künstlich darauf eingerichtet
ist, daſs ein auffassender Geist, ein Zuschauer, wenn er
sich ihnen hingiebt, und nicht schon von entgegenwir-
kenden Gedanken angefüllt ist, in mehrere Vorstellungs-
reihen eingeführt werden muſs, deren correspondirendes,
sich gegen Hindernisse gemeinsam aufarbeitendes Ablau-
fen, die zuvor beschriebene gegenseitige Befriedigung mit
sich bringt. Es giebt ferner Beschäfftigungen, die
darauf eingerichtet sind, daſs sie mancherley, zum Theil
dem Zufall überlassene, Combinationen von ähnlicher
Wirkung, wie jene Gegenstände, hervorbringen können.
Solche Beschäfftigungen, in so weit sie auſserdem kei-
nen Zweck haben, nennt man Spiele; jene Gegenstände
aber, in so fern sie von der Wirkung, auf die sie be-
rechnet sind oder scheinen, ein Prädicat erhalten, gehö-
ren zu der Klasse der ästhetischen Gegenstände;
und ihre Aehnlichkeit mit dem Spiele ist durch die Sprache
längst anerkannt, denn man redet vom Spiele eines
Künstlers, vom Schauspiele, u. d. gl.
5) Damit ist aber nicht gesagt, daſs Alles Aesthe-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/123>, abgerufen am 22.11.2024.
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