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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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worfen haben.) Die Neuheit der Gefühle, nämlich von
Lust und Unlust, ist deshalb für ihre Stärke wichtig,
weil die Gemüthslage, die aus den wider einanderwirken-
den Vorstellungen entspringt, nicht haltbar ist, sondern
sich, eben durch die Thätigkeit dieser Vorstellungen
selbst, insbesondre durch das Sinken der Hemmungs-
summen, allmählig in einen ruhigern Zustand verlieren
muss. Uebrigens kann Niemand behaupten, dass die Ge-
fühle gerade im Augenblicke des Entstehens ihr Maxi-
mum hätten, wie dieses von der Stärke der augenblick-
lichen Wahrnehmung gilt, nach obigen Lehrsätzen.

Herr Professor Maass fährt fort:

"Denn 1) Je mehr ein Gefühl noch neu und unge-
"wohnt ist, desto weniger Fertigkeit hat das Gefühlver-
"mögen schon erlangt, dasselbe aufzufassen, und desto
"mehr muss es sich also dabey anstrengen. Je mehr
"dies aber der Fall ist, desto mehr beschäfftigt uns das
"Gefühl, und desto stärker ist es also."

Sollen wir dies wörtlich nehmen: so ist das Gefühl-
vermögen nicht etwan ein Vermögen, Gefühle zu er-
zeugen
, sondern irgend welche, vermuthlich schon vor-
handene, Gefühle aufzufassen. Wir wollen nicht fra-
gen, woher denn die aufzufassenden Gefühle kommen,
und wie sie in das Gefühlvermögen hineinkommen mögen.
Nur folgendes dringt sich auf: Eine Fertigkeit macht
ihren Besitzer geschickter zu seinem Geschäfft, und das
Werk dieser Fertigkeit wird durch sie selbst grösser und
vollständiger. Hier aber lernen wir ein Vermögen (näm-
lich das Gefühlvermögen,) kennen, das seine Sachen um
so besser macht, je weniger Fertigkeit es hat; und des-
sen Product, (das Gefühl,) um so geringfügiger ausfällt,
je mehr die Fertigkeit zunimmt!

"2) Alles Neue spannt die Aufmerksamkeit an, und
"setzt die Kräfte in Bewegung. Denn es giebt, oder
"verspricht, (wenn auch oft nur dem Scheine nach), eine
"Erweiterung unserer Erkenntniss und eine Vermehrung

worfen haben.) Die Neuheit der Gefühle, nämlich von
Lust und Unlust, ist deshalb für ihre Stärke wichtig,
weil die Gemüthslage, die aus den wider einanderwirken-
den Vorstellungen entspringt, nicht haltbar ist, sondern
sich, eben durch die Thätigkeit dieser Vorstellungen
selbst, insbesondre durch das Sinken der Hemmungs-
summen, allmählig in einen ruhigern Zustand verlieren
muſs. Uebrigens kann Niemand behaupten, daſs die Ge-
fühle gerade im Augenblicke des Entstehens ihr Maxi-
mum hätten, wie dieses von der Stärke der augenblick-
lichen Wahrnehmung gilt, nach obigen Lehrsätzen.

Herr Professor Maaſs fährt fort:

„Denn 1) Je mehr ein Gefühl noch neu und unge-
„wohnt ist, desto weniger Fertigkeit hat das Gefühlver-
„mögen schon erlangt, dasselbe aufzufassen, und desto
„mehr muſs es sich also dabey anstrengen. Je mehr
„dies aber der Fall ist, desto mehr beschäfftigt uns das
„Gefühl, und desto stärker ist es also.“

Sollen wir dies wörtlich nehmen: so ist das Gefühl-
vermögen nicht etwan ein Vermögen, Gefühle zu er-
zeugen
, sondern irgend welche, vermuthlich schon vor-
handene, Gefühle aufzufassen. Wir wollen nicht fra-
gen, woher denn die aufzufassenden Gefühle kommen,
und wie sie in das Gefühlvermögen hineinkommen mögen.
Nur folgendes dringt sich auf: Eine Fertigkeit macht
ihren Besitzer geschickter zu seinem Geschäfft, und das
Werk dieser Fertigkeit wird durch sie selbst gröſser und
vollständiger. Hier aber lernen wir ein Vermögen (näm-
lich das Gefühlvermögen,) kennen, das seine Sachen um
so besser macht, je weniger Fertigkeit es hat; und des-
sen Product, (das Gefühl,) um so geringfügiger ausfällt,
je mehr die Fertigkeit zunimmt!

„2) Alles Neue spannt die Aufmerksamkeit an, und
„setzt die Kräfte in Bewegung. Denn es giebt, oder
„verspricht, (wenn auch oft nur dem Scheine nach), eine
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[76/0111] worfen haben.) Die Neuheit der Gefühle, nämlich von Lust und Unlust, ist deshalb für ihre Stärke wichtig, weil die Gemüthslage, die aus den wider einanderwirken- den Vorstellungen entspringt, nicht haltbar ist, sondern sich, eben durch die Thätigkeit dieser Vorstellungen selbst, insbesondre durch das Sinken der Hemmungs- summen, allmählig in einen ruhigern Zustand verlieren muſs. Uebrigens kann Niemand behaupten, daſs die Ge- fühle gerade im Augenblicke des Entstehens ihr Maxi- mum hätten, wie dieses von der Stärke der augenblick- lichen Wahrnehmung gilt, nach obigen Lehrsätzen. Herr Professor Maaſs fährt fort: „Denn 1) Je mehr ein Gefühl noch neu und unge- „wohnt ist, desto weniger Fertigkeit hat das Gefühlver- „mögen schon erlangt, dasselbe aufzufassen, und desto „mehr muſs es sich also dabey anstrengen. Je mehr „dies aber der Fall ist, desto mehr beschäfftigt uns das „Gefühl, und desto stärker ist es also.“ Sollen wir dies wörtlich nehmen: so ist das Gefühl- vermögen nicht etwan ein Vermögen, Gefühle zu er- zeugen, sondern irgend welche, vermuthlich schon vor- handene, Gefühle aufzufassen. Wir wollen nicht fra- gen, woher denn die aufzufassenden Gefühle kommen, und wie sie in das Gefühlvermögen hineinkommen mögen. Nur folgendes dringt sich auf: Eine Fertigkeit macht ihren Besitzer geschickter zu seinem Geschäfft, und das Werk dieser Fertigkeit wird durch sie selbst gröſser und vollständiger. Hier aber lernen wir ein Vermögen (näm- lich das Gefühlvermögen,) kennen, das seine Sachen um so besser macht, je weniger Fertigkeit es hat; und des- sen Product, (das Gefühl,) um so geringfügiger ausfällt, je mehr die Fertigkeit zunimmt! „2) Alles Neue spannt die Aufmerksamkeit an, und „setzt die Kräfte in Bewegung. Denn es giebt, oder „verspricht, (wenn auch oft nur dem Scheine nach), eine „Erweiterung unserer Erkenntniſs und eine Vermehrung

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/111>, abgerufen am 28.11.2024.