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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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silber aber weder die Nässe noch die Durchsichtigkeit
des Wassers, sondern neben der Flüssigkeit den Glanz
und die vorzügliche Schwere. Auch hier liegt in der Ma-
terie der Empfindung keinesweges die Gruppirung dersel-
ben; und in den vorgeblichen Formen des Verstandes
kann sie eben so wenig liegen, weil diese sich ge-
gen alle die verschiedenen Vorstellungen ver-
schiedener Substanzen auf gleiche Weise ver-
halten müssen
.

Eine beynahe unbegreifliche Mischung der richtigen
Ansichten, nach welchen die Vorstellungen selbst die
Kräfte in der Seele sind, und des falschen Bestrebens,
Seelenvermögen zu spalten (nämlich wenn die vorige
richtige Erklärungsart irgendwo nicht ganz leicht von
selbst sich darbietet): geht nun bey Herrn Fries immer
weiter fort. Er findet §. 79. den ersten Grund der Ab-
straction darin, dass in ähnlichen Vorstellungen, welche
im Gemüth zugleich verstärkt werden, die ihnen gemein-
schaftliche Theilvorstellung mehr verstärkt wird, als die un-
terscheidende Nebenvorstellung. Dieses reicht zwar nicht
hin zur Erklärung; denn die angehängte Clausel: das Ge-
meinschaftliche könne also abgesondert vorgestellt werden,
ist eine grosse Uebereilung und Unwahrheit. Dennoch
ist der erstere Gedanke richtig, und in der That um so
mehr zu schätzen, weil wir damit das Abstractionsver-
mögen, als ob es etwas Besonderes und für sich zu Be-
trachtendes in der Seele wäre, beseitigen können; und
weil hier die Verbindung zwischen der sogenannten Ein-
bildungskraft und dem sogenannten Verstande anfängt her-
vorzuleuchten.

Die Psychologie des Herrn Fries würde nach sol-
chen Proben sich ohne Zweifel besser dabey befinden,
wenn er sie einmal zum Mittelpuncte eines wissenschaft-
lichen Strebens machte, als so lange er sie nur als den
Vorhof der Philosophie betrachtet *). Ohne Zweifel ver-

*) Man sieht leicht, dass diese Stelle vor vielen Jahren ist nie-
dergeschrieben worden.

silber aber weder die Nässe noch die Durchsichtigkeit
des Wassers, sondern neben der Flüssigkeit den Glanz
und die vorzügliche Schwere. Auch hier liegt in der Ma-
terie der Empfindung keinesweges die Gruppirung dersel-
ben; und in den vorgeblichen Formen des Verstandes
kann sie eben so wenig liegen, weil diese sich ge-
gen alle die verschiedenen Vorstellungen ver-
schiedener Substanzen auf gleiche Weise ver-
halten müssen
.

Eine beynahe unbegreifliche Mischung der richtigen
Ansichten, nach welchen die Vorstellungen selbst die
Kräfte in der Seele sind, und des falschen Bestrebens,
Seelenvermögen zu spalten (nämlich wenn die vorige
richtige Erklärungsart irgendwo nicht ganz leicht von
selbst sich darbietet): geht nun bey Herrn Fries immer
weiter fort. Er findet §. 79. den ersten Grund der Ab-
straction darin, daſs in ähnlichen Vorstellungen, welche
im Gemüth zugleich verstärkt werden, die ihnen gemein-
schaftliche Theilvorstellung mehr verstärkt wird, als die un-
terscheidende Nebenvorstellung. Dieses reicht zwar nicht
hin zur Erklärung; denn die angehängte Clausel: das Ge-
meinschaftliche könne also abgesondert vorgestellt werden,
ist eine groſse Uebereilung und Unwahrheit. Dennoch
ist der erstere Gedanke richtig, und in der That um so
mehr zu schätzen, weil wir damit das Abstractionsver-
mögen, als ob es etwas Besonderes und für sich zu Be-
trachtendes in der Seele wäre, beseitigen können; und
weil hier die Verbindung zwischen der sogenannten Ein-
bildungskraft und dem sogenannten Verstande anfängt her-
vorzuleuchten.

Die Psychologie des Herrn Fries würde nach sol-
chen Proben sich ohne Zweifel besser dabey befinden,
wenn er sie einmal zum Mittelpuncte eines wissenschaft-
lichen Strebens machte, als so lange er sie nur als den
Vorhof der Philosophie betrachtet *). Ohne Zweifel ver-

*) Man sieht leicht, daſs diese Stelle vor vielen Jahren ist nie-
dergeschrieben worden.
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[70/0090] silber aber weder die Nässe noch die Durchsichtigkeit des Wassers, sondern neben der Flüssigkeit den Glanz und die vorzügliche Schwere. Auch hier liegt in der Ma- terie der Empfindung keinesweges die Gruppirung dersel- ben; und in den vorgeblichen Formen des Verstandes kann sie eben so wenig liegen, weil diese sich ge- gen alle die verschiedenen Vorstellungen ver- schiedener Substanzen auf gleiche Weise ver- halten müssen. Eine beynahe unbegreifliche Mischung der richtigen Ansichten, nach welchen die Vorstellungen selbst die Kräfte in der Seele sind, und des falschen Bestrebens, Seelenvermögen zu spalten (nämlich wenn die vorige richtige Erklärungsart irgendwo nicht ganz leicht von selbst sich darbietet): geht nun bey Herrn Fries immer weiter fort. Er findet §. 79. den ersten Grund der Ab- straction darin, daſs in ähnlichen Vorstellungen, welche im Gemüth zugleich verstärkt werden, die ihnen gemein- schaftliche Theilvorstellung mehr verstärkt wird, als die un- terscheidende Nebenvorstellung. Dieses reicht zwar nicht hin zur Erklärung; denn die angehängte Clausel: das Ge- meinschaftliche könne also abgesondert vorgestellt werden, ist eine groſse Uebereilung und Unwahrheit. Dennoch ist der erstere Gedanke richtig, und in der That um so mehr zu schätzen, weil wir damit das Abstractionsver- mögen, als ob es etwas Besonderes und für sich zu Be- trachtendes in der Seele wäre, beseitigen können; und weil hier die Verbindung zwischen der sogenannten Ein- bildungskraft und dem sogenannten Verstande anfängt her- vorzuleuchten. Die Psychologie des Herrn Fries würde nach sol- chen Proben sich ohne Zweifel besser dabey befinden, wenn er sie einmal zum Mittelpuncte eines wissenschaft- lichen Strebens machte, als so lange er sie nur als den Vorhof der Philosophie betrachtet *). Ohne Zweifel ver- *) Man sieht leicht, daſs diese Stelle vor vielen Jahren ist nie- dergeschrieben worden.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/90>, abgerufen am 22.11.2024.