Erst der Coefficient für t3 bekommt einen realen Werth. Damit ist der merkwürdige Satz bewiesen, dass die Bewegung der wieder hervortretenden Vor- stellung sich Anfangs verhält wie der Cubus der Zeit; so dass sie weniger scheinen muss hervor- zutreten als vielmehr hervorzuspringen.
Es ist übrigens sehr natürlich, dass durch eine fort- dauernde Wahrnehmung, die ihr gleichartige ältere Vor- stellung mehr hervorgeschnellt wird, als durch den Stoss, welchen eine plötzlich hinzukommende, dann gleich von der Hemmung ergriffene, neue Vorstellung, auszuüben vermag. Aus dem Stosse erfolgt eine im ersten Zeittheil- chen schnellere, aber nicht so sehr beschleunigte Bewe- gung (obgleich auch da noch eine Beschleunigung statt findet, da wir oben sahen, dass die Bewegung sich An- fangs nach dem Quadrate der Zeit richtet). Die eben gefundene Erhebung der älteren Vorstellung, gemäss dem Cubus der Zeit, geht in den ersten Zeittheilchen langsa- mer, weil die hervorrufende Wahrnehmung sich nur all- mählig bildet; jedoch bald um so geschwinder, weil je- der Augenblick die Begünstigung vermehrt, vermöge wel- cher die zuvor unterdrückte Kraft sich jetzo in einem freyern Raume ausbreitet.
Sechstes Capitel. Ueber Abnahme und Erneuerung der Empfäng- lichkeit.
§. 98.
Jedes Continuum möglicher Vorstellungen ist zugleich ein Continuum möglicher Selbsterhaltungen der Seele. Und zu solchen Vorstellungen, die unendlich nahe sind, gehö- ren Selbsterhaltungen fast von völlig gleicher Art, deren
eine
Erst der Coëfficient für t3 bekommt einen realen Werth. Damit ist der merkwürdige Satz bewiesen, daſs die Bewegung der wieder hervortretenden Vor- stellung sich Anfangs verhält wie der Cubus der Zeit; so daſs sie weniger scheinen muſs hervor- zutreten als vielmehr hervorzuspringen.
Es ist übrigens sehr natürlich, daſs durch eine fort- dauernde Wahrnehmung, die ihr gleichartige ältere Vor- stellung mehr hervorgeschnellt wird, als durch den Stoſs, welchen eine plötzlich hinzukommende, dann gleich von der Hemmung ergriffene, neue Vorstellung, auszuüben vermag. Aus dem Stoſse erfolgt eine im ersten Zeittheil- chen schnellere, aber nicht so sehr beschleunigte Bewe- gung (obgleich auch da noch eine Beschleunigung statt findet, da wir oben sahen, daſs die Bewegung sich An- fangs nach dem Quadrate der Zeit richtet). Die eben gefundene Erhebung der älteren Vorstellung, gemäſs dem Cubus der Zeit, geht in den ersten Zeittheilchen langsa- mer, weil die hervorrufende Wahrnehmung sich nur all- mählig bildet; jedoch bald um so geschwinder, weil je- der Augenblick die Begünstigung vermehrt, vermöge wel- cher die zuvor unterdrückte Kraft sich jetzo in einem freyern Raume ausbreitet.
Sechstes Capitel. Ueber Abnahme und Erneuerung der Empfäng- lichkeit.
§. 98.
Jedes Continuum möglicher Vorstellungen ist zugleich ein Continuum möglicher Selbsterhaltungen der Seele. Und zu solchen Vorstellungen, die unendlich nahe sind, gehö- ren Selbsterhaltungen fast von völlig gleicher Art, deren
eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0356"n="336"/><p>Erst der Coëfficient für <hirendition="#i">t</hi><hirendition="#sup">3</hi> bekommt einen realen<lb/>
Werth. Damit ist der merkwürdige Satz bewiesen, <hirendition="#g">daſs<lb/>
die Bewegung der wieder hervortretenden Vor-<lb/>
stellung sich Anfangs verhält wie der Cubus<lb/>
der Zeit</hi>; so daſs sie weniger scheinen muſs <hirendition="#g">hervor-<lb/>
zutreten</hi> als vielmehr <hirendition="#g">hervorzuspringen</hi>.</p><lb/><p>Es ist übrigens sehr natürlich, daſs durch eine fort-<lb/>
dauernde Wahrnehmung, die ihr gleichartige ältere Vor-<lb/>
stellung mehr hervorgeschnellt wird, als durch den Stoſs,<lb/>
welchen eine plötzlich hinzukommende, dann gleich von<lb/>
der Hemmung ergriffene, neue Vorstellung, auszuüben<lb/>
vermag. Aus dem Stoſse erfolgt eine im ersten Zeittheil-<lb/>
chen schnellere, aber nicht so sehr beschleunigte Bewe-<lb/>
gung (obgleich auch da noch eine Beschleunigung statt<lb/>
findet, da wir oben sahen, daſs die Bewegung sich An-<lb/>
fangs nach dem Quadrate der Zeit richtet). Die eben<lb/>
gefundene Erhebung der älteren Vorstellung, gemäſs dem<lb/>
Cubus der Zeit, geht in den ersten Zeittheilchen langsa-<lb/>
mer, weil die hervorrufende Wahrnehmung sich nur all-<lb/>
mählig bildet; jedoch bald um so geschwinder, weil je-<lb/>
der Augenblick die Begünstigung vermehrt, vermöge wel-<lb/>
cher die zuvor unterdrückte Kraft sich jetzo in einem<lb/>
freyern Raume ausbreitet.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#i"><hirendition="#g">Sechstes Capitel</hi></hi>.<lb/>
Ueber Abnahme und Erneuerung der Empfäng-<lb/>
lichkeit.</head><lb/><divn="4"><head>§. 98.</head><lb/><p>Jedes Continuum möglicher Vorstellungen ist zugleich<lb/>
ein Continuum möglicher Selbsterhaltungen der Seele. Und<lb/>
zu solchen Vorstellungen, die unendlich nahe sind, gehö-<lb/>
ren Selbsterhaltungen fast von völlig gleicher Art, deren<lb/><fwplace="bottom"type="catch">eine</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[336/0356]
Erst der Coëfficient für t3 bekommt einen realen
Werth. Damit ist der merkwürdige Satz bewiesen, daſs
die Bewegung der wieder hervortretenden Vor-
stellung sich Anfangs verhält wie der Cubus
der Zeit; so daſs sie weniger scheinen muſs hervor-
zutreten als vielmehr hervorzuspringen.
Es ist übrigens sehr natürlich, daſs durch eine fort-
dauernde Wahrnehmung, die ihr gleichartige ältere Vor-
stellung mehr hervorgeschnellt wird, als durch den Stoſs,
welchen eine plötzlich hinzukommende, dann gleich von
der Hemmung ergriffene, neue Vorstellung, auszuüben
vermag. Aus dem Stoſse erfolgt eine im ersten Zeittheil-
chen schnellere, aber nicht so sehr beschleunigte Bewe-
gung (obgleich auch da noch eine Beschleunigung statt
findet, da wir oben sahen, daſs die Bewegung sich An-
fangs nach dem Quadrate der Zeit richtet). Die eben
gefundene Erhebung der älteren Vorstellung, gemäſs dem
Cubus der Zeit, geht in den ersten Zeittheilchen langsa-
mer, weil die hervorrufende Wahrnehmung sich nur all-
mählig bildet; jedoch bald um so geschwinder, weil je-
der Augenblick die Begünstigung vermehrt, vermöge wel-
cher die zuvor unterdrückte Kraft sich jetzo in einem
freyern Raume ausbreitet.
Sechstes Capitel.
Ueber Abnahme und Erneuerung der Empfäng-
lichkeit.
§. 98.
Jedes Continuum möglicher Vorstellungen ist zugleich
ein Continuum möglicher Selbsterhaltungen der Seele. Und
zu solchen Vorstellungen, die unendlich nahe sind, gehö-
ren Selbsterhaltungen fast von völlig gleicher Art, deren
eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/356>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.