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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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verschmelze und das Entgegengesetzte sich hemme: son-
dern man muss die Verschmelzung ansehen als etwas, das
wegen eines gewissen Grades von Gleichartigkeit der Vor-
stellungen sich ereignen sollte, das aber in dem Gegen-
satze ein Hinderniss antreffe. Alsdann wird eine vorläu-
fige Berechnung nöthig, in wie weit dies Hinderniss über-
wunden werden, und dem gemäss die Verschmelzung
wirklich vor sich gehen könne.

Ehe wir uns auf die eben erwähnte Berechnung ein-
lassen, wollen wir überlegen, was der Erfolg einer wirk-
lichen Verschmelzung seyn möge? Keinesweges eine
Verminderung der Hemmungssumme; sondern bloss eine
Verrückung des Hemmungsverhältnisses: dies ist schon
aus dem obigen klar. Denn die Verschmelzung bringt
gewisse Totalkräfte hervor, die nun in einem andern Ver-
hältnisse, als es die Stärke der Vorstellungen ursprüng-
lich mit sich brachte, der Hemmung entgegenwirken, --
derselben Hemmung, welche in dem Widerstreitenden
der Vorstellungen einmal liegt, und welche sich nicht
verändern kann, weil sonst diese Vorstellungen nicht
mehr die nämlichen bleiben würden. -- Allein das Hem-
mungsverhältniss kann auch nicht plötzlich verrückt
werden. Sonst müsste das Hinderniss, welches durch das
Streben zur Verschmelzung erst soll überwunden werden,
plötzlich entweichen; ein unmöglicher Sprung, wie durch
Betrachtungen des folgenden Abschnittes noch klärer wer-
den wird, und wie man hier einstweilen als wahrschein-
lich einräumen mag. Nun hat die Hemmungssumme ihr
Gesetz, nach welchem sie fortdauernd sinkt; ein Um-
stand, der ebenfalls in den folgenden Abschnitt gehört.
Man denke sich also die Hemmungssumme fortwährend
im Sinken begriffen; aber in der nämlichen Zeit das Hem-
mungsverhältniss unaufhörlich verändert: so wird man ein-
sehn, dass, wofern eine wirkliche Verschmelzung zu Stande
kommt, die Frage nach dem Quantum des Gehemmten
für jede einzelne Vorstellung nicht mehr eine statische
Frage, wie bisher, sondern eine mechanische ist. Denn

verschmelze und das Entgegengesetzte sich hemme: son-
dern man muſs die Verschmelzung ansehen als etwas, das
wegen eines gewissen Grades von Gleichartigkeit der Vor-
stellungen sich ereignen sollte, das aber in dem Gegen-
satze ein Hinderniſs antreffe. Alsdann wird eine vorläu-
fige Berechnung nöthig, in wie weit dies Hinderniſs über-
wunden werden, und dem gemäſs die Verschmelzung
wirklich vor sich gehen könne.

Ehe wir uns auf die eben erwähnte Berechnung ein-
lassen, wollen wir überlegen, was der Erfolg einer wirk-
lichen Verschmelzung seyn möge? Keinesweges eine
Verminderung der Hemmungssumme; sondern bloſs eine
Verrückung des Hemmungsverhältnisses: dies ist schon
aus dem obigen klar. Denn die Verschmelzung bringt
gewisse Totalkräfte hervor, die nun in einem andern Ver-
hältnisse, als es die Stärke der Vorstellungen ursprüng-
lich mit sich brachte, der Hemmung entgegenwirken, —
derselben Hemmung, welche in dem Widerstreitenden
der Vorstellungen einmal liegt, und welche sich nicht
verändern kann, weil sonst diese Vorstellungen nicht
mehr die nämlichen bleiben würden. — Allein das Hem-
mungsverhältniſs kann auch nicht plötzlich verrückt
werden. Sonst müſste das Hinderniſs, welches durch das
Streben zur Verschmelzung erst soll überwunden werden,
plötzlich entweichen; ein unmöglicher Sprung, wie durch
Betrachtungen des folgenden Abschnittes noch klärer wer-
den wird, und wie man hier einstweilen als wahrschein-
lich einräumen mag. Nun hat die Hemmungssumme ihr
Gesetz, nach welchem sie fortdauernd sinkt; ein Um-
stand, der ebenfalls in den folgenden Abschnitt gehört.
Man denke sich also die Hemmungssumme fortwährend
im Sinken begriffen; aber in der nämlichen Zeit das Hem-
mungsverhältniſs unaufhörlich verändert: so wird man ein-
sehn, daſs, wofern eine wirkliche Verschmelzung zu Stande
kommt, die Frage nach dem Quantum des Gehemmten
für jede einzelne Vorstellung nicht mehr eine statische
Frage, wie bisher, sondern eine mechanische ist. Denn

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[235/0255] verschmelze und das Entgegengesetzte sich hemme: son- dern man muſs die Verschmelzung ansehen als etwas, das wegen eines gewissen Grades von Gleichartigkeit der Vor- stellungen sich ereignen sollte, das aber in dem Gegen- satze ein Hinderniſs antreffe. Alsdann wird eine vorläu- fige Berechnung nöthig, in wie weit dies Hinderniſs über- wunden werden, und dem gemäſs die Verschmelzung wirklich vor sich gehen könne. Ehe wir uns auf die eben erwähnte Berechnung ein- lassen, wollen wir überlegen, was der Erfolg einer wirk- lichen Verschmelzung seyn möge? Keinesweges eine Verminderung der Hemmungssumme; sondern bloſs eine Verrückung des Hemmungsverhältnisses: dies ist schon aus dem obigen klar. Denn die Verschmelzung bringt gewisse Totalkräfte hervor, die nun in einem andern Ver- hältnisse, als es die Stärke der Vorstellungen ursprüng- lich mit sich brachte, der Hemmung entgegenwirken, — derselben Hemmung, welche in dem Widerstreitenden der Vorstellungen einmal liegt, und welche sich nicht verändern kann, weil sonst diese Vorstellungen nicht mehr die nämlichen bleiben würden. — Allein das Hem- mungsverhältniſs kann auch nicht plötzlich verrückt werden. Sonst müſste das Hinderniſs, welches durch das Streben zur Verschmelzung erst soll überwunden werden, plötzlich entweichen; ein unmöglicher Sprung, wie durch Betrachtungen des folgenden Abschnittes noch klärer wer- den wird, und wie man hier einstweilen als wahrschein- lich einräumen mag. Nun hat die Hemmungssumme ihr Gesetz, nach welchem sie fortdauernd sinkt; ein Um- stand, der ebenfalls in den folgenden Abschnitt gehört. Man denke sich also die Hemmungssumme fortwährend im Sinken begriffen; aber in der nämlichen Zeit das Hem- mungsverhältniſs unaufhörlich verändert: so wird man ein- sehn, daſs, wofern eine wirkliche Verschmelzung zu Stande kommt, die Frage nach dem Quantum des Gehemmten für jede einzelne Vorstellung nicht mehr eine statische Frage, wie bisher, sondern eine mechanische ist. Denn

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/255>, abgerufen am 24.11.2024.