absolute Position geradezu ausschlägt *). In solchen Ge- gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen. Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun- rungen und Selbsterhaltungen.
Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten eines Wesens; sie sind aber nichts äusseres, oder nach aussen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor- stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal- tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele.
Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge- mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel- chen man gehen muss, um die Beweise der vorhin auf- gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird. Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta- physik nicht bloss anzusehen, sondern ernstlich zu durch- denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber- schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi- schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne- ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ-
*) Bequemere Dienste, als die äusserst gedrängten Hauptpuncte der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta- physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso- phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson- ders §. 113.
absolute Position geradezu ausschlägt *). In solchen Ge- gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen. Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun- rungen und Selbsterhaltungen.
Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten eines Wesens; sie sind aber nichts äuſseres, oder nach auſsen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor- stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal- tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele.
Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge- mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel- chen man gehen muſs, um die Beweise der vorhin auf- gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird. Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta- physik nicht bloſs anzusehen, sondern ernstlich zu durch- denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber- schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi- schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne- ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ-
*) Bequemere Dienste, als die äuſserst gedrängten Hauptpuncte der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta- physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso- phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson- ders §. 113.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0139"n="119"/>
absolute Position geradezu ausschlägt <noteplace="foot"n="*)">Bequemere Dienste, als die äuſserst gedrängten Hauptpuncte<lb/>
der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta-<lb/>
physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso-<lb/>
phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson-<lb/>
ders §. 113.</note>. In solchen Ge-<lb/>
gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann<lb/>
die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich<lb/>
vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen.<lb/>
Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu<lb/>
denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und<lb/>
andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun-<lb/>
rungen und Selbsterhaltungen.</p><lb/><p>Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten<lb/>
eines Wesens; sie sind aber nichts äuſseres, oder nach<lb/>
auſsen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar<lb/>
zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor-<lb/>
stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal-<lb/>
tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die<lb/>
Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele.</p><lb/><p>Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge-<lb/>
mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel-<lb/>
chen man gehen muſs, um die Beweise der vorhin auf-<lb/>
gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise<lb/>
kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen<lb/>
dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle<lb/>
unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird.<lb/>
Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben<lb/>
der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta-<lb/>
physik nicht bloſs anzusehen, sondern ernstlich zu durch-<lb/>
denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber-<lb/>
schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi-<lb/>
schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die<lb/>
zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu<lb/>
Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird<lb/>
eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne-<lb/>
ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[119/0139]
absolute Position geradezu ausschlägt *). In solchen Ge-
gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann
die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich
vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen.
Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu
denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und
andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun-
rungen und Selbsterhaltungen.
Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten
eines Wesens; sie sind aber nichts äuſseres, oder nach
auſsen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar
zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor-
stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal-
tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die
Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele.
Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge-
mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel-
chen man gehen muſs, um die Beweise der vorhin auf-
gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise
kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen
dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle
unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird.
Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben
der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta-
physik nicht bloſs anzusehen, sondern ernstlich zu durch-
denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber-
schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi-
schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die
zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu
Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird
eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne-
ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ-
*) Bequemere Dienste, als die äuſserst gedrängten Hauptpuncte
der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta-
physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso-
phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson-
ders §. 113.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/139>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.