sie hinauszuschwingen; man sieht ein Klettern an der Kantischen Kategorien-Leiter, ungeachtet der sehr wah- ren Bemerkung, die Kategorien seyen zwar nach einer Tafel der Urtheilsformen, diese aber nach gar keinem Princip geordnet; welches freylich so viel heisst, als, sie sey unzuverlässig, und von keinem sichern Gebrauche; -- man findet eine Art von Versprechen, ein Gegenstück zu Spinoza's Ethik aufzustellen, woraus bekanntlich ein Seitenstück geworden ist, weil der nüchterne Geist Spinoza's mit allen seinen Fehlern, denn doch mächti- ger war, als der phantastische, der ihm entgegen treten wollte; man findet endlich eine bewundernswerthe Leich- tigkeit, sich in Fichte's Redensarten einzuüben, um das Ich, dessen Tiefe Fichte zu ergründen suchte, nach der Dimension der Breite auseinander zu ziehen. Schon hier erwacht die Begeisterung für jene unglückliche Ein- heit, in welcher das Wesen des Menschen bestehen, und darum das Sollen mit dem Seyn in ein Chaos zu- sammengeworfen werden soll; das Vorspiel des bekann- ten Satzes:
Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig;
eines Satzes, für den glücklicherweise die Menschheit nicht träge genug ist; denn nach dem Vernünftigen, wel- ches noch nicht ist aber werden soll, strebt sie wirk- lich; nur oftmals mit verkehrtem Ungestüm, weil ihr das Vernünftige so vorschwebt, als wäre es schon ganz nahe, und liesse sich mit ein paar raschen Schritten erreichen. Von diesem verkehrten Ungestüm, der das verdirbt, was er gewinnen will, giebt gleich der Anfang des vorhin ge- nannten Buchs ein Beyspiel, das statt aller dienen kann. Man vernehme die enthusiastische Rede:
"Wer etwas wissen will, will zugleich, dass sein "Wissen Realität habe. Ein Wissen ohne Realität "ist kein Wissen. Was folgt daraus?
"Entweder muss unser Wissen schlechthin ohne "Realität -- ein ewiger Kreislauf (?), ein beständi-
sie hinauszuschwingen; man sieht ein Klettern an der Kantischen Kategorien-Leiter, ungeachtet der sehr wah- ren Bemerkung, die Kategorien seyen zwar nach einer Tafel der Urtheilsformen, diese aber nach gar keinem Princip geordnet; welches freylich so viel heiſst, als, sie sey unzuverlässig, und von keinem sichern Gebrauche; — man findet eine Art von Versprechen, ein Gegenstück zu Spinoza’s Ethik aufzustellen, woraus bekanntlich ein Seitenstück geworden ist, weil der nüchterne Geist Spinoza’s mit allen seinen Fehlern, denn doch mächti- ger war, als der phantastische, der ihm entgegen treten wollte; man findet endlich eine bewundernswerthe Leich- tigkeit, sich in Fichte’s Redensarten einzuüben, um das Ich, dessen Tiefe Fichte zu ergründen suchte, nach der Dimension der Breite auseinander zu ziehen. Schon hier erwacht die Begeisterung für jene unglückliche Ein- heit, in welcher das Wesen des Menschen bestehen, und darum das Sollen mit dem Seyn in ein Chaos zu- sammengeworfen werden soll; das Vorspiel des bekann- ten Satzes:
Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig;
eines Satzes, für den glücklicherweise die Menschheit nicht träge genug ist; denn nach dem Vernünftigen, wel- ches noch nicht ist aber werden soll, strebt sie wirk- lich; nur oftmals mit verkehrtem Ungestüm, weil ihr das Vernünftige so vorschwebt, als wäre es schon ganz nahe, und lieſse sich mit ein paar raschen Schritten erreichen. Von diesem verkehrten Ungestüm, der das verdirbt, was er gewinnen will, giebt gleich der Anfang des vorhin ge- nannten Buchs ein Beyspiel, das statt aller dienen kann. Man vernehme die enthusiastische Rede:
„Wer etwas wissen will, will zugleich, daſs sein „Wissen Realität habe. Ein Wissen ohne Realität „ist kein Wissen. Was folgt daraus?
„Entweder muſs unser Wissen schlechthin ohne „Realität — ein ewiger Kreislauf (?), ein beständi-
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sie hinauszuschwingen; man sieht ein Klettern an der
Kantischen Kategorien-Leiter, ungeachtet der sehr wah-
ren Bemerkung, die Kategorien seyen zwar nach einer
Tafel der Urtheilsformen, diese aber nach gar keinem
Princip geordnet; welches freylich so viel heiſst, als, sie
sey unzuverlässig, und von keinem sichern Gebrauche; —
man findet eine Art von Versprechen, ein Gegenstück
zu Spinoza’s Ethik aufzustellen, woraus bekanntlich ein
Seitenstück geworden ist, weil der nüchterne Geist
Spinoza’s mit allen seinen Fehlern, denn doch mächti-
ger war, als der phantastische, der ihm entgegen treten
wollte; man findet endlich eine bewundernswerthe Leich-
tigkeit, sich in Fichte’s Redensarten einzuüben, um das
Ich, dessen Tiefe Fichte zu ergründen suchte, nach
der Dimension der Breite auseinander zu ziehen. Schon
hier erwacht die Begeisterung für jene unglückliche Ein-
heit, in welcher das Wesen des Menschen bestehen,
und darum das Sollen mit dem Seyn in ein Chaos zu-
sammengeworfen werden soll; das Vorspiel des bekann-
ten Satzes:
Was vernünftig ist, das ist wirklich,
und was wirklich ist, das ist vernünftig;
eines Satzes, für den glücklicherweise die Menschheit
nicht träge genug ist; denn nach dem Vernünftigen, wel-
ches noch nicht ist aber werden soll, strebt sie wirk-
lich; nur oftmals mit verkehrtem Ungestüm, weil ihr das
Vernünftige so vorschwebt, als wäre es schon ganz nahe,
und lieſse sich mit ein paar raschen Schritten erreichen.
Von diesem verkehrten Ungestüm, der das verdirbt, was
er gewinnen will, giebt gleich der Anfang des vorhin ge-
nannten Buchs ein Beyspiel, das statt aller dienen kann.
Man vernehme die enthusiastische Rede:
„Wer etwas wissen will, will zugleich, daſs sein
„Wissen Realität habe. Ein Wissen ohne Realität
„ist kein Wissen. Was folgt daraus?
„Entweder muſs unser Wissen schlechthin ohne
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/134>, abgerufen am 27.11.2024.
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