Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

selbe des Begriffs von einem Wesen mit allerley Ver-
mögen gar nicht mehr erwähnen dürfte.


Drittes Capitel.
Vergleichung des Selbstbewusstseyns mit andern
Problemen der allgemeinen Metaphysik.
§. 31.

Dieses Capitel wäre eine blosse Episode, wenn nicht
die vorstehende Untersuchung selbst uns in ein Gebiet
allgemeinerer metaphysischer Fragen hineintriebe.

Auf ein Subject mit mannigfaltigen, zusammen und
wider einander wirkenden Vorstellungen, sind wir geführt
worden. Ist dieses Subject Substanz? Und erzeugt es
seine Vorstellungen von selbst, oder unter äussern Be-
dingungen? Sind diese Vorstellungen ursprünglich Kräfte?
oder kommt ihnen ihre Wirksamkeit, mit der sie wider
einander streben, nur zufälliger Weise, nur unter Um-
ständen zu?

Um leichter verstanden zu werden, will ich es wa-
gen, meine Antwort auf diese Fragen, fürs erste ohne
Beweis, herzusetzen.

Das vorstellende Subject ist eine einfache
Substanz, und führt mit Recht den Namen Seele.
Die Vorstellungen enthalten nichts von aussen
aufgenommenes; jedoch werden sie nicht von
selbst, sondern unter äussern Bedingungen er-
zeugt, und eben so wohl von diesen, als von
der Natur der Seele selbst, ihrer Qualität nach
bestimmt. Die Seele ist demnach nicht ur-
sprünglich eine vorstellende Kraft, sondern sie
wird es unter Umständen. Vollends die Vor-
stellungen, einzeln genommen, sind keineswe-

ges

selbe des Begriffs von einem Wesen mit allerley Ver-
mögen gar nicht mehr erwähnen dürfte.


Drittes Capitel.
Vergleichung des Selbstbewuſstseyns mit andern
Problemen der allgemeinen Metaphysik.
§. 31.

Dieses Capitel wäre eine bloſse Episode, wenn nicht
die vorstehende Untersuchung selbst uns in ein Gebiet
allgemeinerer metaphysischer Fragen hineintriebe.

Auf ein Subject mit mannigfaltigen, zusammen und
wider einander wirkenden Vorstellungen, sind wir geführt
worden. Ist dieses Subject Substanz? Und erzeugt es
seine Vorstellungen von selbst, oder unter äuſsern Be-
dingungen? Sind diese Vorstellungen ursprünglich Kräfte?
oder kommt ihnen ihre Wirksamkeit, mit der sie wider
einander streben, nur zufälliger Weise, nur unter Um-
ständen zu?

Um leichter verstanden zu werden, will ich es wa-
gen, meine Antwort auf diese Fragen, fürs erste ohne
Beweis, herzusetzen.

Das vorstellende Subject ist eine einfache
Substanz, und führt mit Recht den Namen Seele.
Die Vorstellungen enthalten nichts von auſsen
aufgenommenes; jedoch werden sie nicht von
selbst, sondern unter äuſsern Bedingungen er-
zeugt, und eben so wohl von diesen, als von
der Natur der Seele selbst, ihrer Qualität nach
bestimmt. Die Seele ist demnach nicht ur-
sprünglich eine vorstellende Kraft, sondern sie
wird es unter Umständen. Vollends die Vor-
stellungen, einzeln genommen, sind keineswe-

ges
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0132" n="112"/>
selbe des Begriffs von einem Wesen mit allerley Ver-<lb/>
mögen gar nicht mehr erwähnen dürfte.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Drittes Capitel</hi></hi>.<lb/>
Vergleichung des Selbstbewu&#x017F;stseyns mit andern<lb/>
Problemen der allgemeinen Metaphysik.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 31.</head><lb/>
              <p>Dieses Capitel wäre eine blo&#x017F;se Episode, wenn nicht<lb/>
die vorstehende Untersuchung selbst uns in ein Gebiet<lb/>
allgemeinerer metaphysischer Fragen hineintriebe.</p><lb/>
              <p>Auf ein Subject mit mannigfaltigen, zusammen und<lb/>
wider einander wirkenden Vorstellungen, sind wir geführt<lb/>
worden. Ist dieses Subject Substanz? Und erzeugt es<lb/>
seine Vorstellungen von selbst, oder unter äu&#x017F;sern Be-<lb/>
dingungen? Sind diese Vorstellungen ursprünglich Kräfte?<lb/>
oder kommt ihnen ihre Wirksamkeit, mit der sie wider<lb/>
einander streben, nur zufälliger Weise, nur unter Um-<lb/>
ständen zu?</p><lb/>
              <p>Um leichter verstanden zu werden, will ich es wa-<lb/>
gen, meine Antwort auf diese Fragen, fürs erste ohne<lb/>
Beweis, herzusetzen.</p><lb/>
              <p> <hi rendition="#g">Das vorstellende Subject ist eine einfache<lb/>
Substanz, und führt mit Recht den Namen <hi rendition="#i">Seele</hi>.<lb/>
Die Vorstellungen enthalten nichts von au&#x017F;sen<lb/>
aufgenommenes; jedoch werden sie nicht von<lb/>
selbst, sondern unter äu&#x017F;sern Bedingungen er-<lb/>
zeugt, und eben so wohl von diesen, als von<lb/>
der Natur der Seele selbst, ihrer Qualität nach<lb/>
bestimmt. Die Seele ist demnach nicht ur-<lb/>
sprünglich eine vorstellende Kraft, sondern sie<lb/>
wird es unter Umständen. Vollends die Vor-<lb/>
stellungen, einzeln genommen, sind keineswe-</hi><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g">ges</hi> </fw><lb/>
              </p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0132] selbe des Begriffs von einem Wesen mit allerley Ver- mögen gar nicht mehr erwähnen dürfte. Drittes Capitel. Vergleichung des Selbstbewuſstseyns mit andern Problemen der allgemeinen Metaphysik. §. 31. Dieses Capitel wäre eine bloſse Episode, wenn nicht die vorstehende Untersuchung selbst uns in ein Gebiet allgemeinerer metaphysischer Fragen hineintriebe. Auf ein Subject mit mannigfaltigen, zusammen und wider einander wirkenden Vorstellungen, sind wir geführt worden. Ist dieses Subject Substanz? Und erzeugt es seine Vorstellungen von selbst, oder unter äuſsern Be- dingungen? Sind diese Vorstellungen ursprünglich Kräfte? oder kommt ihnen ihre Wirksamkeit, mit der sie wider einander streben, nur zufälliger Weise, nur unter Um- ständen zu? Um leichter verstanden zu werden, will ich es wa- gen, meine Antwort auf diese Fragen, fürs erste ohne Beweis, herzusetzen. Das vorstellende Subject ist eine einfache Substanz, und führt mit Recht den Namen Seele. Die Vorstellungen enthalten nichts von auſsen aufgenommenes; jedoch werden sie nicht von selbst, sondern unter äuſsern Bedingungen er- zeugt, und eben so wohl von diesen, als von der Natur der Seele selbst, ihrer Qualität nach bestimmt. Die Seele ist demnach nicht ur- sprünglich eine vorstellende Kraft, sondern sie wird es unter Umständen. Vollends die Vor- stellungen, einzeln genommen, sind keineswe- ges

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/132
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/132>, abgerufen am 22.12.2024.