den hier zusammenkamen, in der Absicht und Erwartung, hier den Ort zu finden, den die politische Geographie ignoriren dürfe; hier das Asyl zu erreichen, wo man es allenfalls wa- gen könne, keine Zeitung zu lesen. Verlässt Einer diesen Sammelplatz für wissenschaftliche Musse, dann braucht er nur wenige Meilen zu reisen, um Liberale und Conservative von al- len Farben neben sich zu sehen und zu hören. Und geht der junge Mann, der hier eine Zeit- lang studirte, in sein Vaterland zurück, so werden ihn die Eigenheiten, welche ihn dort umringen, bald genug wieder in ihr Gleis brin- gen; er wird den Seinigen um desto weniger entfremdet seyn, je weniger man sich hier um Politik bekümmerte. Wenn dagegen die For- men und Fragen Eines Landes sich vordrän- gen, so müssen die der andern Länder in Schatten treten. Und wo das geschieht, da kann unmöglich in den Studien die gemüthliche Ruhe und Unbefangenheit herrschen, welche Allen, von wannen sie auch kommen, auf der Universität zu wünschen ist.
Auf deutschem Boden, von der Ostsee bis zu den Ufern des Rheins und bis zu dessen Quellen, giebt es gar verschiedene politische Verhältnisse, Erfahrungen, Erinnerungen, Aus- sichten. Es gab auch eine Zeit, -- und nicht
den hier zusammenkamen, in der Absicht und Erwartung, hier den Ort zu finden, den die politische Geographie ignoriren dürfe; hier das Asyl zu erreichen, wo man es allenfalls wa- gen könne, keine Zeitung zu lesen. Verlässt Einer diesen Sammelplatz für wissenschaftliche Musse, dann braucht er nur wenige Meilen zu reisen, um Liberale und Conservative von al- len Farben neben sich zu sehen und zu hören. Und geht der junge Mann, der hier eine Zeit- lang studirte, in sein Vaterland zurück, so werden ihn die Eigenheiten, welche ihn dort umringen, bald genug wieder in ihr Gleis brin- gen; er wird den Seinigen um desto weniger entfremdet seyn, je weniger man sich hier um Politik bekümmerte. Wenn dagegen die For- men und Fragen Eines Landes sich vordrän- gen, so müssen die der andern Länder in Schatten treten. Und wo das geschieht, da kann unmöglich in den Studien die gemüthliche Ruhe und Unbefangenheit herrschen, welche Allen, von wannen sie auch kommen, auf der Universität zu wünschen ist.
Auf deutschem Boden, von der Ostsee bis zu den Ufern des Rheins und bis zu dessen Quellen, giebt es gar verschiedene politische Verhältnisse, Erfahrungen, Erinnerungen, Aus- sichten. Es gab auch eine Zeit, — und nicht
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[23/0027]
den hier zusammenkamen, in der Absicht und
Erwartung, hier den Ort zu finden, den die
politische Geographie ignoriren dürfe; hier das
Asyl zu erreichen, wo man es allenfalls wa-
gen könne, keine Zeitung zu lesen. Verlässt
Einer diesen Sammelplatz für wissenschaftliche
Musse, dann braucht er nur wenige Meilen zu
reisen, um Liberale und Conservative von al-
len Farben neben sich zu sehen und zu hören.
Und geht der junge Mann, der hier eine Zeit-
lang studirte, in sein Vaterland zurück, so
werden ihn die Eigenheiten, welche ihn dort
umringen, bald genug wieder in ihr Gleis brin-
gen; er wird den Seinigen um desto weniger
entfremdet seyn, je weniger man sich hier um
Politik bekümmerte. Wenn dagegen die For-
men und Fragen Eines Landes sich vordrän-
gen, so müssen die der andern Länder in
Schatten treten. Und wo das geschieht, da
kann unmöglich in den Studien die gemüthliche
Ruhe und Unbefangenheit herrschen, welche
Allen, von wannen sie auch kommen, auf der
Universität zu wünschen ist.
Auf deutschem Boden, von der Ostsee bis
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Quellen, giebt es gar verschiedene politische
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Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/27>, abgerufen am 21.01.2025.
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