Vollkommenheit. Sie wollten die Formen, das Wirksame nur, gleichsam in die Seelen zau- bern, das Wesentliche, schier unsichtbar dabey wie die Götter; und verbannten alle Pracht, die das Auge abzieht und den Geist dämpft.
So gebrauchten die großen Mahler dieser Zeit nur die nothwendigsten Farben; und gleiche Bewandtniß hat es mit den Reden des Demo- sthenes, der weit von dem nicht selten eitlen Wortschwall des Cicero entfernt ist. Und so findet man beym Sophokles und Euripides, die früher zur reinen Schönheit gelangten, äu- ßerst wenig oder nichts von dem Spanischen Pomp.
Uns ist von den Meistern, welche die Kunst auf eine höhere Stufe setzten, namentlich nichts übrig. Das meiste sind Bilder und Kopien von Lehrlingen, die man auf die Gipfel der Tempel und Palläste zu Rom und von dessen Landhäu- sern stellte, welche mit der Zeit und in dem Ge-
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Vollkommenheit. Sie wollten die Formen, das Wirkſame nur, gleichſam in die Seelen zau- bern, das Weſentliche, ſchier unſichtbar dabey wie die Goͤtter; und verbannten alle Pracht, die das Auge abzieht und den Geiſt daͤmpft.
So gebrauchten die großen Mahler dieſer Zeit nur die nothwendigſten Farben; und gleiche Bewandtniß hat es mit den Reden des Demo- ſthenes, der weit von dem nicht ſelten eitlen Wortſchwall des Cicero entfernt iſt. Und ſo findet man beym Sophokles und Euripides, die fruͤher zur reinen Schoͤnheit gelangten, aͤu- ßerſt wenig oder nichts von dem Spaniſchen Pomp.
Uns iſt von den Meiſtern, welche die Kunſt auf eine hoͤhere Stufe ſetzten, namentlich nichts uͤbrig. Das meiſte ſind Bilder und Kopien von Lehrlingen, die man auf die Gipfel der Tempel und Pallaͤſte zu Rom und von deſſen Landhaͤu- ſern ſtellte, welche mit der Zeit und in dem Ge-
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Vollkommenheit. Sie wollten die Formen,
das Wirkſame nur, gleichſam in die Seelen zau-
bern, das Weſentliche, ſchier unſichtbar dabey
wie die Goͤtter; und verbannten alle Pracht,
die das Auge abzieht und den Geiſt daͤmpft.
So gebrauchten die großen Mahler dieſer
Zeit nur die nothwendigſten Farben; und gleiche
Bewandtniß hat es mit den Reden des Demo-
ſthenes, der weit von dem nicht ſelten eitlen
Wortſchwall des Cicero entfernt iſt. Und ſo
findet man beym Sophokles und Euripides, die
fruͤher zur reinen Schoͤnheit gelangten, aͤu-
ßerſt wenig oder nichts von dem Spaniſchen
Pomp.
Uns iſt von den Meiſtern, welche die Kunſt
auf eine hoͤhere Stufe ſetzten, namentlich nichts
uͤbrig. Das meiſte ſind Bilder und Kopien von
Lehrlingen, die man auf die Gipfel der Tempel
und Pallaͤſte zu Rom und von deſſen Landhaͤu-
ſern ſtellte, welche mit der Zeit und in dem Ge-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/79>, abgerufen am 22.11.2024.
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