Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

wegen Richtigkeit im Nackenden und Erhaben-
heit seiner Denkungsart: doch hat er wenig Ge-
fühl für schöne Form gehabt, und ein elendes
Auge für Farbe, und war arm an Gestalt.

Raphael ist lauter Herz und Empfindung,
und eine Quelle von Leben und Schönheit, wie
je wenig Sterbliche. Edel und liebenswürdig
und bereit, von seiner Fülle mitzutheilen für
jederman, hat er die Gunst und Bewunderung
von dem Kerne der Menschheit erhalten. Alles
Nackende, was zu unsern Zeiten am Menschen
sichtbar ist, besitzt er in seiner Gewalt. An Ge-
stalt ist keiner reicher als er, und darin fühlt er
einige Gattungen von Seelenschönheit aufs le-
bendigste. Die Farbe war ihm zu sehr Oberflä-
che; im Nackenden hat er aber doch oft ihren
Reiz gefühlt, und besonders bey Köpfen in höch-
ster Vortreflichkeit übergetragen. Die Zaube-
reyen vom Helldunkel sind ihm fremd. Sein
Fehler ist seine Gefälligkeit überall, auch wo sie

nicht
B 5

wegen Richtigkeit im Nackenden und Erhaben-
heit ſeiner Denkungsart: doch hat er wenig Ge-
fuͤhl fuͤr ſchoͤne Form gehabt, und ein elendes
Auge fuͤr Farbe, und war arm an Geſtalt.

Raphael iſt lauter Herz und Empfindung,
und eine Quelle von Leben und Schoͤnheit, wie
je wenig Sterbliche. Edel und liebenswuͤrdig
und bereit, von ſeiner Fuͤlle mitzutheilen fuͤr
jederman, hat er die Gunſt und Bewunderung
von dem Kerne der Menſchheit erhalten. Alles
Nackende, was zu unſern Zeiten am Menſchen
ſichtbar iſt, beſitzt er in ſeiner Gewalt. An Ge-
ſtalt iſt keiner reicher als er, und darin fuͤhlt er
einige Gattungen von Seelenſchoͤnheit aufs le-
bendigſte. Die Farbe war ihm zu ſehr Oberflaͤ-
che; im Nackenden hat er aber doch oft ihren
Reiz gefuͤhlt, und beſonders bey Koͤpfen in hoͤch-
ſter Vortreflichkeit uͤbergetragen. Die Zaube-
reyen vom Helldunkel ſind ihm fremd. Sein
Fehler iſt ſeine Gefaͤlligkeit uͤberall, auch wo ſie

nicht
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="25"/>
wegen Richtigkeit im Nackenden und Erhaben-<lb/>
heit &#x017F;einer Denkungsart: doch hat er wenig Ge-<lb/>
fu&#x0364;hl fu&#x0364;r &#x017F;cho&#x0364;ne Form gehabt, und ein elendes<lb/>
Auge fu&#x0364;r Farbe, und war arm an Ge&#x017F;talt.</p><lb/>
          <p>Raphael i&#x017F;t lauter Herz und Empfindung,<lb/>
und eine Quelle von Leben und Scho&#x0364;nheit, wie<lb/>
je wenig Sterbliche. Edel und liebenswu&#x0364;rdig<lb/>
und bereit, von &#x017F;einer Fu&#x0364;lle mitzutheilen fu&#x0364;r<lb/>
jederman, hat er die Gun&#x017F;t und Bewunderung<lb/>
von dem Kerne der Men&#x017F;chheit erhalten. Alles<lb/>
Nackende, was zu un&#x017F;ern Zeiten <choice><sic>an</sic><corr type="corrigenda">am</corr></choice> Men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ichtbar i&#x017F;t, be&#x017F;itzt er in &#x017F;einer Gewalt. An Ge-<lb/>
&#x017F;talt i&#x017F;t keiner reicher als er, und darin fu&#x0364;hlt er<lb/>
einige Gattungen von Seelen&#x017F;cho&#x0364;nheit aufs le-<lb/>
bendig&#x017F;te. Die Farbe war ihm zu &#x017F;ehr Oberfla&#x0364;-<lb/>
che; im Nackenden hat er aber doch oft ihren<lb/>
Reiz gefu&#x0364;hlt, und be&#x017F;onders bey Ko&#x0364;pfen in ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ter Vortreflichkeit u&#x0364;bergetragen. Die Zaube-<lb/>
reyen vom Helldunkel &#x017F;ind ihm fremd. Sein<lb/>
Fehler i&#x017F;t &#x017F;eine Gefa&#x0364;lligkeit u&#x0364;berall, auch wo &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0033] wegen Richtigkeit im Nackenden und Erhaben- heit ſeiner Denkungsart: doch hat er wenig Ge- fuͤhl fuͤr ſchoͤne Form gehabt, und ein elendes Auge fuͤr Farbe, und war arm an Geſtalt. Raphael iſt lauter Herz und Empfindung, und eine Quelle von Leben und Schoͤnheit, wie je wenig Sterbliche. Edel und liebenswuͤrdig und bereit, von ſeiner Fuͤlle mitzutheilen fuͤr jederman, hat er die Gunſt und Bewunderung von dem Kerne der Menſchheit erhalten. Alles Nackende, was zu unſern Zeiten am Menſchen ſichtbar iſt, beſitzt er in ſeiner Gewalt. An Ge- ſtalt iſt keiner reicher als er, und darin fuͤhlt er einige Gattungen von Seelenſchoͤnheit aufs le- bendigſte. Die Farbe war ihm zu ſehr Oberflaͤ- che; im Nackenden hat er aber doch oft ihren Reiz gefuͤhlt, und beſonders bey Koͤpfen in hoͤch- ſter Vortreflichkeit uͤbergetragen. Die Zaube- reyen vom Helldunkel ſind ihm fremd. Sein Fehler iſt ſeine Gefaͤlligkeit uͤberall, auch wo ſie nicht B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/33
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/33>, abgerufen am 21.11.2024.