chen Wesen aufgeblüht, und stammt wahrschein- lich von einer Lais oder Phryne. Bey der Niobe und ihrer schönsten Tochter, bey der Juno, und einer kolossalischen Muse in Rom mag man mehr Erhabenheit finden: aber sie haben den lautern Quell von Leben nicht, der den Durst nach aller Art von Glückseeligkeit im Menschen erquickend stillt. Hier ist alles beysammen, Körperreiz und Seelenreiz, Feuer und Schnelligkeit der Empfin- dung, und heller ausgebildeter Verstand bey je- dem Vorfall in der Welt.
Doch, was verschwend ich Worte darüber; komm und sieh! und fühle! und traure herzinnig- lich, daß sie nicht den Mantel von dir sich um- wirft, dich zu begleiten.
Tizians Venus wird eine schlimme Nach- barin an ihr erhalten.
Diese ist eine reizende junge Venezianerin von siebzehn bis achtzehn Jahren, mit schmach- tendem Blick, aufs weiße widerstrebende Som-
mer-
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chen Weſen aufgebluͤht, und ſtammt wahrſchein- lich von einer Lais oder Phryne. Bey der Niobe und ihrer ſchoͤnſten Tochter, bey der Juno, und einer koloſſaliſchen Muſe in Rom mag man mehr Erhabenheit finden: aber ſie haben den lautern Quell von Leben nicht, der den Durſt nach aller Art von Gluͤckſeeligkeit im Menſchen erquickend ſtillt. Hier iſt alles beyſammen, Koͤrperreiz und Seelenreiz, Feuer und Schnelligkeit der Empfin- dung, und heller ausgebildeter Verſtand bey je- dem Vorfall in der Welt.
Doch, was verſchwend ich Worte daruͤber; komm und ſieh! und fuͤhle! und traure herzinnig- lich, daß ſie nicht den Mantel von dir ſich um- wirft, dich zu begleiten.
Tizians Venus wird eine ſchlimme Nach- barin an ihr erhalten.
Dieſe iſt eine reizende junge Venezianerin von ſiebzehn bis achtzehn Jahren, mit ſchmach- tendem Blick, aufs weiße widerſtrebende Som-
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chen Weſen aufgebluͤht, und ſtammt wahrſchein-
lich von einer Lais oder Phryne. Bey der Niobe
und ihrer ſchoͤnſten Tochter, bey der Juno, und
einer koloſſaliſchen Muſe in Rom mag man mehr
Erhabenheit finden: aber ſie haben den lautern
Quell von Leben nicht, der den Durſt nach aller
Art von Gluͤckſeeligkeit im Menſchen erquickend
ſtillt. Hier iſt alles beyſammen, Koͤrperreiz und
Seelenreiz, Feuer und Schnelligkeit der Empfin-
dung, und heller ausgebildeter Verſtand bey je-
dem Vorfall in der Welt.
Doch, was verſchwend ich Worte daruͤber;
komm und ſieh! und fuͤhle! und traure herzinnig-
lich, daß ſie nicht den Mantel von dir ſich um-
wirft, dich zu begleiten.
Tizians Venus wird eine ſchlimme Nach-
barin an ihr erhalten.
Dieſe iſt eine reizende junge Venezianerin
von ſiebzehn bis achtzehn Jahren, mit ſchmach-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/287>, abgerufen am 25.11.2024.
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