[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.und hat nicht das leichte Schweben, wie in an- Je länger man den Christus betrachtet, weg-
und hat nicht das leichte Schweben, wie in an- Je laͤnger man den Chriſtus betrachtet, weg-
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und hat nicht das leichte Schweben, wie in an-
dern Gemaͤhlden davon; aber eben dadurch ge-
winnt die Handlung Natur und Majeſtaͤt. Ra-
phael hatte eine ſehr reine klare Empfindung,
die ihn minder fehlen ließ, als andrer ſcharfer
Verſtand.
Je laͤnger man den Chriſtus betrachtet,
deſto mehr findet man etwas uͤbernatuͤrlich goͤtt-
liches, das ſich nur guͤtig herablaͤßt; das demuͤ-
thige der Madonna vor ihm ſtimmt einen nach
und nach dazu. Es iſt etwas erſtaunlich maͤchti-
ges und gebieteriſches in ſeinem Weſen, das
mehr im Ausdruck liegt, als den Formen ſelbſt;
wunderbare Strenge und Guͤte mit einander
vereinbart. Ich habe noch wenig neuere Kunſt-
werke geſehn, die den Eindruck in der Dauer
immer tiefer und tiefer auf mich gemacht haͤtten.
Je mehr man nachdenkt und fuͤhlt und Geſtalt
nachgeht: deſto wahrer findet man dieſen Chri-
ſtuskopf. Ich kann von dieſem Gemaͤhlde nicht
weg-
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Zitationshilfe: | [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/277>, abgerufen am 16.02.2025. |