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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

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Ich kann hier nicht unterlassen, ein Ge-
mählde von Correggio anzuführen, welches
dieselbe Scene vorstellt, und in der Johannis-
kirche zu Parma in einer Seitenkapelle befindlich
ist. Nach meinem Gefühl hat er alle übertrof-
fen, und erhält den Preis, wie ein Sophokles:
so streng und einfach und rührend, mit Ver-
läugnung seiner sonstigen blühenden Farben-
pracht und lächelnden Manier behandelt er die
Begebenheit.

Erblaßt und ausgestreckt liegt der göttliche
Jüngling da. Magdalena sitzt an seiner Seite
und vergießt für sich in Wehmuth versunken heiße
Thränen, wie eine untröstlich Geliebte; und
der Schmerz der zärtlichen Mutter an seinem
Haupte über das entsetzliche Schicksal grenzt an
des Todes Bitterkeit. Ein trübes Regenlicht um
sie her; alles in Lebensgröße.

Man soll nie bey Bewunderung des einen
schülerhaft gegen andre ungerecht seyn. Raphael

selbst
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Ich kann hier nicht unterlaſſen, ein Ge-
maͤhlde von Correggio anzufuͤhren, welches
dieſelbe Scene vorſtellt, und in der Johannis-
kirche zu Parma in einer Seitenkapelle befindlich
iſt. Nach meinem Gefuͤhl hat er alle uͤbertrof-
fen, und erhaͤlt den Preis, wie ein Sophokles:
ſo ſtreng und einfach und ruͤhrend, mit Ver-
laͤugnung ſeiner ſonſtigen bluͤhenden Farben-
pracht und laͤchelnden Manier behandelt er die
Begebenheit.

Erblaßt und ausgeſtreckt liegt der goͤttliche
Juͤngling da. Magdalena ſitzt an ſeiner Seite
und vergießt fuͤr ſich in Wehmuth verſunken heiße
Thraͤnen, wie eine untroͤſtlich Geliebte; und
der Schmerz der zaͤrtlichen Mutter an ſeinem
Haupte uͤber das entſetzliche Schickſal grenzt an
des Todes Bitterkeit. Ein truͤbes Regenlicht um
ſie her; alles in Lebensgroͤße.

Man ſoll nie bey Bewunderung des einen
ſchuͤlerhaft gegen andre ungerecht ſeyn. Raphael

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[265/0273] Ich kann hier nicht unterlaſſen, ein Ge- maͤhlde von Correggio anzufuͤhren, welches dieſelbe Scene vorſtellt, und in der Johannis- kirche zu Parma in einer Seitenkapelle befindlich iſt. Nach meinem Gefuͤhl hat er alle uͤbertrof- fen, und erhaͤlt den Preis, wie ein Sophokles: ſo ſtreng und einfach und ruͤhrend, mit Ver- laͤugnung ſeiner ſonſtigen bluͤhenden Farben- pracht und laͤchelnden Manier behandelt er die Begebenheit. Erblaßt und ausgeſtreckt liegt der goͤttliche Juͤngling da. Magdalena ſitzt an ſeiner Seite und vergießt fuͤr ſich in Wehmuth verſunken heiße Thraͤnen, wie eine untroͤſtlich Geliebte; und der Schmerz der zaͤrtlichen Mutter an ſeinem Haupte uͤber das entſetzliche Schickſal grenzt an des Todes Bitterkeit. Ein truͤbes Regenlicht um ſie her; alles in Lebensgroͤße. Man ſoll nie bey Bewunderung des einen ſchuͤlerhaft gegen andre ungerecht ſeyn. Raphael ſelbſt R 5

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/273>, abgerufen am 22.11.2024.