Metaphysik hat Gott allein, sie ist sein Ehrenamt! sagte derselbe Dichter Simonides, welcher sich so klug über die Frage: was ist Gott? beym weisen Hieron aufführte. Aristo- teles will dieß zwar nicht zugeben, und meint: Gott wäre nicht so neidisch; sie sey die Glorie des Menschen, und es einem freyen Mann un- anständig, sie nicht zu erforschen. Plato aber, sonst so stolz gegen die leichten geflügelten heiligen Dinger, wie er die Dichter nennt, gestand, obgleich bey einer andern Gelegenheit, demüthig: Simonides habe selten Unrecht; er sey ein ver- ständiger und göttlicher Mann gewesen.
In den Sonnensystemen des Orion, der Milchstraße steigen wir vielleicht zu einer höhern Religion auf.
Demetri. Solch ein Angriff gefällt mir! Das ist eine Gymnastik des Verstandes, und auf beyden Seiten Gewinn; entweder geübte nack- tere gelenkere Wahrheit, oder Befreyung von
dem
Q 3
Metaphyſik hat Gott allein, ſie iſt ſein Ehrenamt! ſagte derſelbe Dichter Simonides, welcher ſich ſo klug uͤber die Frage: was iſt Gott? beym weiſen Hieron auffuͤhrte. Ariſto- teles will dieß zwar nicht zugeben, und meint: Gott waͤre nicht ſo neidiſch; ſie ſey die Glorie des Menſchen, und es einem freyen Mann un- anſtaͤndig, ſie nicht zu erforſchen. Plato aber, ſonſt ſo ſtolz gegen die leichten gefluͤgelten heiligen Dinger, wie er die Dichter nennt, geſtand, obgleich bey einer andern Gelegenheit, demuͤthig: Simonides habe ſelten Unrecht; er ſey ein ver- ſtaͤndiger und goͤttlicher Mann geweſen.
In den Sonnenſyſtemen des Orion, der Milchſtraße ſteigen wir vielleicht zu einer hoͤhern Religion auf.
Demetri. Solch ein Angriff gefaͤllt mir! Das iſt eine Gymnaſtik des Verſtandes, und auf beyden Seiten Gewinn; entweder geuͤbte nack- tere gelenkere Wahrheit, oder Befreyung von
dem
Q 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0253"n="245"/><p>Metaphyſik hat Gott allein, ſie iſt ſein<lb/>
Ehrenamt! ſagte derſelbe Dichter <hirendition="#fr">Simonides,</hi><lb/>
welcher ſich ſo klug uͤber die Frage: was iſt<lb/>
Gott? beym weiſen <hirendition="#fr">Hieron</hi> auffuͤhrte. Ariſto-<lb/>
teles will dieß zwar nicht zugeben, und meint:<lb/>
Gott waͤre nicht ſo neidiſch; ſie ſey die Glorie<lb/>
des Menſchen, und es einem freyen Mann un-<lb/>
anſtaͤndig, ſie nicht zu erforſchen. Plato aber,<lb/>ſonſt ſo ſtolz gegen die leichten gefluͤgelten heiligen<lb/>
Dinger, wie er die Dichter nennt, geſtand,<lb/>
obgleich bey einer andern Gelegenheit, demuͤthig:<lb/>
Simonides habe ſelten Unrecht; er ſey ein ver-<lb/>ſtaͤndiger und goͤttlicher Mann geweſen.</p><lb/><p>In den Sonnenſyſtemen des Orion, der<lb/>
Milchſtraße ſteigen wir vielleicht zu einer hoͤhern<lb/>
Religion auf.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Demetri.</hi> Solch ein Angriff gefaͤllt mir!<lb/>
Das iſt eine Gymnaſtik des Verſtandes, und auf<lb/>
beyden Seiten Gewinn; entweder geuͤbte nack-<lb/>
tere gelenkere Wahrheit, oder Befreyung von<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">dem</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[245/0253]
Metaphyſik hat Gott allein, ſie iſt ſein
Ehrenamt! ſagte derſelbe Dichter Simonides,
welcher ſich ſo klug uͤber die Frage: was iſt
Gott? beym weiſen Hieron auffuͤhrte. Ariſto-
teles will dieß zwar nicht zugeben, und meint:
Gott waͤre nicht ſo neidiſch; ſie ſey die Glorie
des Menſchen, und es einem freyen Mann un-
anſtaͤndig, ſie nicht zu erforſchen. Plato aber,
ſonſt ſo ſtolz gegen die leichten gefluͤgelten heiligen
Dinger, wie er die Dichter nennt, geſtand,
obgleich bey einer andern Gelegenheit, demuͤthig:
Simonides habe ſelten Unrecht; er ſey ein ver-
ſtaͤndiger und goͤttlicher Mann geweſen.
In den Sonnenſyſtemen des Orion, der
Milchſtraße ſteigen wir vielleicht zu einer hoͤhern
Religion auf.
Demetri. Solch ein Angriff gefaͤllt mir!
Das iſt eine Gymnaſtik des Verſtandes, und auf
beyden Seiten Gewinn; entweder geuͤbte nack-
tere gelenkere Wahrheit, oder Befreyung von
dem
Q 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/253>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.