und zu der Zeit, wo so eben erst die Franzosen von Italien hinausgetrieben waren, muß es jederman innig ergötzt haben. Man sieht in- zwischen deutlich, daß ihn seine Schüler an den Nebensachen halfen. Es ist ein ungeheurer Un- terschied, wenn man Raphaelen nach den mei- sten gegenwärtigen Mahlern sieht; bey ihm lebt alles und bedeutet, und greift ein ins Ganze. Man kömmt bey ihm einmal wieder zu einem verständigen Menschen.
Damit du aber siehst, daß ich doch nicht schwär- me: so meld ich dir daneben, daß der bewun- derte Attila gegenüber auf mich wenig Wirkung macht. Ich finde darin kein recht zusammen- hängend Ganzes in der wirklichen Mahlerey und den Charaktern, obgleich die Anlage treflich ist, und zuviel Kompliment auf Leo den zehnten, dessen Kopf sich warlich zu keiner solchen Scene schickt. Attila sieht viel zu gütig aus für einen Hunnenkönig, ohnerachtet der ungefühlten
Worte
und zu der Zeit, wo ſo eben erſt die Franzoſen von Italien hinausgetrieben waren, muß es jederman innig ergoͤtzt haben. Man ſieht in- zwiſchen deutlich, daß ihn ſeine Schuͤler an den Nebenſachen halfen. Es iſt ein ungeheurer Un- terſchied, wenn man Raphaelen nach den mei- ſten gegenwaͤrtigen Mahlern ſieht; bey ihm lebt alles und bedeutet, und greift ein ins Ganze. Man koͤmmt bey ihm einmal wieder zu einem verſtaͤndigen Menſchen.
Damit du aber ſiehſt, daß ich doch nicht ſchwaͤr- me: ſo meld ich dir daneben, daß der bewun- derte Attila gegenuͤber auf mich wenig Wirkung macht. Ich finde darin kein recht zuſammen- haͤngend Ganzes in der wirklichen Mahlerey und den Charaktern, obgleich die Anlage treflich iſt, und zuviel Kompliment auf Leo den zehnten, deſſen Kopf ſich warlich zu keiner ſolchen Scene ſchickt. Attila ſieht viel zu guͤtig aus fuͤr einen Hunnenkoͤnig, ohnerachtet der ungefuͤhlten
Worte
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[16/0024]
und zu der Zeit, wo ſo eben erſt die Franzoſen
von Italien hinausgetrieben waren, muß es
jederman innig ergoͤtzt haben. Man ſieht in-
zwiſchen deutlich, daß ihn ſeine Schuͤler an den
Nebenſachen halfen. Es iſt ein ungeheurer Un-
terſchied, wenn man Raphaelen nach den mei-
ſten gegenwaͤrtigen Mahlern ſieht; bey ihm lebt
alles und bedeutet, und greift ein ins Ganze.
Man koͤmmt bey ihm einmal wieder zu einem
verſtaͤndigen Menſchen.
Damit du aber ſiehſt, daß ich doch nicht ſchwaͤr-
me: ſo meld ich dir daneben, daß der bewun-
derte Attila gegenuͤber auf mich wenig Wirkung
macht. Ich finde darin kein recht zuſammen-
haͤngend Ganzes in der wirklichen Mahlerey und
den Charaktern, obgleich die Anlage treflich iſt,
und zuviel Kompliment auf Leo den zehnten,
deſſen Kopf ſich warlich zu keiner ſolchen Scene
ſchickt. Attila ſieht viel zu guͤtig aus fuͤr einen
Hunnenkoͤnig, ohnerachtet der ungefuͤhlten
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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