teles sagt; ein Wesen, das sich von selbst in sich, seinen Einheiten, wenn ich mich so ausdrücken darf, immerfort bewegt, ganz aus Thätigkeit besteht. Dessen Charakter gerad es ist, nie ge- bunden zu werden, es sey von was es wolle; das lieber das Böse freywillig thäte, als das Gute gezwungen, wenn es ein Böses für dasselbe ge- ben könnte. Das vermöge dieses Charakters al- les andre löst, was sich seiner minder regsamen Natur nach bindet; kurz, eine unendliche Unru- he in der unendlichen Uhr der Zeit.
Anaxagoras führte zuerst diesen Glauben ein; Plato verschönerte ihn mit Dichtungen; Aristoteles plagt sich, denselben in ein vernünf- tig System zu bringen, scheint aber mit sich selbst darüber noch nicht einig.
Verstand dünkt ihm das göttlichste unter al- lem, was wir kennen; und dieß zwar wegen des Denkens, welches keine zufällige Eigen- schaft, sondern immer rege Wirksamkeit, selbst-
ständig
teles ſagt; ein Weſen, das ſich von ſelbſt in ſich, ſeinen Einheiten, wenn ich mich ſo ausdruͤcken darf, immerfort bewegt, ganz aus Thaͤtigkeit beſteht. Deſſen Charakter gerad es iſt, nie ge- bunden zu werden, es ſey von was es wolle; das lieber das Boͤſe freywillig thaͤte, als das Gute gezwungen, wenn es ein Boͤſes fuͤr daſſelbe ge- ben koͤnnte. Das vermoͤge dieſes Charakters al- les andre loͤſt, was ſich ſeiner minder regſamen Natur nach bindet; kurz, eine unendliche Unru- he in der unendlichen Uhr der Zeit.
Anaxagoras fuͤhrte zuerſt dieſen Glauben ein; Plato verſchoͤnerte ihn mit Dichtungen; Ariſtoteles plagt ſich, denſelben in ein vernuͤnf- tig Syſtem zu bringen, ſcheint aber mit ſich ſelbſt daruͤber noch nicht einig.
Verſtand duͤnkt ihm das goͤttlichſte unter al- lem, was wir kennen; und dieß zwar wegen des Denkens, welches keine zufaͤllige Eigen- ſchaft, ſondern immer rege Wirkſamkeit, ſelbſt-
ſtaͤndig
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teles ſagt; ein Weſen, das ſich von ſelbſt in ſich,
ſeinen Einheiten, wenn ich mich ſo ausdruͤcken
darf, immerfort bewegt, ganz aus Thaͤtigkeit
beſteht. Deſſen Charakter gerad es iſt, nie ge-
bunden zu werden, es ſey von was es wolle;
das lieber das Boͤſe freywillig thaͤte, als das Gute
gezwungen, wenn es ein Boͤſes fuͤr daſſelbe ge-
ben koͤnnte. Das vermoͤge dieſes Charakters al-
les andre loͤſt, was ſich ſeiner minder regſamen
Natur nach bindet; kurz, eine unendliche Unru-
he in der unendlichen Uhr der Zeit.
Anaxagoras fuͤhrte zuerſt dieſen Glauben
ein; Plato verſchoͤnerte ihn mit Dichtungen;
Ariſtoteles plagt ſich, denſelben in ein vernuͤnf-
tig Syſtem zu bringen, ſcheint aber mit ſich ſelbſt
daruͤber noch nicht einig.
Verſtand duͤnkt ihm das goͤttlichſte unter al-
lem, was wir kennen; und dieß zwar wegen
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/220>, abgerufen am 22.11.2024.
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