Wenn ich meinen Körper betrachte, und bedenke, daß ich ihn selbst soll zusammengearbei- tet und gebildet haben, und doch nichts davon weiß; oder welches einerley ist, daß das erste Menschenpaar dieß soll gethan haben: so dünkt mir augenscheinlich, daß ich nicht von mir selbst abhange, und daß eine unbekannte Ursach im Spiel ist. Anfang und Ende ist für keines Menschen Kopf; und eben so unbegreiflich, wie verschiednes ein lebendiges Eins macht. Unsre offenbare Willkühr, der vorher bestimmte End- zweck aller unsrer Sinnen zum Beyspiel, das Forterhalten der Gattungen, bleibt unerklärlich, und übersteigt die feinste Philosophie.
Demetri. Vielleicht wird sich dieß noch aufhüllen.
Wir erkennen uns bloß als Zusammense- tzung, als Wirkung und nicht als Ursache. Bey uns ist sie mit unserm Verstand eins, und es fin- det da kein Gezweytes statt; bey andern Dingen
läßt
Wenn ich meinen Koͤrper betrachte, und bedenke, daß ich ihn ſelbſt ſoll zuſammengearbei- tet und gebildet haben, und doch nichts davon weiß; oder welches einerley iſt, daß das erſte Menſchenpaar dieß ſoll gethan haben: ſo duͤnkt mir augenſcheinlich, daß ich nicht von mir ſelbſt abhange, und daß eine unbekannte Urſach im Spiel iſt. Anfang und Ende iſt fuͤr keines Menſchen Kopf; und eben ſo unbegreiflich, wie verſchiednes ein lebendiges Eins macht. Unſre offenbare Willkuͤhr, der vorher beſtimmte End- zweck aller unſrer Sinnen zum Beyſpiel, das Forterhalten der Gattungen, bleibt unerklaͤrlich, und uͤberſteigt die feinſte Philoſophie.
Demetri. Vielleicht wird ſich dieß noch aufhuͤllen.
Wir erkennen uns bloß als Zuſammenſe- tzung, als Wirkung und nicht als Urſache. Bey uns iſt ſie mit unſerm Verſtand eins, und es fin- det da kein Gezweytes ſtatt; bey andern Dingen
laͤßt
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Wenn ich meinen Koͤrper betrachte, und
bedenke, daß ich ihn ſelbſt ſoll zuſammengearbei-
tet und gebildet haben, und doch nichts davon
weiß; oder welches einerley iſt, daß das erſte
Menſchenpaar dieß ſoll gethan haben: ſo duͤnkt
mir augenſcheinlich, daß ich nicht von mir ſelbſt
abhange, und daß eine unbekannte Urſach im
Spiel iſt. Anfang und Ende iſt fuͤr keines
Menſchen Kopf; und eben ſo unbegreiflich, wie
verſchiednes ein lebendiges Eins macht. Unſre
offenbare Willkuͤhr, der vorher beſtimmte End-
zweck aller unſrer Sinnen zum Beyſpiel, das
Forterhalten der Gattungen, bleibt unerklaͤrlich,
und uͤberſteigt die feinſte Philoſophie.
Demetri. Vielleicht wird ſich dieß noch
aufhuͤllen.
Wir erkennen uns bloß als Zuſammenſe-
tzung, als Wirkung und nicht als Urſache. Bey
uns iſt ſie mit unſerm Verſtand eins, und es fin-
det da kein Gezweytes ſtatt; bey andern Dingen
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/163>, abgerufen am 25.11.2024.
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