Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Staaten sehen, wo die Natur auch ihre geistig-
sten Gaben am reichlichsten ausspendet, in den
Gefielden der Wahrheit und Schönheit nach Lust
immer weiter zu schreiten, und hienieden die
höchsten Gipfel zu ersteigen, wo er Meer und
Land überschaut."

"Die mehrsten Streitigkeiten über Gott
kommen davon her, daß Layen selten wissen,
was sie wollen; und Philosophen meistens für
den eingeführten Glauben, seys unter Heiden,
Juden, Christen, sich von ihm ein Ideal bil-
den, und ihn nicht annehmen und zu ergründen
suchen, wie er in Natur sich befindet; als ob er
sich bey der Menge verächtlich machte, wenn er
wäre, was er ist."

"Anaxagoras unter den Griechen gab mit
seinem Verstandwesen für die folgenden Zeiten
hauptsächlich dazu Anlaß. Das System des
Lehrers des Perikles und Euripides hat durch
ihr sinnliches und glückliches Zeitalter geherrscht,

trotz
J 4

Staaten ſehen, wo die Natur auch ihre geiſtig-
ſten Gaben am reichlichſten ausſpendet, in den
Gefielden der Wahrheit und Schoͤnheit nach Luſt
immer weiter zu ſchreiten, und hienieden die
hoͤchſten Gipfel zu erſteigen, wo er Meer und
Land uͤberſchaut.“

„Die mehrſten Streitigkeiten uͤber Gott
kommen davon her, daß Layen ſelten wiſſen,
was ſie wollen; und Philoſophen meiſtens fuͤr
den eingefuͤhrten Glauben, ſeys unter Heiden,
Juden, Chriſten, ſich von ihm ein Ideal bil-
den, und ihn nicht annehmen und zu ergruͤnden
ſuchen, wie er in Natur ſich befindet; als ob er
ſich bey der Menge veraͤchtlich machte, wenn er
waͤre, was er iſt.“

Anaxagoras unter den Griechen gab mit
ſeinem Verſtandweſen fuͤr die folgenden Zeiten
hauptſaͤchlich dazu Anlaß. Das Syſtem des
Lehrers des Perikles und Euripides hat durch
ihr ſinnliches und gluͤckliches Zeitalter geherrſcht,

trotz
J 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="135"/>
Staaten &#x017F;ehen, wo die Natur auch ihre gei&#x017F;tig-<lb/>
&#x017F;ten Gaben am reichlich&#x017F;ten aus&#x017F;pendet, in den<lb/>
Gefielden der Wahrheit und Scho&#x0364;nheit nach Lu&#x017F;t<lb/>
immer weiter zu &#x017F;chreiten, und hienieden die<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gipfel zu er&#x017F;teigen, wo er Meer und<lb/>
Land u&#x0364;ber&#x017F;chaut.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die mehr&#x017F;ten Streitigkeiten u&#x0364;ber Gott<lb/>
kommen davon her, daß Layen &#x017F;elten wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
was &#x017F;ie wollen; und Philo&#x017F;ophen mei&#x017F;tens fu&#x0364;r<lb/>
den eingefu&#x0364;hrten Glauben, &#x017F;eys unter Heiden,<lb/>
Juden, Chri&#x017F;ten, &#x017F;ich von ihm ein Ideal bil-<lb/>
den, und ihn nicht annehmen und zu ergru&#x0364;nden<lb/>
&#x017F;uchen, wie er in Natur &#x017F;ich befindet; als ob er<lb/>
&#x017F;ich bey der Menge vera&#x0364;chtlich machte, wenn er<lb/>
wa&#x0364;re, was er i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#fr">Anaxagoras</hi> unter den Griechen gab mit<lb/>
&#x017F;einem <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tandwe&#x017F;en</hi> fu&#x0364;r die folgenden Zeiten<lb/>
haupt&#x017F;a&#x0364;chlich dazu Anlaß. Das Sy&#x017F;tem des<lb/>
Lehrers des <hi rendition="#fr">Perikles</hi> und <hi rendition="#fr">Euripides</hi> hat durch<lb/>
ihr &#x017F;innliches und glu&#x0364;ckliches Zeitalter geherr&#x017F;cht,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 4</fw><fw place="bottom" type="catch">trotz</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0143] Staaten ſehen, wo die Natur auch ihre geiſtig- ſten Gaben am reichlichſten ausſpendet, in den Gefielden der Wahrheit und Schoͤnheit nach Luſt immer weiter zu ſchreiten, und hienieden die hoͤchſten Gipfel zu erſteigen, wo er Meer und Land uͤberſchaut.“ „Die mehrſten Streitigkeiten uͤber Gott kommen davon her, daß Layen ſelten wiſſen, was ſie wollen; und Philoſophen meiſtens fuͤr den eingefuͤhrten Glauben, ſeys unter Heiden, Juden, Chriſten, ſich von ihm ein Ideal bil- den, und ihn nicht annehmen und zu ergruͤnden ſuchen, wie er in Natur ſich befindet; als ob er ſich bey der Menge veraͤchtlich machte, wenn er waͤre, was er iſt.“ „Anaxagoras unter den Griechen gab mit ſeinem Verſtandweſen fuͤr die folgenden Zeiten hauptſaͤchlich dazu Anlaß. Das Syſtem des Lehrers des Perikles und Euripides hat durch ihr ſinnliches und gluͤckliches Zeitalter geherrſcht, trotz J 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/143
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/143>, abgerufen am 22.11.2024.