Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

ne Brüder hören: und du bist des Todes, und
ich im Hause auf immer elend!" Dieß war in ei-
nem so festen sichern Tone gesagt, wie ein Schwert-
schlag die Schulter herein, daß ich nachlassen
mußte; ich wurde wie von einander gerissen,
als das himmlische warmlebendige Geschöpf meinen
Armen entwich."

"Nicht so heftig, holder Verwegner! so
war es nicht gemeint!" fing sie nach einer kleinen
Pause an, und streichelte mir die Backen, die
Sirene.

"Ganz außer mir ergriff ich sie wieder mit
Gewalt von neuen. Hier aber gerieht sie in
bittern Zorn, und riß mich mit den Haaren von
sich:" glaube nicht, sagte sie, daß ich ein Kind
bin, das nicht weiß, was es thut, und mit sich
anfangen läßt, was ein wühtender Mensch
will!" Ich konnte nichts dagegen aufbringen,
und Unmöglichkeit, Liebe und Bewunderung
machten, daß ich meine Leidenschaften bändigte."

"Wir

ne Bruͤder hoͤren: und du biſt des Todes, und
ich im Hauſe auf immer elend!„ Dieß war in ei-
nem ſo feſten ſichern Tone geſagt, wie ein Schwert-
ſchlag die Schulter herein, daß ich nachlaſſen
mußte; ich wurde wie von einander geriſſen,
als das himmliſche warmlebendige Geſchoͤpf meinen
Armen entwich.“

„Nicht ſo heftig, holder Verwegner! ſo
war es nicht gemeint!“ fing ſie nach einer kleinen
Pauſe an, und ſtreichelte mir die Backen, die
Sirene.

„Ganz außer mir ergriff ich ſie wieder mit
Gewalt von neuen. Hier aber gerieht ſie in
bittern Zorn, und riß mich mit den Haaren von
ſich:“ glaube nicht, ſagte ſie, daß ich ein Kind
bin, das nicht weiß, was es thut, und mit ſich
anfangen laͤßt, was ein wuͤhtender Menſch
will!„ Ich konnte nichts dagegen aufbringen,
und Unmoͤglichkeit, Liebe und Bewunderung
machten, daß ich meine Leidenſchaften baͤndigte.“

„Wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="92"/>
ne Bru&#x0364;der ho&#x0364;ren: und du bi&#x017F;t des Todes, und<lb/>
ich im Hau&#x017F;e auf immer elend!&#x201E; Dieß war in ei-<lb/>
nem &#x017F;o fe&#x017F;ten &#x017F;ichern Tone ge&#x017F;agt, wie ein Schwert-<lb/>
&#x017F;chlag die Schulter herein, daß ich nachla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mußte; ich wurde wie von einander geri&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
als das himmli&#x017F;che warmlebendige Ge&#x017F;cho&#x0364;pf meinen<lb/>
Armen entwich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht &#x017F;o heftig, holder Verwegner! &#x017F;o<lb/>
war es nicht gemeint!&#x201C; fing &#x017F;ie nach einer kleinen<lb/>
Pau&#x017F;e an, und &#x017F;treichelte mir die Backen, die<lb/>
Sirene.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ganz außer mir ergriff ich &#x017F;ie wieder mit<lb/>
Gewalt von neuen. Hier aber gerieht &#x017F;ie in<lb/>
bittern Zorn, und riß mich mit den Haaren von<lb/>
&#x017F;ich:&#x201C; glaube nicht, &#x017F;agte &#x017F;ie, daß ich ein Kind<lb/>
bin, das nicht weiß, was es thut, und mit &#x017F;ich<lb/>
anfangen la&#x0364;ßt, was ein wu&#x0364;htender Men&#x017F;ch<lb/>
will!&#x201E; Ich konnte nichts dagegen aufbringen,<lb/>
und Unmo&#x0364;glichkeit, Liebe und Bewunderung<lb/>
machten, daß ich meine Leiden&#x017F;chaften ba&#x0364;ndigte.&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Wir</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0098] ne Bruͤder hoͤren: und du biſt des Todes, und ich im Hauſe auf immer elend!„ Dieß war in ei- nem ſo feſten ſichern Tone geſagt, wie ein Schwert- ſchlag die Schulter herein, daß ich nachlaſſen mußte; ich wurde wie von einander geriſſen, als das himmliſche warmlebendige Geſchoͤpf meinen Armen entwich.“ „Nicht ſo heftig, holder Verwegner! ſo war es nicht gemeint!“ fing ſie nach einer kleinen Pauſe an, und ſtreichelte mir die Backen, die Sirene. „Ganz außer mir ergriff ich ſie wieder mit Gewalt von neuen. Hier aber gerieht ſie in bittern Zorn, und riß mich mit den Haaren von ſich:“ glaube nicht, ſagte ſie, daß ich ein Kind bin, das nicht weiß, was es thut, und mit ſich anfangen laͤßt, was ein wuͤhtender Menſch will!„ Ich konnte nichts dagegen aufbringen, und Unmoͤglichkeit, Liebe und Bewunderung machten, daß ich meine Leidenſchaften baͤndigte.“ „Wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/98
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/98>, abgerufen am 22.11.2024.