Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

wahr spricht, Held im Streite, wo es das Le-
ben gilt, und jeder Hieb und Stoß, Wunde.
Aber ein andres ist Schlachtfeld, ein andres
Akademie! wo unter kühlen Lauben auch zuweilen
bloß angenehmes Geschwätz ergötzt; und lyri-
sche Verzuckungen süßer Trunkenheit bey sternen-
heller Nacht am seligsten machen.

Mitten unter dieser Seelenweide legt ich
mich eifrig auf die Zeichnung. Ich fing vom
neuen damit an, allerley mathematische Figuren
aus freyer Hand bis zur Vollkommenheit zu ent-
werfen, um sie zur Sicherheit im Zuge zu brin-
gen. Alsdenn plagte mich Ardinghello nur kur-
ze Zeit mit menschlichen Gerippen, und ging
gleich über auf den Umriß der Theile, und ihre
Verhältnisse zu einander; und endlich gelangt ich
zum Lebendigen, wie aus einer trocknen Wüste
zu schattichten frischen Quellen. Wir waren schon
aus der ruhigen Schönheit am Leidenschaftlichen:

als
E 4

wahr ſpricht, Held im Streite, wo es das Le-
ben gilt, und jeder Hieb und Stoß, Wunde.
Aber ein andres iſt Schlachtfeld, ein andres
Akademie! wo unter kuͤhlen Lauben auch zuweilen
bloß angenehmes Geſchwaͤtz ergoͤtzt; und lyri-
ſche Verzuckungen ſuͤßer Trunkenheit bey ſternen-
heller Nacht am ſeligſten machen.

Mitten unter dieſer Seelenweide legt ich
mich eifrig auf die Zeichnung. Ich fing vom
neuen damit an, allerley mathematiſche Figuren
aus freyer Hand bis zur Vollkommenheit zu ent-
werfen, um ſie zur Sicherheit im Zuge zu brin-
gen. Alsdenn plagte mich Ardinghello nur kur-
ze Zeit mit menſchlichen Gerippen, und ging
gleich uͤber auf den Umriß der Theile, und ihre
Verhaͤltniſſe zu einander; und endlich gelangt ich
zum Lebendigen, wie aus einer trocknen Wuͤſte
zu ſchattichten friſchen Quellen. Wir waren ſchon
aus der ruhigen Schoͤnheit am Leidenſchaftlichen:

als
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="71"/>
wahr &#x017F;pricht, Held im Streite, wo es das Le-<lb/>
ben gilt, und jeder Hieb und Stoß, Wunde.<lb/>
Aber ein andres i&#x017F;t Schlachtfeld, ein andres<lb/>
Akademie! wo unter ku&#x0364;hlen Lauben auch zuweilen<lb/>
bloß angenehmes Ge&#x017F;chwa&#x0364;tz ergo&#x0364;tzt; und lyri-<lb/>
&#x017F;che Verzuckungen &#x017F;u&#x0364;ßer Trunkenheit bey &#x017F;ternen-<lb/>
heller Nacht am &#x017F;elig&#x017F;ten machen.</p><lb/>
        <p>Mitten unter die&#x017F;er Seelenweide legt ich<lb/>
mich eifrig auf die Zeichnung. Ich fing vom<lb/>
neuen damit an, allerley mathemati&#x017F;che Figuren<lb/>
aus freyer Hand bis zur Vollkommenheit zu ent-<lb/>
werfen, um &#x017F;ie zur Sicherheit im Zuge zu brin-<lb/>
gen. Alsdenn plagte mich Ardinghello nur kur-<lb/>
ze Zeit mit men&#x017F;chlichen Gerippen, und ging<lb/>
gleich u&#x0364;ber auf den Umriß der Theile, und ihre<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu einander; und endlich gelangt ich<lb/>
zum Lebendigen, wie aus einer trocknen Wu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
zu &#x017F;chattichten fri&#x017F;chen Quellen. Wir waren &#x017F;chon<lb/>
aus der ruhigen Scho&#x0364;nheit am Leiden&#x017F;chaftlichen:<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0077] wahr ſpricht, Held im Streite, wo es das Le- ben gilt, und jeder Hieb und Stoß, Wunde. Aber ein andres iſt Schlachtfeld, ein andres Akademie! wo unter kuͤhlen Lauben auch zuweilen bloß angenehmes Geſchwaͤtz ergoͤtzt; und lyri- ſche Verzuckungen ſuͤßer Trunkenheit bey ſternen- heller Nacht am ſeligſten machen. Mitten unter dieſer Seelenweide legt ich mich eifrig auf die Zeichnung. Ich fing vom neuen damit an, allerley mathematiſche Figuren aus freyer Hand bis zur Vollkommenheit zu ent- werfen, um ſie zur Sicherheit im Zuge zu brin- gen. Alsdenn plagte mich Ardinghello nur kur- ze Zeit mit menſchlichen Gerippen, und ging gleich uͤber auf den Umriß der Theile, und ihre Verhaͤltniſſe zu einander; und endlich gelangt ich zum Lebendigen, wie aus einer trocknen Wuͤſte zu ſchattichten friſchen Quellen. Wir waren ſchon aus der ruhigen Schoͤnheit am Leidenſchaftlichen: als E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/77
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/77>, abgerufen am 22.11.2024.